Odore

Was zeichnet einen Gentleman aus? Ich schätze, es hat wenig mit bestimmter Kleidung oder einem ausgeprägten Markenbewusstsein, sondern viel mehr mit einer inneren Haltung zu tun. Ein Gentleman bleibt gelassen und zurückhaltend, auch - oder vor allem - wenn die Dinge nicht so laufen, wie er sie erwartet hat und sich alles gegen ihn verschworen zu haben scheint. Nun würde ich nie so weit gehen zu behaupten, dass Parfüms einen Menschen verändern können, aber doch, in diesem einen Fall könnte es gelingen, ich meine: sich wie ein Gentleman zu fühlen und zu benehmen und sein Temperament zu zügeln - mit "Gentleman" von Givenchy. Ein starker, üppiger, meinetwegen auch schwülstiger Duft, dabei aber männlich und nicht so zurückhaltend, wie ein Gentleman eigentlich sein sollte; sagen wir: er passt zu einem selbstbewussten Gentleman, dessen Schultern vom Anlehnen ein wenig abgenutzt sind :-)Der Auftakt ist sehr intensiv, etwas blumig und orientalisch, und ich glaube sogar einen Hauch von Tabak wahrzunehmen, süßlichen Pfeifentabak. Mit diesem Tabak-Aroma habe ich ausnahmsweise kein Problem. Mit der Zeit wird der Duft warmer und weicher, bekommt eine dezent ledrige, honigsatte Note. Seine Haltbarkeit ist enorm, bei mir etwa 6 bis 8 Stunden. Diesen Gentleman wird man so leicht nicht mehr los - will man aber auch gar nicht, wenn man sich an ihn gewöhnt hat. Für mich als relativen Parfüm-Neuling mit beschränktem Wissen ein echtes Highlight, und eigentlich gebe ich nur deshalb keine 100%, weil ich hoffe, dass "danach" oder "darüber" noch etwas kommt....

Für mich riecht es anfangs tatsächlich ein wenig nach Erde, das Marlborough Cologne. Feuchtes, herbes Gras und Erde nach einem Landregen. Nun bin ich kein ausgesprochener Fan dieser Region und war noch niemals dort, aber die Bewohner haben Stil oder hatten jedenfalls mal welchen, wie man's sehen will - und den hat auch dieser Duft. Ein bisschen vornehm, nicht aufdringlich, aber auch eigenwillig, eine seltsame Mischung aus Exzentrik und Understatement. Das Cologne entwickelt sich langsam; Süße fehlt für meine Nase völlig, auch Florales kann ich nicht wahrnehmen. Dafür Gras, Erde, später Holz und Vetiver. Für relativ kleines Geld bekommt man hier einen Duft, den nicht jeder hat - es ist übrigens der einzige, auf den ich jemals angesprochen wurde. Die Kollegin hat sich den Namen immerhin notiert - weswegen hat sie mir allerdings nicht verraten. Ist er auf die "Bloß-nicht-meinem-Mann-schenken-Liste" gekommen? Das kann ich mir nicht vorstellen. Nein, er hat schon was, dieser britische oder schottische Gentleman. Wenn die modernen Zeiten ihn auch langweilen und vielleicht - ohne dass er es zugeben würde - ein wenig überfordern..
Die Haltbarkeit ist durchschnittlich, nach 4 bis 5 Stunden rieche ich fast gar nichts mehr. Der Flakon ist sehr schön, mattiertes Glas, zierlicher Schraubverschluss, die passende antiquierte Hülle zum Inhalt. Ein echter Geheimtipp (eigentlich sollte man ihn nicht so anpreisen)..

