MonsieurTest

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Rezensionen
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36 - 39 von 39
MonsieurTest vor 4 Jahren 11 7
7
Sillage
7
Haltbarkeit
9
Duft
Guerlain kills my Summer Darlings
Jenseits der leichten, schnell verfliegenden Colognes ist es nicht leicht, wirklich gute Sommerdüfte für den Mann zu finden. Was mir für den breiten Markt zu gelten scheint, trifft wohl auch auf eines der ältesten und ehrwürdigsten Häuser zu: Guerlain. Für den Winter ist die Auswahl an unterschiedlichen, vorzüglichen Düften hier wahrlich groß - man denke nur an Habit Rouge und seine heutigeren und tragbareren Flanker, an das wunderbar wärmende L'Instant pour l'homme und - je nach altmodischerer oder neuere Gourmetnase - auch an Heritage oder einige Versionen der Homme-Ideal Mandelschmeichler.

Schwieriger wirds für die warme, gar heiße Jahreszeit. Natürlich kann man da zu den ganz leichten Guerlain Colognes (etwa das herrliche Eau de Cologne Imperial erhältlich seit 1854) greifen. Oder sich bei den zwischen Damen- und Unisex schwankenden, simplen doch ihr Thema oft geschmackvoll treffenden Aqua Allegorias bedienen. Doch im eigentlichen Herrensegment wirds eng beim Markthäuptling aus Paris. Für meinen Geschmack das schönste Sommerparfüm ist das Eau boisée: fein holzig, elegant auf jenem Mojioto-Akkord schwebend, der im ursprünglichen Guerlain Homme EdT erstmals präsentiert wurde.

Mit einiger Verzögerung und nach häufigem Thierry-Wasser-Bashing haben einige der feinsten Nasen und fairsten Schreiber hier (man lese hierzu z.B. Schoork, DerDefcon, Schatzsucher und FabianO - allesamt im Thread zum Guerlain Homme EdP!) die Schönheiten der sommerlich leichten Komposition schon gut eingefangen. Und im Hinblick auf die Feinheiten aber auch die Nahdistanz-Sillage hat Yatagan hier unten seine einleuchtenden Beobachtungen geteilt. Beim EdT handelt es sich um einen auf Guerlain Niveau gut abgemischten Mojito Akkord aus weißem Rum, mittlerer Süße sowie dezenter Minze, gelagert auf einem luftig leichten, eben sommerlichen Bett aus Vetiver und Hölzern. Dass da in der Mitte irgendwo auch Tee mitschwimmt, nehme ich kaum wahr, überrascht mich als Teeliebhaber aber auch nicht. Eine große Entwicklung macht das Ganze nicht durch. Es wirkt aber von Anfang bis Ende rund und ausgewogen. Nichts sticht hervor, höchstens ein leicht alkoholischer Frische-Vibe ganz zu Beginn.

Der Duft wirkt auf mich etwas urbaner im Vergleich mit dem irgendwie mehr nach Natur und Süden riechenden Eau Boisée. Er passt für mein Empfinden besser zum städtischen Theaterabend oder Cocktail-Umdrunk als zur Wanderung durch Gestrüpp und Wälder oder zum Strand (dafür: Eau boisée). Das Ursprungs EdT empfinde ich als jugendlicher, leichtsinniger oder überschwänglicher im Vergleich mit dem dem Eau Boisée. Doch auch jenseits der Jugend trage ich diese beiden leichten und gefälligen, auch für Duft-Feinde selten störenden Sommer-Hommes sehr gerne.

Leider stellt Guerlain nun dieses EdT (gleichsam das Eau boisée ohne das Zedern- oder Iso E Super- Holz) ein. Und ebenfalls eingestellt wird offenbar das schöne Mandel-Grapefruit Kölnischwasser der Homme-Idéal-Serie. Die verbleibenden Sommerdüfte der Idealmann-Reihe (Cool und Sport) fand ich, wie viele hier, weit weniger ausgewogen komponiert als das Homme Ideal Cologne.
Vermutlich sind es nicht vermeintliche Geschmacksverluste im Hause Guerlain, sondern Marktnachfrage und LVMHs Inhouse Controlling, die nun zwei meiner Sommer-Lieblinge ins große Reich der vergangenen Düfte befördern werden.

