Natürliche Inhaltsstoffe - Die Lüge

Natürliche Inhaltsstoffe – Die Lüge

,,Dieses Parfum besteht nur aus natürlichen Essenzen, daher ist es so hochwertig!“ Dieser Satz sollte allen Parfumliebhabern bekannt sein. Ob Hersteller oder Parfümeriefachverkäuferin, alle vermitteln sie das Bild, je mehr Natur in einem Parfum enthalten ist, desto besser. Aber warum ist ein natürliches Parfum besser? Ist etwa alles was von Mutter Natur kommt rein und hochwertig? In diesem Artikel möchte ich für etwas Aufklärung um die mysteriösen natürlichen Inhaltsstoffe sorgen, denn das was viele Konzerne uns glauben lassen, ist eine Lüge. Jeder weiß, dass ein Parfum aus Alkohol, Wasser und Parfümöl bestehen. Und dieses Parfümöl setzt sich wiederum aus natürlichen Essenzen und synthetischen Duftmolekülen zusammen. Anfangen möchte ich mit dem Unterschied zwischen natürlich und synthetisch.

Um eine natürliche Essenz zu erhalten, gibt es verschiedene Verfahren. Ich möchte diese nicht genauer Erläutern, dennoch sollte gesagt sein, dass bei diesen Verfahren eine große Menge an Rohstoffen nötig sind und am Ende nur kleinste Mengen an Essenz entstehen. Somit ist die Herstellung sehr teuer, was sich auch natürlich auf den Endpreis der Essenzen auswirkt. Ein natürlicher Duftstoff kostet (wenn er zu den günstigeren zählt) pro Kilogramm ca. $500. Nach oben gibt es kaum Grenzen und es ist nicht selten das man auch über $1000 pro Kg investieren muss. Etwas günstiger ist da die Herstellung von Extrakten aus Gewürzen und ähnlichem. Ein natürlicher Geruchsstoff setzt sich teilweise aus hunderten einzelnen Aromen zusammen und zeichnet sich durch einen komplexen und tiefen Geruch aus. Ein Parfumeur drückte diese Tatsache einst so aus: ,,Synthetische Duftmoleküle sind die Knochen eines Parfums, natürliche sind das Fleisch.“ Oft ist es so, dass die Kunden in der Parfümerie gezielt nachfragen, ob ein bestimmtes Produkt nur aus natürlichen Stoffen besteht, in der Hoffnung etwas unschädliches und exklusives gefunden zu haben. In Wahrheit ist es aber so, dass die meisten Essenzen nicht so riechen, wie der Rohstoff an sich. Das bedeutet, natürliches Rosenöl riecht nicht so, wie die Rose im Garten, wenn man an den Blüten schnuppert. Wenn man also ein Parfum haben möchte, welches genauso duftet wie die Rose im Garten, dann muss man auf Synthetik zurückgreifen. Es gibt eine Technik, die man als ,,headspace“ oder auch ,,living flower“ bezeichnet. Bei dieser Technik analysiert man die Luft um die Blume herum und versucht diesen speziellen Geruch mit synthetischen Duftmolekülen nachzumischen. Da passiert es schnell, dass das chemische Gemisch eher nach echter Rose riecht, als die natürliche Essenz. Und wer hat es bemerkt? Ich behaupte niemand!

Und da wären wir bei der ungeliebten Synthetik. Ein synthetischer Duftstoff ist im Vergleich zur natürlichen Essenz günstiger, aber vom Duft her flacher und simpler. So kostet ein typisches Synthetikmolekül ca. $50 pro Kilogramm. Ja, da ist ein gravierender Unterschied zum Natürlichen. Das zeigt, dass die Herstellung eines solchen Moleküls wesentlich einfacher und günstiger ist, als die teils schwierige Extraktion von Blüten. Die ersten Parfums mit Synthetik wurden bereits um 1868 entwickelt. Einer dieser ersten ,,künstlichen“ Düfte ist das großartige Jicky von Guerlain. Es erschien im Jahr 1889 und enthält unter anderem Vanillin und Coumarin. Und dennoch besteht Jicky nicht nur aus künstlichen Stoffen, sondern es ist eine raffinierte Verbindung aus Natur und Synthetik. Ohne Vanillin und Coumarin wäre Jicky wohl niemals so möglich gewesen, wie man es kennt und liebt. Möchte jemand von euch Jicky jemals wieder missen, nur weil es nicht zu 100% Natur ist? Riecht es etwa billig? Nein! Ganz im Gegenteil, es ist einer der großartigsten Düfte die man heutzutage noch bekommen kann. Es sollte allen bewusst werden, dass ein Parfum auch mit chemischen Duftstoffen hochwertig sein kann.

Warum Synthetik?