GF ist wirklich etwas Besonderes, aber das Besondere macht es einem nicht immer leicht. Grey Flannel erfordert ein wenig Beharrlichkeit. Wer zu früh aufgibt, der hat ihn auch nicht verdient. Nein, im Ernst: ich legte mir dieses Parfüm aufgrund des positiven Echos hier bei den parfumos und natürlich auch wegen des günstigen Preises zu. Da ich einen Schüttflakon mein Eigen nenne und die sparsame Dosierung nicht unbedingt erfunden habe traf mich die erste Dosis mit voller Wucht - es katapultierte mich fast aus dem Badezimmer. Das ist eine Kopfnote, Chapeau! Mächtig, krautig, es riecht nach Wald und feuchtem, fast ein wenig fauligen Gras oder Laub. Moos im Nebel, dort, wo so gut wie nie die Sonne hinkommt, das war meine erste Assoziation. Dann musste ich mit dieser Überdosis ins Büro - ich fühlte mich nicht sonderlich wohl. Inzwischen roch ich wie ein nasser Blumenstrauß. Rose, Veilchen (sehr dominant), leider keine Iris. Mit der Zeit wurde GF immer weicher und besser. Das Blumenarrangement welkte vor sich hin, stattdessen nahm ich Mandel und auch ein bisschen Vanille wahr. Die Haltbarkeit ist enorm; noch abends, sogar nach der Dusche, konnte ich GF an meinem Handgelenk orten. Dezent ist anders. Nach dieser Erfahrung eine Woche Pause. Dann ein zaghafter zweiter Versuch, ein sehr vorsichtiger Umgang mit dem Flakon sollte mich vor einer Wiederholung der olfaktorischen Selbstgeißelung bewahren - und ich war begeistert! Ein sehr ungewöhnlicher, markanter und intensiver Duft, mit nichts anderem zu vergleichen - nun kenne ich nicht wirklich viele Parfüms, ich bin erst spät, mit Mitte 50, ein Fan geworden, auch dank dieser community, aber ich schätze, dass auch echte Experten sagen werden: man muss ihn nicht mögen, aber respektieren muss man ihn. Er ist ein Monolith. Bislang ganz klar in meinen Top 5 - trotz einer gewissen Aufdringlichkeit, die man nicht ganz leugnen kann. Zurückhaltung ist seine Sache nicht.

Meistens sagen mir die Kopfnoten von Parfüms weniger zu, manchmal hofft man sogar, dass die Attacke schnell vorüber sein möge; hier ist es anders. Potion beginnt intensiv und verheißungsvoll. Zimt, ausdrucksstarke Vanille, ein bisschen Backaroma und geröstete Kastanien. Dabei ist die Vanille schon sehr dominant. Wenn man ein Fläschchen Buttervanille aufschraubt kommt einem ein ähnlicher Geruch entgegen. Holz nehme ich dagegen überhaupt nicht wahr. Wo mag es sein? Vielleicht ist meine Haut einfach nicht holz-affin. Ich habe auch den Eindruck, dass der Duft sich nicht großartig verändert, viele Facetten hat Potion nicht. Es riecht ein wenig nach Backstube, aber die Zutaten sind fein. Mit der Zeit wird das Aroma schwächer, dann passiert nicht mehr viel. Nach zwei, drei Stunden schwebt eine Weihrauchfahne vorüber, am Ende nehme ich ein wenig dunkle Schokolade wahr. Die Haltbarkeit ist recht beachtlich. Ein für den Büroalltag und den Sommer weniger geeigneter Duft, der ein gewisses Unisex-Potenzial besitzt. Vielleicht doch eher was für den Kaminabend allein oder zu zweit, mit einem alkoholischen Getränk und dezenter musikalischer Begleitung.

"Autoportrait" lag einer anderen Lieferung als Probe bei, und eingedenk der positiven Rezensionen hier bei parfumo musste ich es natürlich sofort testen. Sicherlich sind meine olfaktorischen Fähigkeiten nicht so ausgeprägt wie bei vielen Experten hier, darum recht kurz in meinen Worten: erstmal roch ich nur Bleistift, und das blieb für eine bis zwei Stunden so. Ich kann mir vorstellen, dass Herr zu Faber-Castell dieses Parfüm jeden Tag auflegt. Bleistift, vielleicht auch ein wenig schwarze Tinte auf Löschpapier, etwas rauchig, als ob das Papier ein wenig angesengt wäre. Sehr interessant, sicherlich kein Mainstream, aber nicht unbedingt was für mich. Ich fühlte mich tatsächlich in den Zeichenunterricht zurück versetzt (ich bin Mitte fünfzig und habe den Unterricht mit Bleistift und Tusche noch kennengelernt). Der Ausklang versöhnt dann ein wenig, darum auch 60%: der Bleistift verflüchtigt sich, und stattdessen kommen etwas Würze, synthetischer Weihrauch und eine sehr verhaltene Süße. Warum nicht gleich so, dachte ich. Die Haltbarkeit würde ich als durchschnittlich beziffern (um die 5 Stunden), die Sillage eher schwach. Eher kein Fall für meine Sammlung.