Mörderbiene

Mörderbiene

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11 - 15 von 46
Mörderbiene vor 3 Jahren 29 23
6
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8
Haltbarkeit
8
Duft
Es gibt sie noch, die guten Dinge
Ich hatte gestern parfumtechnisch einen etwas unbefriedigenden Nachmittag.
Zunächst war da eine Probe aus Penhaligon's Portraits Collection, benannt nach dem Firmengründer William Penhaligon. Direkte Konsequenz des Tests: Ich war mir unsicher ob ich angesichts dieser Pietätlosigkeit in Wut oder Tränen ausbrechen sollte. Nach einem beruhigenden Spaziergang habe ich den Duft dann wieder von 0 auf 4.5 hochgesetzt. Da war die Probe aber schon im Müll.
Dann der Blog von Turandot - ich knete jetzt noch meinen vom heftigen Nicken schmerzenden Nacken. So viel Wahrheit in so wenigen Zeilen. Autsch.
Und doch weiß ich, daß ich das nicht so stehen lassen kann. Nicht, daß ich widersprechen könnte. Aber es gibt sie noch, die guten Dinge.
Also etwas Gutes zu trinken geholt, etwas Gutes zu hören aufgelegt und mich auf die Suche nach etwas Gutem zu riechen begeben - es sollte Guerlain's Royal Extract II werden.
Der hatte als Kontrastprogramm im direkten Anschluß natürlich gute Karten, aber er wußte sie auch gut zu spielen.

Royal Extract II bezieht sich, ebenso wie die unsägliche Freveltat von der Insel, auf den Firmengründer, in diesem Falle Pierre-Francois Pascal Guerlain, der 1828, im Eröffnungsjahr, den 'Extrait Royale des Fleurs' kreierte - und hat wie auch der Brite bis auf den Werbetext nichts weiter damit zu tun.
Das ändert jedoch nichts daran, daß Royal Extract II ein ganz aparter Duft ist.
Das Rückgrat bilden eine fröhlichfrühlingsfrische Hyazinthe sowie die Frivolität derselben etwas bremsendes, bitteres Galbanum. Mit diesem Gegenüber von hell und dunkel gelingt Thierry Wasser bereits eine gewisse Grundspannung.
Mit einer sanft-herben Zitrik (ja, das geht!) und hintergründiger Würze entsteht daraus eine leicht seifige Chypre-Textur, die Hyazinthe wird im weiteren Verlauf dezent anderweitig blumig unterfüttert.
In der Basis tritt die Illusion einer leichten ledrigen Note zutage, die vielleicht nur durch das üppig dosierte Galbanum hervorgerufen wird.

Als Vergleichsduft wird hier gleich mehrfach Chanels N°19 genannt. Ich habe nur eine ältere Version des EdP zum Direktvergleich vorliegen, und eine grundsätzliche Ähnlichkeit läßt sich da auch garnicht absprechen.
Ich sehe Royal Extract II jedoch eher zwischen Cristalle und Cabochard - mit ersterem teilt er die glasklare Frivolität der Hyazinthe, die in N°19 wesentlich gemäßigter wirkt, mit letzterem die üppige Dosis bitteren Galbanums mit leichten Lederanklängen, das wiederum ebenso in N°19 wesentlich gemäßigter eingesetzt wurde. Die harmonische Sanftheit des N°19 geht diesem Guerlain ab, was ich umso überraschender finde, als daß es sich hier um reines Parfum handeln soll. Dafür ist der Duft ungewöhnlich transparent, dabei kräftig, und ja, auch kantig.
In Summe ist das herb, kühl, elegant und herrlich retro.
Kein Jahrhundertduft wie beispielsweise Sous le Vent zwar, aber zumindest eine wohltuende Erquickung in der Inflation der Langeweile. Und dennoch ähnlich unerreichbar.
23 Antworten
Mörderbiene vor 3 Jahren 18 17
6
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7
Haltbarkeit
7
Duft
Troppo Gentile
Chamade Homme ist ein sehr ruhiger Duft, der trotz einer gewissen Entwicklung recht statisch wirkt. Hinter einer blaßwürzigen Holztür verbirgt sich ein chypreartiges Gerüst.
Zunächst ist da etwas blaßwürzig Zitrisches, bevor blaßwürzige Blümchen übernehmen, um in eine unverkennbar blaßwürzige Basis zu münden. Insgesamt fällt es mir bei Chamade Homme schwer, einzelne Noten zu isolieren, bewußt kann ich eigentlich nur pudrige Veilchen ausmachen.