Es stellt sich die Frage: Warum werden synthetische Duftmoleküle überhaupt in Parfums benutzt? Das hat sehr viele Gründe, aber ursprünglich ging es (wie so oft) um das Finanzielle. Ich erwähnte oben bereits, wie teuer natürliche Essenzen sein können. Und daher fing man an, die Natur gegen Synthetik auszutauschen. So konnte man die Kosten von Parfums konstant auf einem Level halten, denn der Preis vieler natürlicher Rohstoffe variiert von Jahr zu Jahr. Das hat den Grund, dass die Ernte von Jasmin, Rose und co. jedes Jahr anders ausfällt. Im letzten Jahr können noch ausreichend taugliche Blüten entstanden sein, während in diesem Jahr schon bedeutend weniger „gute“ Blüten geerntet werden konnten. Aus einer schlechten Ernte resultiert weniger Essenz. Somit kann die hohe Nachfrage der Konzerne nicht mehr komplett gedeckt werden, was die Preise in die Höhe treibt. Und je mehr ein Hersteller für seine Rohstoffe ausgibt, desto teurer wird auch das Endprodukt, das Parfum. Wie ist die Vorstellung, dass der Lieblingsduft in diesem Jahr 50€ kostet, im nächsten schon 100€ und im darauffolgendem wiederum 80€? Da ärgert sich der Kunde und kehrt dem Produkt den Rücken zu. Genau diese resultierende Preisdifferenz kann oft nur durch den Einsatz von künstlichen Stoffen unterbunden werden.

Eine weitere Ursache für den Einsatz von Synthetik, ist das Verschwinden bestimmter natürlicher Rohstoffe. Auf unserer Welt ist nichts unendlich. So wie das Leben eines Lebewesens irgendwann endet, so können auch bestimmter Pflanzen und Hölzer ausgerottet werden. Ein gutes Beispiel dafür ist das Sandelholz aus Mysore. Früher war es ein beliebter Duft in orientalischen und warmen Parfums, da es sich durch einen unverwechselbaren, cremig, milchigen und holzigen Geruch auszeichnet. Immer mehr Hersteller verwendeten Sandelholz, was beinahe zur Ausrottung führte. Daher darf aus Naturschutzgründen nur noch ein synthetischer Ersatzstoff benutzt werden, welcher dem Geruch von echtem Sandelholz zwar nahe kommt, aber ihn niemals wirklich ersetzen kann. Ein ähnliches Schicksal wird in Zukunft auch viele andere natürliche Rohstoffe treffen, wie zum Beispiel das zur Zeit sehr begehrte Oud. Der charakteristische Geruch von Oud kommt nur zu Stande, wenn das Holz aus dem es gewonnen wird, das Adlerholz, von einem bestimmten Parasiten befallen ist. Da es recht schwer ist, zu erkennen ob das Adlerholz von diesem Parasiten befallen ist oder nicht, werden auch die Bäume abgeholzt, die letztendlich gar nicht für die Parfümerie tauglich sind. Und sollte man so weitermachen, dann wird auch natürliches Oud in Parfums aussterben und man wird auf den synthetischen Ersatz zurückgreifen. Es muss also jedem klar sein, dass die Hersteller oft keine Wahl haben und künstliche Stoffe verwenden müssen. Gleiches gilt für tierische Stoffe wie Zibet oder Moschus. Aus Tierschutzgründen sind diese Stoffe in natürlicher Form verboten.

Seit 2009/10 hört man immer wieder von einer Firma namens IFRA. Die IFRA hat begonnen, viele Duftmoleküle zu testen und deren Schädlichkeit auf den Menschen zu erproben. Das Resultat dieser Untersuchungen ist das Verbot von vielen natürlichen Duftstoffen. Am dramatischsten ist der Verbot von größeren Mengen an Eichenmoos in Parfums, denn nur durch Eichenmoos ist ein richtiges Chypre Parfum möglich. Chypre ist eine alte und legendäre Duftrichtung, erfunden von François Coty. Durch das Verbot von Eichenmoos, wurden zahlreiche Chypre-Düfte reformuliert und die Herstellung neuer Chypre ist sehr schwierig geworden. Auch viele Zitrusöle wurden verboten, Jasmin und Vanille hat es auch getroffen. Wieder Mal sehen sich die Hersteller gezwungen, auf Natur zu verzichten.

And Last but not least, es gibt schlichtweg viele Blüten und andere Rohstoffe, deren Geruch man auf natürlichem Wege einfach nicht extrahieren kann, von denen keine natürlichen Essenzen existieren. Ein Beispiel ist das Maiglöckchen, es gibt kein Verfahren, in dem man den Geruch des Maiglöckchen als Duftöl erhalten kann. Daher ist, zumindest jedes Parfum mit Maiglöckchen als Inhaltsstoff, schon mal nicht zu 100% natürlich.