Die gute Nachricht: das Eau Boisée und das etwas herbstlichere, dunklere, Vetiver-erdigere Guerlain Homme EdP werden weiterhin produziert. So muss man auch nach dem Abschied vom Homme Ideal Cologne wie vom legeren und süffigen Guerlain Homme EdT nicht nackt durch den Sommer spazieren.
7 Antworten
MonsieurTest vor 4 Jahren 34 13
8
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
9.5
Duft
Elegant schwebende Hölzer musizieren über Limette-Minz-Rum Akkord
Das ist ein ganz feiner, zurückhaltender und elegant komponierter Sommerduft!
Vermutlich muss man ihn öfter tragen - und am besten in den passenden Umgebungen, im Urlaub am Mittelmeer etwa, um seine ganze Finesse zu erkennen und zu genießen. Im Parfum-Laden geht dieser eher leise Musikant im Konzert mit den lauteren Konkurrenten wohl schnell unter.

Eau boisée ist, wie der Name freundlicherweise kundtut, ein Duft bei dem das Holz im Vordergrund steht. Das muss man mögen. Wer eine Allergie gegen Bleistifte hat, halte sich besser fern. Aber wenn man diesen Anspitzgeruch frisch geschabter Hölzer mag, dann arrangiert Thierry Wasser diese wohl von Zedern oder Ähnlichem stammende Note auf die raffinierteste mir bekannte Art, sommerlich leicht: Die Hölzer scheinen über einem tatsächlich zart süßlichen Rum-Limetten-Akkord und (ganz hintergründiger) Minze zu schweben. Vermutlich bekommen sieh dabei Flughilfe und Extra-Auftrieb von einer großen Portion Iso E Super. Das alles ist aber so gut komponiert, dass die Nuancen wunderbar cremig vermischt miteinander verschmelzen. In meiner Nase dieselt hier nichts synthetisch oder spitz.
Wer die Bleistift-Zedern-Note mag, und Laliques White schätzt oder auch den stärker nach vorne preschenden Holzeinsatz von Quorums Silver goutiert, der findet in diesem holzigsten aller mir bekannten Guerlains ein ähnliches Thema; verfeinert mit der dezenten Rumnote und mit einer sanften Limette, welche dieses Eau boisée von den genannten Hellholzfavoriten zum rundesten und elegantesten Duft macht.

Das Vetiver, für viele ein Angstthema, ist hier ebenfalls besänftigt und gedimmt. Während ich für Guerlains berühmtes Vetiver EdT viele Anläufe brauchte, um es langsam zu schätzen und selten zu tragen, erschloss sich mir das Eau boisée viel schneller. Als 'klassische Dämpfung' könnte man diese Formulierungskünste Thierry Wassers (mit dem großen Philologen Leo Spitzer) bezeichnen.

Die Sillage dieser feinen Komposition ist gewiss nicht gewaltig, aber eben auch nicht so schwach, wie bei Parfumo gelegentlich bemängelt wurde. Sie erzeugt vielmehr jenen für raffinierte, verführerische Parfums kennzeichnenden Schwebe- oder Rätseleffekt, der nur andeutet und anlockt und damit anziehend wirkt: Wer (und was?) duftet denn hier so fein und lecker? Die Haltbarkeit, in diesem dezent anziehenden hautnahen Bereich ist ebenfalls gut, wenn auch nicht bombastisch: im warmen Süden etwa 5 Stunden, bei kühleren Temperaturen etwas länger. Und ein Rest auf der Haut oder dem Hemd bleibt noch über Nacht.

Wenn denn Parfumo.de mehrere Signaturdüfte erlaubte, mithin ein Herz für Schizos hätte - die meisten hier leben doch mit ihren stetig anschwellenden Düfte-Sammlungen als solche - und signieren zudem mit Phantasienamen? - dann firmierte Guerlains Eau boisée zweifellos als einer meiner Sommer-Signaturdüfte. Aber gut: das Bürgerliche Gesetzbuch besteht wohl auf einer einzigen Signatur. Und Parfumo.de hält sich (leider) daran.

