NotAmused

NotAmused

Rezensionen
Filtern & sortieren
1 - 5 von 14
NotAmused vor 6 Jahren 4 2
10
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft
Rudolph-Köder
1882 - In London wird das Royal College of Music gegründet und Geo. F. Trumper kreiert das letzte Cologne der heutigen Trumper Collection. Die Entwicklung vom staubtrocken Marlborough über das ausgewogene Astor mündet hier in einen süß-würzigen Duft mit ordentlicher Abstrahlung.
Er startet herb-würzig, Lavendel und Wacholder haben kurz das Zepter in der Hand, werden aber spätestens nach einer halben Stunde von einer heftigen Ladung Jasmin überrollt. Dieser entwickelt sich auf meiner Haut so gut, dass ich ihn in Astor schon deutlich isolieren kann, hier bei Curzon dominiert er die restlichen Komponenten im Mittelteil komplett.
Auch die Basis später stellt sich für mich eher süß-harzig dar, auf jeden Fall unisex, wenn nicht sogar eher weiblich.
Das ganze Drumherum ist schwer greifbar, was wohl an der Menge der Zutaten liegt, die man dem Kleingedruckten auf der Packung entnehmen kann. Das hier nicht reformuliert wurde, erkennt man am dort aufgeführten Eichenmoos und Baummoos. Auch Coumarin steht recht weit oben. Alles in modernen Parfums undenkbar.
Dieser Duft passt meiner Meinung nach toll zur Adventszeit. Damit findet Rudolph mit der roten Schnüffelnase auf jeden Fall den Weg zu Ihnen.
2 Antworten
NotAmused vor 6 Jahren 6 1
10
Flakon
6
Sillage
7
Haltbarkeit
10
Duft
Astrum-Astor
Astor ist das dritteälteste Cologne der Trumper-Collection und das viertälteste insgesamt heute noch erhältliche von Geo. F. Trumper (Wild Fern hat einen Sprühflakon und gehört nicht zur Collection, stammt aber aus der gleichen Zeit). Um hier den zeitlichen Rahmen etwas greifbarer zu machen: Astor ist genauso alt wie der Kölner Dom. Dieser wurde ebenfalls 1880 fertiggestellt, allerdings ist die Geschichte seiner über 600 Jahre umfassenden Bauphase so grausig, dass ich bei einem so schönen Duft nicht weiter darauf eingehen möchte.
Wenn man Astor im Kontext der Trumper-Collection sieht, kann man sagen, dass hier erstmals ein deutlicher Duftverlauf mit teils verspielten Elementen auftritt. Beim später erschienenen Curzon ist das noch ausgeprägter, Astor trifft meiner Meinung nach aber deutlich besser die Balance zwischen sachlich-zurückhaltend und überraschend-freundlichen Grüßen zwischendurch und hat auch weniger Zutaten. Aber der Reihe nach:
Astor ist ein Splash-Cologne und sollte auch so genutzt werden. Ich hatte zwei Proben und füllte eine davon in einen (natürlich pingelig gereinigten) Sprühflakon um, was sich aber als Fehler erwies. Ich habe keine Ahnung warum, aber aus dem Sprühflakon roch es anders, recht scharf und der Verlauf war irgendwie „kaputt“.
Als ich die Probe direkt dem Röhrchen entnahm und ohne Verreiben aufs Handgelenk träufelte, sagte sofort und beinahe allein der Kümmel „Hallo!“. Sogleich gesellten sich zitrische Noten hinzu, die Bitterorange ist deutlich wahrnehmbar, die Zitrone für mich etwas zurückhaltender. Das Ganze ergibt eine wunderbar ausgewogene, würzig-zitrische Kopfnote, die mich komplett überrascht hat und es immer wieder tut.
