Lipkat

Freedom führt einem eindrücklich vor Augen, wie schön es ist, dass man auch bei der Wahl des Parfüms die Freiheit der Entscheidung hat: Wie gut, dass man hier nicht zugreifen MUSS. Beim Blick auf die Dufpyramide ist es überraschend, das sich aus den aufgeführten Zutaten der olfaktorische Eindruck von geschmacklich uninteressanten Beeren auf schmutzigem, überfrorenem Schnee mit einem Hauch brackigem Salzwasser ergibt. Hut ab!

Ich verstehe das Konzept hinter diesem Duft nicht. Nun ist die Sache die: Hätte ich den Eindruck, dass es ein Konzept gibt, für dessen Verständnis meine wie auch immer gearteten Fähigkeiten nicht ausreichen, würde ich mir den Kommentar einfach sparen. Aber in diesem Fall habe ich den Eindruck, dass hier ziemlich plan- und visionslos etwas zusammengerührt wurde, ohne dass sich irgendjemand Gedanken gemacht hätte, wo die Reise hingehen soll. Und ein Glückstreffer kam leider nicht raus.

Der Auftakt ist auf meiner Haut im ersten Moment fruchtig, tendenziell birnig. Nach wenigen Minuten stellt sich die Herznote ein, und die ist durchaus bemerkenswert: Stechend, ziehend, furztrocken. "Bemerkenswert" ist das deshalb, weil eine dermaßen flach-trockene Anmutung bei Düften, die sich in der Regel doch um Tiefe, Vielschichtigkeit, Lebendigkeit bemühen, ziemlich selten anzutreffen ist. Aus gutem Grund übrigens. Dieses EdT hier driftet für mein Empfinden zudem stark in die Richtung von getrocknetem... äh... lassen wir das. Es ist wirklich nicht böse gemeint, aber nüchtern berochen fallen mir da Ähnlichkeiten zu Flüssigkeiten auf, die man sich jetzt nicht so unbedingt gerne in den Kühlschrank oder ins Wohnzimmer stellen würde.

In der Basisnote wird es wieder weniger unerfreulich: eine leicht-aquatische Fruchtigkeit mischt sich mit einem Lederakkord, der Grundton bleibt aber trocken. Erstaunlich ist, dass all diese konsequente Trockenheit einen entscheidenden Beitrag zu einer - vom Wort her - leicht widersprüchlichen Einschätzunng meinerseits liefert: Drifter ist völlig überflüssig. Ich erkenne da keinerlei Linie, kein Ziel, gar nichts. Lediglich der Flakon ist schön. Für so viel Geld ein ziemlich verheerender Befund.

Wenn ein Wolkenkratzer aus Stahl, Glas und Granit einen in seiner unterkühlten, hohen, schwarz-grauen und von Licht durchfluteten Eingangshalle mit einem Duft empfängt - es könnte Armani Mania sein. Die feine, sinnliche Mandarine wird von gläsern-metallischen Tönen eskortiert, es schwingt für mich auch eine Note von Lakritzbonbons mit und eine von Graphit. Wieso muss ich eigentlich so oft bei Düften an Graphit denken? Ist in meiner Kindheit mal beim Bleistiftspitzen was vorgefallen, an das ich mich nur bewusst nicht erinnere? Wie gruselig - ich will nicht mal dran denken!

Armani Mania wird durch die Kombination aus sinnlich und unterkühlt zu einem sexy und coolen Duft. Ich habe mit Anzugträgern nicht viel am Hut, aber die Wolkenkratzer-Architektur-Assoziation lässt solche Typen natürlich vor meinem inneren Auge aufmarschieren. Und ich muss zugeben: Perfekt sitzende Anzüge aus tollem Material und mit maskulinem Schnitt haben schon was.... Sonderlich auffällig ist Armani Mania nicht, ich würde es als Büroduft einordnen - aber als einen mit Tiefe, mit einer gewissen Subtilität und weit jenseits des Langweiligen, Belanglosen und Austauschbaren.

Gucci by Gucci erlebe ich zu 95 Prozent als gepflegte Langeweile. Damit hätten sich unsere Wege normalerweise schon getrennt - wenn denn die übrigen fünf Prozent in Verbindung mit dem unspektakulären Löwenanteil nicht eine einigermaßen interessante Mischung eingehen würden.


Es mag Jasmin sein, mich erinnert die Hauptnote über den gesamten Duftverlauf hinweg aber eher an - ein ziemlich synthetisches - Maiglöckchen. Das schippert auf einemn aquatischen Akkord dahin und wird hinten von Moschus gepolstert (auch wenn der hier nicht in der Duftpyramide auftaucht). Die Sillage ist okay, die Haltbarkeit an meiner Haut sehr gut - abends ist noch deutlich zu riechen, was ich morgens aufgesprüht habe.

In einigen Kommentaren hier wird GbG als Büroduft charakterisiert. Ich schließe mich an, und entdecke an mir, dass mir diese Art von EdT an manchen Tagen im Büro ganz angenehm ist - auch wenn ich generell lieber Düfte mag, die weniger unauffällig sind. Das synthetische Maiglöckchen schlägt GbG allerdings noch etwas aus der Boss-Belanglosigkeits-Blase heraus; eine Minispur Extravaganz in der angepassten Komfortzone.

Ich werfe mich, hab' ich den Eindruck, öfter mal für viel gescholtene Düfte ins Getümmel. An Beschützerinstinkt oder Neigung zu prinzipieller Fundamentalopposition kann's nicht liegen. Habe ich vielleicht einfach einen schlechten Duftgeschmack? Oder bin ich ein Langweiler? Letzteres hatte immerhin auch dieser Psychotest in der Neon behauptet. Der kam zu diesem Ergebnis allerdings unter anderem deshalb, weil ich Jennifer Aniston spannender finde als Angelina Jolie. Also bitte! Was ist das denn für eine Frage???

Back to business. Guilty hat auch mich beim ersten Test enttäuscht - wie so oft kam ich erst nach mehrmaligem Probieren auf den Geschmack. Auf meiner Haut riecht er vornehmlich nach Kardamom, außerdem ist er ziemlich aquatisch mit ein wenig einer unbestimmten säuerlichen Zitrusfrucht. Das Bild, dass ich mit diesem Duft assoziiere, ist Glas; aufgerauhte, kleine Glasscherben in grau und violett. Was dieses Bild mit dem Duft originär zu tun hat, kann ich dabei nicht einmal sagen; ich habe das nur immer wieder vor dem inneren Augen, wenn ich Guilty rieche. Und es ist nicht negativ bei mir besetzt.

Sicherlich ist es nicht mein Lieblingsduft, aber ich benutze ihn hin und wieder gerne - und ich finde ihn durchaus sexy und verwegen, auf keinen Fall aber langweilig. Die Haltbarkeit ist gut, allerdings kippt der Duft bei mir auf Kleidung nach etwa 18 Stunden in eine Klischee-Note orientalischen Massageöls. Das ist dann nicht mehr so erbaulich, darum muss ich die Klamotten ordentlich lüften oder in die Wäsche packen. Wenn es sonst nichts ist, womit sich das Zeug schuldig macht: Das kann ich verzeihen.