Rieche ich Chamade Homme, bin ich im Kopf schnell bei 'Gentile', einem anderen Herrenduft, der jedoch mit seiner Art über seine Benennung offener umgeht, weil er so heißt wie er ist: 'nett'.
Ein Duft, der mehr erhoffen läßt - weil die Marke eigentlich durchweg charaktervolle Düfte hervorgebracht hat, weil die angegebenen Duftnoten eigentlich vielversprechend sind.
Ein Duft der weniger bietet, der halt auch irgendwie blaßwürzig ist, der letztlich ein deutlich zu nett geratener Fougère ist. Chamade Homme kann aus dufttechnischer Sicht gewissermaßen als Chypre-Äquivalent dazu betrachtet werden - und vice versa.
Beides sind Düfte für den Herrn, für den Parfum ein notwendiges Accessoire ist dem keine überflüssige Aufmerksamkeit zuteil werden soll.
Für den Herrn, der sich beduftet um beduftet zu sein - weil man das halt anlaßbezogen so macht.
Oder auch für eine Dame - es würde wohl niemandem auffallen.
Chamade Homme wäre also ein Kandidat für das Vorstellungsgespräch und die Aufsichtsratssitzung (Eidgenossen ausgenommen, dort trägt man Anderes).
Chamade Homme ist so glatt und farblos, daß ich ihn nicht schlecht finden kann. Troppo gentile eben.

Und damit ich noch irgendwie die Kurve kriege: Natale gentile, ihr Lieben!
17 Antworten
Mörderbiene vor 3 Jahren 18 13
6
Sillage
7
Haltbarkeit
9
Duft
'Nun habe ich die Welt gesehen, bin des Entdeckens müde geworden...'
Es gibt Phasen im Testleben eines Parfumos da man meint nichts Neues mehr entdecken zu können. Wo eine Probe der anderen gleicht, alles bereits dagewesen zu sein scheint, da man meint in einem Hamsterrad zu laufen, sich im Kreis zu drehen.
Ich bin dort gewesen, habe für eine ganze Weile meine Probendose beiseitegeschoben, mich mit Altbekanntem beduftet und mich anderen Dingen gewidmet.
Dieserzeit bin ich auch meinen Abfüllungsvorrat angegangen und merkte garnicht was für eine Offenbarung Rovo Nero ist - bis jetzt, da sich meine Abfüllung so schnell dem Ende zuneigt.

Auf die Marke Acqua di Genova kam ich ihres klassischen Colognes wegen, das bereits Mitte des 19. Jahrhunderts kreiert worden sein soll, das mich jedoch schlussendlich nicht von sich überzeugen konnte.
Der handgemachte Flakon jedoch hatte es mir angetan, und darum hatte ich mir weitere Düfte der Marke unter die Nase geholt - darunter eben auch diesen.

Rovo Nero ist wohl von seiner Struktur her als Chypre zu bezeichnen, jedoch geht er für mich weit darüber hinaus.
Meinem Empfinden nach wird hier die klassische Parfumerie mit Independent-Experimenten vermählt.

