Zeitlos schön – von Klassikern und Modewellen

Die nachfolgenden Gedanken handeln von Kleidung. Aber das Thema lässt sich auch mühelos auf Düfte ausdehnen …


Wie gehen wir mit Zeit um – in der Mode? Ist auch das eine Frage des Stils? Wie lange und wie oft tragen wir unsere Kleidung, bis sie im Schrank ganz nach hinten rutscht? Dorthin, wo sie so lange im Vergessenen dämmert, bis Platzmangel oder ein seltener Anfall von Aufräumwut sie wieder ans Tageslicht befördert und wir uns fragen müssen: Werde ich dieses Stück jemals wieder anziehen?


Jede Zeit hat ihre Moden. Manches überdauert kaum die jeweilige Saison, andere lassen sich zeitlich dehnen, amalgamieren sich stilistisch auch noch in den Look der folgenden Sommer, Winter, Frühjahre. Und dann, dann gibt es noch die sogenannten Klassiker. Kleidungsstücke, die jenseits aller Moden tragbar sind. Sein sollen. Dirndl, beispielsweise. Oder ein Bleistiftrock in Schwarz. Der gerade geschnittene Kaschmirmantel. Der überweite Strickpullover in Marineblau. Einige meiner Freundinnen tragen solche Kleider. Gerne. Mit Überzeugung. Mit Begeisterung. Ich eher nicht. Was andere erfreut, versetzt mich in Schrecken: Ich fühle mich aus der Zeit gefallen. Klar, dass meine eher modisch orientierte Kleidung nicht so langlebig ist wie die ausgesuchten Stücke meiner Freundinnen. Meist ist sie auch billiger. Trotzdem kann ich mich schlecht von einem Pullover, einer Hose, einer Bluse trennen. Könnte ja noch mal gehen. Lässt sich ja noch kombinieren. Doch ich erkenne die Unterschiede.

Wie oft wechseln die Kollektionen? Gestern in einem meiner liebsten Stöbershops hing der halbe Laden unter großen roten Schildern mit "Sale". An manchem der Kleidungsstücke hing noch das Etikett, mit denen es ausgezeichnet wurde, als die Verkäuferinnen es ausgepackt haben: "New Collection". Schlussverkauf ist ja nicht mehr. Und wenn man über den Sinn des Wortes nachdenkt, dann ist tatsächlich nie "Schluss". Täglich gibt es neue Kleidungsstücke – über das ganze Jahr hinweg, in stetem Wechsel. Und das heute Neue macht aus dem gestern Neuen Altes. Erfreulich ist daran, dass nahezu alles geht: 60er-Look, 70er-Charme, 50er-HillBilli oder 80er-Wahn. Reprisen, wohin man schaut: farblich, stilistisch und in der Zusammenstellung. Wer geschickt kombinieren kann, muss eigentlich nichts mehr wegwerfen, in Secondhand-Läden tragen oder auf Kleiderbörsen verkaufen. Und doch ist die Zeit eines Kleidungsstückes für uns mitunter bereits abgelaufen, selbst wenn es noch keine Mängel aufweist oder durchaus noch modisch kompatibel ist. Wir mögen es einfach nicht mehr. Manchmal zucken wir sogar ein wenig erschrocken zurück: DAS haben wir einmal gut gefunden?

Wie viel Wandel brauchen wir – und kaufen Neues, obwohl der Schrank voll ist? Voll mit Kleidung, die für die nächsten 10 Jahre reichen würde (und darüber hinaus?) Wenn ich versuche, mich einzuschränken, Kleidung nicht zu kaufen, fällt mir das schwer. Und klappt auch schon mal gar nicht. Und so kaufe ich eine Hose, obwohl ich ausreichend Hosen besitze. Schöne Hosen. Fast neue Hosen. Kaum getragen. Wann sollte ich auch alles anziehen? Dazu fehlt mir nicht nur Gelegenheit, mir fehlt auch die Zeit. Mein Traum: zehn gut gewählte Kleidungsstücke, die ich trage, bis sie auseinanderfallen. Doch ich weiß: Glücklich wäre ich damit nicht. Ich hätte ein gutes Gewissen und ich stelle es mir herrlich vor, wie leer und übersichtlich mein Schrank dann sein könnte. Aber es ließe sich wohl nur erreichen, wenn ich mich dauernd ablenken würde, beschäftigen, ablenken. Und so stecke ich in einer Sackgasse: Mehrere Interessen streiten sich in mir und eine stringente Handlungsweise ist weit und breit nicht in Sicht. "Zeitlos schön" wird ein Traum bleiben, im Moment verhaftete Gelüste weiter die Idee des leeren Schrankes torpedieren.


Es ist so leicht geworden, Kleidung zu kaufen. Sie kostet nur noch einen Bruchteil dessen, was sie vor 50 Jahren gekostet hat, vor 30, vor 15 Jahren. Im Shoppingcenter auf dem Weg zum Sport liegt ein Biomarkt. Sie bieten einen leckeren Kaffee to-go. Als ich aus dem Laden trete, fällt mein Blick auf die T-Shirts, die eine bekannte Billigkette anbietet. 2,49 Euro. Wie kann das gehen? Es gibt also noch mehr Gründe, den eigenen Konsum nicht zu sehr auszuweiten. Denn die Produktionsbedingungen, unter denen diese und die Shirts anderer Kleidungsvertriebsunternehmen hergestellt werden, sind eigentlich so furchtbar, dass sich ein Kauf von selbst verbieten sollte.

Es fällt mir leicht, hier nicht zu kaufen, denn das Objekt hat keinen Reiz. Doch an anderer Stelle, bei Kleidung, die mir gefällt? Würde ich meine Kleidung länger tragen, wenn sie teurer wäre? Ist es zu leicht geworden, Kleidung zu kaufen? Früher (ha!) habe ich manches selbst genäht. Interessante Stücke. Besonderes. Weil ich die Idee hatte und nichts Ähnliches fand. Gemocht habe ich das Nähen nicht, denn ich bin ungeduldig. Es hat mich also Zeit und Mühen gekostet. Und doch habe ich die selbst genähten Kleider nicht häufiger und länger getragen als die gekauften Stücke heute.

Ich bin generell entsetzt, wenn ich wahrnehme, wie viele Waren in Umlauf sind: Möbel, Kleidung, Lebensmittel. Aber während ich Möbel ohne Probleme links liegen lassen kann – ich habe ja bereits sehr gefällige Zuhause – und Lebensmittel ein Verfallsdatum haben, vor dem ich sie konsumiere, also verbrauche, gibt es wenige Schranken für den Kauf von Kleidung. Weder Raum – Kleiderschrank voll – noch Zeit – kann man ja alles abends im Internet bestellen – halten davon ab. Leider.





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