Im weiteren Verlauf bleibt der Kümmel präsent, sobald die hesperiden Noten abklingen, tritt der Jasmin ins Bild und gibt ihm eine schöne Lieblichkeit, ohne die Komposition süß werden zu lassen. Hin und wieder hüpft keck ein Wölkchen wie von feinstem chinesischem Jasmintee aus der Hemdsmanschette, was bei mir stets zu einem Lächeln führt. Das Sandelholz wird nun zunehmend auch wahrnehmbar und schafft im späteren Verlauf zusammen mit dem zurückhaltenden, aber fixierenden Ambra eine tolle Wärme.
Astor kommt mit recht wenigen Zutaten aus und räumt jeder auch ausreichend Platz ein, um wahrgenommen zu werden. Man kann wohl davon ausgehen, dass diese auch weitestgehend natürlichen Ursprungs sind und die Komposition nicht reformuliert wurde. Das passte überhaupt nicht in Trumpers traditionell geprägte Philosophie. Und das riecht man auch. So etwas gibt es heutzutage nicht mehr. Dieses Wasser ist so aus der Zeit, dass es auch von einem anderen Stern stammen könnte, weshalb ich es innerlich immer „Astrum“ nenne. Ich mag es jedenfalls sehr und es ist bereits für den nächsten Colognekauf vorgemerkt.
1 Antwort
NotAmused vor 6 Jahren 7 4
10
Flakon
5
Sillage
7
Haltbarkeit
8.5
Duft
Holzstapel, indeed
Trumpers Marlborough stammt, wie Wild Fern, aus dem Jahre 1877 und dürfte damit zu den ältesten noch original erhaltenen Duftkreationen gehören, die man heutzutage kaufen kann. Und bei diesem merkt man das nun erstmals auch deutlich. Während Wellington aus dem Jahr zuvor noch fröhlich-zitrisch-spritzig daherkam und Wild Fern etwas melancholisch-romantisch anmutet, hört hier der Spaß aber endgültig auf! Hier geht es ganz klar und sachlich um ein einziges Thema. Holz. Abgelagertes, sauber zu gleichmäßigen Scheiten verabeitetes, knochentrockenes Holz. Und mit knochentrocken meine ich auch wirklich absolut staubtrocken. Einen trockeneren Herrenduft kenne ich nicht. Wenn Sie eine Idee des Duftes bekommen möchten, dürfen Sie nicht an die modernen Holzdüfte denken, die eher frisch geschittenes Holz darstellen möchten, oder die romantische Idee, wie Holz riechen sollte. Warm und aromatisch-würzig. Nee. Das gibt’s hier nicht. Verlassen Sie im Geiste mal lieber die Schreinerwerkstatt und gehen Sie hinter das Haus im Wald, wo der Hausherr die großen Holzstapel für den Winter aufgeschichtet hat. Gehen Sie zu dem ältesten, trockensten, wo hier und da bereits ein paar kleine Flechten und etwas Moos an den Scheiten hängen. Stecken Sie ihre Nase in einen kleinen Zwischenraum und nehmen Sie einen tiefen Zug! Es riecht erdig, trocken, eher kühl, und natürlich holzig. Aber ohne diese Süße und Harzigkeit. Wirklich außergewöhnlich ist das.
Wenn Sie sich für so etwas begeistern können, sollten Sie dringend eine Probe Marlborough ordern.
4 Antworten
NotAmused vor 6 Jahren 13 4
5
Sillage
5
Haltbarkeit
9
Duft
Des Rätsels Lösung
1877 - In Hamburg gründen Hermann Blohm und Ernst Voss eine Schiffswerft auf der Elbinsel Kuhwärder (heute Kuhwerder) mit zunächst eher *räusper* zurückhaltender Auslastung. Asaph Hall entdeckt die Marsmonde Phobos und Deimos, Tschaikowskis Ballett Schwanensee wird im Bolschoi-Theater uraufgeführt, und in der Hauptstadt des Vereinigten Königreichs unter Königin Victoria bringt Trumpers Barbershop zwei neue Colognes hervor. Marlborough und Wild Fern. Letzterem gilt dieser Artikel.