Bevor morgen die Eisheiligen den Frühling weghexen, soll heute noch einmal ein sonniger Corona-Sonntag mit diesem wunderbar beschwingten Sommerduft veredelt werden. Und hoffentlich kommen wir diesen Sommer ans Mittelmeer... - um diesen warmen Duft an korsischen Stränden, Dorfplätzen und Macchia-Pfaden in seinem schönsten Habitat zu genießen...
13 Antworten
MonsieurTest vor 4 Jahren 11 8
8
Flakon
4
Sillage
4
Haltbarkeit
8.5
Duft
Zitrische Wonnen aus den Tiefen der Zeit
Ein klassisches Cologne zum Träumen. Die nahe Verwandschaft zum viel berühmteren 4711 Kölnisch Wasser ist nicht verwunderlich, stammen doch beide Rezepturen aus der Gründerzeit des kölnischen Duftwassers um 1800 und weisen ganz ähnliche Zutaten auf.

Doch wirkt das zwar einstmals englische doch lange schon aus Italien kommende Atkinson Wässerchen leichter, spritziger, zitrischer und etwas weniger würzig als der deutsche Duft. Den bekanntlich viele von uns mit ihren Müttern oder Großmüttern verbinden, die davon stets ein Fläschchen im Täschchen bereit hielten. Was uns, bis wir selber älter wurden, lange als Inbegriff des Altmodischen, Verstaubten erschien.

Und dann: was für ein wundervoll inspirierender Name: Gold Medal 1799. Die Rezeptur soll aus dem Jahr 1799 stammen, die Gold-Medaille und den neuen Namen gab es 80 Jahre später, auf der Weltausstellung 1878. Man läse doch zu gerne die Jury-Protokolle: wie schnitt Guerlain ab, wer war sonst noch im Rennen...?

Mir scheint, dass Atkinson (oder näherhin: die italienische Perfume Holding, welche die Produkte dieser Marke herstellt und vertreibt) dieses wirklich schöne, sommerlich leichte Cologne nicht mehr produziert; ähnliches gilt wohl auch für das ebenso altehrwürdige und empfehlenswerte English Lavender von Atkinson/Perfume Holding. Wer diese Düfte noch in Italien oder im Netz erhaschen kann, sollte dies evt. bald tun, denn das Atkinson Sortiment scheint bald um diese alten Preziosen bereinigt - und die Gegenwart der Dufthistorie um einige Schätze ärmer zu werden.

Die wirklich herrliche, sommerliche Kopfnote erinnert mich übrigens an die Eröffnung von Ferraris Bright Neroli, das ja ebenfalls von der Perfume Holding produziert wird. Wobei der Rennwagen dann freilich einen kräftigeren und länger anhaltenden Unterbau aufweist als die Pferdekutsche.

Das Glück von GoldMedal währt nicht lange, ein-zwei Stunden hautnah. Aber für diese kurzen Momente strahlt dieses Juwel aus den Tiefen der Zeit umso heller.
8 Antworten
MonsieurTest vor 4 Jahren 14 10
8
Flakon
6
Sillage
6
Haltbarkeit
8.5
Duft
Lecker, leicht und rund: Limette auf Muskat
Das hat Geza Schön sehr schön hinbekommen: ein einfacher doch tiefgründiger Zweiklang von sehr frischer & authentisch daherkommender Limette und einem schön runden Muskat.
Dieses Limette-Nutmeg Cologne gehört meines Erachtens zu den besten der 4711 Erfrischungswässerchen; es erreicht im Hinblick auf die schlichte doch überzeugende Komposition tatsächlich das Guerlain-Level der Aqua Allegorias.
Die Haltbarkeit ist bei dieser leckeren Muskatlimette für ein Kölnisches Wasser auch ziemlich gut, wiewohl nicht ganz so ausdauernd und vordergründig präsent wie die Guerlainschen Mandarinen, Pampelmusen und Neroli-Zweiklänge. Passt prima in den Frühling und Sommer.
10 Antworten
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