Der Start ist zunächst zitrisch mit deutlich orangener Einfärbung. Kurz darauf tritt herbstliche Würze hinzu, ich meine eine hintergründige Immortelle zu vernehmen sowie etwas Pfeffer. Darüber legt sich ein seifiger Schleier der so typisch für Estragon ist, und der sich in ähnlicher Form in vielen Chypreklassikern findet. In diese feine Seifigkeit reiht sich etwas Nelkiges ein, darunter mischt sich rosige Schwärze.
Bald zeichnet der Duft dann Bilder eines feuchten Waldbodens mit rottendem Laub auf Pilzen und halb vermodertem, moosgebettetem Holz. Dieser Eindruck wird jedoch durch eine aufhellende, parfümige Pudrigkeit und eine feine Süße vor dem reinen Natureindruck bewahrt.
Insgesamt ist der ganze Duft meisterhaft verblendet und mutet äußerst qualitätvoll an.

Rovo Nero ist gewiß kein Parfum das sich auf den ersten Riecher hin erschließt, es ist möglicherweise gar ein etwas forderndes, doch gerade das hebt es aus der wiederkehrenden Masse.
Gerade jetzt im Herbst war es eine Freude, ihn zu ausgiebigen Spaziergängen zu tragen.

Jetzt bin ich jedenfalls erstmal zurück im Homeoffice-Testmarathon.
Und eventuell hole ich mir ja doch noch einen dieser wunderschönen Genova-Flakons ins Haus.
13 Antworten
Mörderbiene vor 3 Jahren 42 25
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft
Sola dosis facit venenum
Vetiverdüfte gibt es reichlich, und die Bandbreite reicht von den klassischen würzig-frischen Vertretern wie von Carven und Guerlain bis hin zu balsamisch-warmen Interpretationen wie beispielsweise Vetiver Ambrato. Hier erlaube ich mir einen Verweis auf den Sammlungsordner 'Orientalische Vetiver' des Users Yatagan.
Vetiver Royal Bourbon von Oriza Legrand würde ich zwischen diesen Extremen einordnen. Der klassische Zitruskopf und die charakteristische Frische der ersteren Gruppe fehlt, der Duft hat Körper und Gewicht, jedoch ist er zu hart und es fehlt ihm die Süße, um ihn der letzteren Gruppe zuordnen zu können.
Die Vetivernote ist ähnlich knarzig wie bei Etro's Vetiver, was die Verwendung von Bourbon-Vetiver nahelegt.
Jedoch erscheint es hier, wie auch alle begleitenden Noten, recht zurückhaltend eingesetzt.
Die quickliche Kräuterfrische von Minze und Thymian verbindet sich über den schroffen Vetiver mit süßlichem Styrax und Vanilletabak.
In Summe wirkt das leicht medizinisch, was ich bisweilen ganz gerne mag.
Die Überschrift habe ich jedoch nicht allein deswegen gewählt - Vetiver Royal Bourbon zeichnet vor allem der maßvolle Einsatz der einzelnen Duftnoten aus. So finden sich hier einige Noten, die ich in hoher Dosierung als sehr schwierig empfinde. Thymian wird mir schnell zu rauchig, Minze zu zahnarztig, Vetiver zu knarzig, Tabak zu süßlich, Iris zu pudrig, Immortelle zu würzig, Leder...
Hier jedoch scheint der Parfumeur Hugo Lambert den goldenen Schnitt getroffen zu haben, die Verhältnisse stimmen, und die einzelnen Noten verbinden sich zu einem überaus angenehmen wie alles andere als langweiligen Vetiverduft. So bieten sie sich gegenseitig Raum zur Entfaltung und bewirken interagierend ein überaus spannendes Duftgeschehen, das mich nachhaltig fasziniert.
Die Wunschliste wird knapp verfehlt, was jedoch weniger am Duft selbst als vielmehr an meiner Sammlung liegt, die mit Odin's Nr 08 bereits einem Mittelweg-Vetiver führt.
Dennoch möchte ich nicht nur Vetiverfreunden eine ausdrückliche Testempfehlung aussprechen.