Natürlich habe ich im Zusammenhang mit dem Test dieses Klassikers die Probe aufs Exempel statuiert. Raus in den Garten, hinten am Wasser unter den großen Erlen und Birken, da wächst er: Wilder Farn. Der hat eine ganz besondere Eigenschaft, die wohl auch der Grund ist, warum er nie in Parfums vorkommt, selbst wenn sie irgendwas mit „Farn“ heißen. Er duftet nicht. Wenn man ihn zwischen den Händen zerreibt, riecht er etwas nach geschnittenem Gras. Aber selbst das nur kurz und schwach. Als ich nun da hockte, bei meinem Farn, am Bach, unter den Bäumen, und mich ein leichter Ärger überkam, kroch mir des Rätsels Lösung plötzlich in die Nase. Wild Fern riecht nicht nach Farn, sondern nach dem Ort, an dem er wächst. Nach Kräutern, dargestellt durch den eindeutig heraustretenden Rosmarin und Lavendel der Kopfnote, die mit etwas Schärfe beginnt, aber sehr schnell rund und angenehm wird. Die Kühle des Schattens unter den großen Bäumen wird durch die dezenten floralen Noten gegeben, die rissige Borke eindeutig durch das Baummoos und die Erde wird vom Patchouli repräsentiert.
Das zusammen ergibt ein wundervoll gezeichnetes Bild von einem schattigen Plätzchen am Waldrand, das entsprechend der üblichen Dauer des dortigen Verweilens viel zu schnell vorbeizieht.
Aber glücklicherweise kann man dieses Cologne im Gegensatz zur Rast im Grünen ja einfach durch nachlegen verlängern.
4 Antworten
NotAmused vor 6 Jahren 4 1
10
Flakon
5
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft
Mit Schirm, Charme und Zitrone
Nachdem ich nun die aktuell noch verfügbaren alten Düfte von Geo. F. Trumper getestet habe, möchte ich auch möglichst zu jedem etwas schreiben. Eucris von 1912 habe ich persönlich wie auch hier vorgezogen, doch nun geht es chronologisch weiter.
Wellington stammt aus dem Jahr 1876. Das muss man sich mal vorstellen. 142 Jahre ist das her. In dieser Zeit des Historismus waren Architektur und Kunst eher rückwärtsgewandt und orientierten sich an älteren Stilistiken. Und in der Curzon Street Nummer 9 in Mayfair/London wurde ein Jahr zuvor Trumpers Barbershop eröffnet. Aber ich schweife ab.
Wenngleich Wellington der älteste Trumper-Duft ist, riecht er für mich eindeutig am modernsten. Er sticht aus der „Trumper Collection“ auch deutlich heraus, da er der einzige nicht-holzige unter den Vieren ist. Ich spare mir hier nun jeglichen Vergleich mit anderen Wassern, da Wellington eindeutig der ältere der mutmaßlichen Duftzwillinge ist, und es darum, wenn überhaupt, heißen müsste, dieses andere rieche wie Wellington und nicht umgekehrt.
Nachdem ich die Probe geöffnet hatte, schoss mir sofort „Nimm 2 Zitrone!“ durch den Kopf. Es riecht herrlich nach Zitronenbonbon, ohne jedoch süß zu sein. Und das über beachtliche 4 Stunden und mehr. Das habe ich in dieser Ausdauer noch nie erlebt. Auch gibt es hier nicht diese blecherne Note, die so manchem Zitrusduft nach ein paar Stunden beim Verblassen anhaftet. Wellington bleibt angenehm/pleasing, bis er langsam ausklingt. Die Abstrahlung ist recht zurückhaltend. Man kann es praktisch kaum überdosieren, was zu ordentlichem schütteln am Flakon einlädt.
Die floralen Herznoten sind für mich nur erahnbar und vom Moschus in der Basis merke ich nichts.
Insgesamt empfinde ich Wellington als frisch-fröhlichen Sommerduft ganz ohne aquatischen Einschlag. Und das ist doch heutzutage mal etwas ganz Neues!
1 Antwort
1 - 5 von 14