Mit Dank an Floyd.
25 Antworten
Mörderbiene vor 4 Jahren 17 12
8
Flakon
6
Sillage
6
Haltbarkeit
9
Duft
Britisches Trio - Eine Vergleichsskizze
Nachdem ich gestern Wellington aus der Probendose (thematisch treu eine ehemalige Shortbread-Dose) gezogen habe drängte es sich mir geradezu auf, die hier mehrfach ins Spiel gebrachten Zusammenhänge des Trio Infernale von der Insel, namentlich und in chronologischer Reihenfolge Wellington, Blenheim Bouquet und Town & Country, nachzuvollziehen. Die drei liegen jeweils rund ein Vierteljahrhundert auseinander, und während Mode und Geschmack bezüglich mancher Kunstrichtungen um die Jahrhundertwende herum die größten Wandlungen erfuhren - dies nicht zuletzt aufgrund gesellschaftlicher und politischer Entwicklungen - schien die Entwicklung der britischen Duftvorlieben zu stagnieren.
Denn eine starke Ähnlichkeit zwischen den drei Duftbrüdern kann nicht in Abrede gestellt werden.
Allen dreien ist ein grünlich angehauchter, von Zitronen dominierter hesperidischer Auftakt gemein, eine darunterliegende, beziehungsweise darauffolgende krautige Unterfütterung mit koniferigem Beifang, sowie ein simples Decrescendo mit pudrigen Anklängen als Abschluß.
Und doch lassen sich bei näherer Auseinandersetzung Unterschiede ausmachen.
Zunächst fällt im Direktvergleich auf, daß Wellington über den gesamten Verlauf hinweg deutlich pudriger gefaßt ist als seine Duftvettern.
Und auch inhaltlich lassen sich (vermutete) Differenzen ausmachen. Dabei sind die Pyramiden übrigens keine große Hilfe - sie unterstellen ein komplettes Fehlen zitrischer Noten bei Town & Country, und für Wellington wird kein Lavendel erwähnt. Der ist aber drin, da müßte meine Nase mich schon sehr täuschen.
Mit der Kopfnote beginnend läßt sich erkennen, daß die Zitrone bei Blenheim Bouquet und Town & Country sehr fruchtig-zestig-säuerlich daherkommt und zudem von typisch aromatischer Limette gestützt wird. Wellington hingegen bietet neben der Zitrone reichlich herbgrüne Bergamotte als gleichwertigen Partner, weiterhin klingen leicht orangige Töne an. Und während Blenheim Bouquet und Town & Country - immer innerhalb des sehr ähnlichen, zuvor beschriebenen Rahmens, wohlgemerkt - im Anschluß den Bogen ins Kräuterbeet neben der Küchentür schlagen, wählt Wellington das Blumenbeet in der anderen Richtung. Sehr hintergründig zwar und daher auch nicht weiter zu differenzieren, den angegebenen Maiglöckchen würde ich wohl vertrauen, mischt sich dem Duftgeschehen ein dezentes Blütenpuder unter.
Weiteres läßt sich über die Duftentwicklungen gar nicht sagen, es setzt schon das Basis-Decrescendo ein.

Müßte ich die Zusammenhänge der drei Düfte visualisieren, würde ich dies mit einem spitzen Dreieck tun: Blenheim Bouquet und Town & Country verbunden über die kurze Seite, Wellington an der entfernteren, spitzwinkligen Ecke.

Wellington ließe sich gleichwohl auch mit einem anderen Briten in Bezug setzen - ich denke da an Lords, respektive Douro. Dort finden sich die Noten und Entwicklungen wieder, die Blenheim Bouquet abgehen, als da wären der im Ansatz orangige Auftakt, sowie das blumig angehauchte Herz.
Wellington als das Kind von Blenheim Bouquet und Lords? Unter Berücksichtigung der Zeitrichtung wohl eher umgekehrt, doch thematisch scheint das durchaus plausibel.

Liebhaber anderer Duftrichtungen mögen nun den Kopf schütteln, 'riecht doch alles gleich' - ich habe mir jedoch hiermit die Rechtfertigung für den Besitz aller drei [vier(fünf)] Düfte geschaffen, insofern tangiert mich das nur peripher :)
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