Wie viel Natur ist in heutigen Parfums noch enthalten?

Diese Frage wird auch sehr oft gestellt. Ich sage es mal so: Heutzutage sind rein natürliche Parfums sehr selten und extrem teuer. Außerdem kann ein Parfum, wegen der oben genannten Gründe, kaum noch auf Synthetik verzichten. Und doch wird uns vorgegaukelt, dass manche Parfums nur aus natürlichen Stoffen bestehen. Wem ging es bisher noch nicht so? Man testet sich durch die Parfums von Amouage, by Kilian oder Serge Lutens und bekommt von der Verkäuferin den Hinweis, dass die rein natürlichen Inhaltsstoffe den Duft auszeichnen würden. Als kleines Beispiel nehme ich Amouage Gold. Dieser exquisite Duft enthält einige Duftstoffe, die nicht auf natürlichem Wege extrahiert werden können, oder die mittlerweile verboten sind. Und dennoch ist es ein luxuriöses Parfum wie kein zweites, welches durchaus einen hohen Anteil an natürlichen Essenzen enthält, aber nicht zu 100%. Wer ein Parfum sucht, welches komplett ohne Synthetik auskommt, der sollte sich auf hohe Preise für wenig Duft einstellen. Wie ich bereits sagte, die Natur hat ihren Preis.

Was ist besser: Natur oder Synthetik?

Es herrscht die allgemeine Meinung, dass chemische Duftstoffe Allergien auslösen und die Haut und die Umwelt der Nutzer schädigen. Und genau deswegen kaufen viele Menschen nur teure Parfums, wie Amouage Gold oder Love by Kilian, weil sie aufgrund der Angaben von Hersteller und/oder Verkäuferinnen einer Lüge glauben. Mittlerweile wissen wir, dass auch sehr hochpreisige Düfte nicht ohne künstliche Riechstoffe auskommen. Und bisher haben Gold oder Love, sowie No. 5 oder Shalimar noch keinen Menschen umgebracht, obwohl sie die gefürchteten Moleküle enthalten. Natürlich gibt es Menschen, die auf eben diese Parfums allergisch reagieren, dies muss aber nicht an den chemischen Stoffen liegen, sondern kann genauso gut auch von den natürlichen Essenzen verursacht worden sein. Wie viele Menschen haben eine Allergie gegen Nüsse oder Zitrusfrüchte? Ich denke es sind mindestens genauso viele wie jene, die auf künstlichen Moschus allergisch reagieren. Was bringt einem dann ein Naturparfum, wenn man auf den enthaltenen Jasmin, die Rose oder anderen Blütenöle allergisch reagiert? Um es milde auszudrücken: Man kann sowohl von chemischen, als auch von natürlichen Riechstoffen Hautrötungen, Ausschlag und andere Reaktionen bekommen. Gleiches gilt für die Umwelt. Es ist also egal ob man ein natürliches Parfum benutzt oder nicht, Allergien und andere Schäden sind nie ausgeschlossen. Ich selbst habe bisher schon auf Parfums teils heftige Reaktionen erlebt. Die ausgeprägteste Reaktion (Asthma Anfall) hatte ich von einem Duft, der laut Hersteller einen hohen Anteil an natürlichen Essenzen enthält. Es kommt auf den eigenen Körper an, denn jeder Mensch reagiert anders aus gewisse Stoffe. Meine Schwester bekommt Atemprobleme, wenn sie an Lavendel riecht, ich hingegen genieße diesen Duft ohne jegliche Beschwerden. So harmlos ist Mutter Natur also gar nicht.

Wie man vielleicht unter dem Punkt ,,Warum Synthetik“ bemerkt hat, haben natürliche Essenzen gegenüber der Chemie viele Vorteile, was die Tiefe und die Komplexität des Geruchs angeht. Auch habe ich geschrieben, dass ein synthetisches Sandelholz, dem natürlichen niemals das Wasser reichen kann. Damit will ich aber keinesfalls ausdrücken, dass die Natur in Parfums besser ist. Ich würde es ebenso bedauern, wenn z.B. Aldehyde oder Coumarin verboten werden würden. Es ist schade, wenn bekannte und beliebte Gerüche in ihrer bisherigen Form verbannt werden, ob das nun natürliche oder chemische Gerüche sind, ist mir persönlich egal. Im nächsten Punkt will ich zu den Vorteilen von synthetischen Molekülen kommen.

Das Potential synthetischer Duftmoleküle

Die Natur hat viele Vorteile, aber die Nachteile sollten trotzdem nicht aus den Augen verloren werden. Nicht nur das durch die Parfümerie einige Pflanzen- und Holzarten gefährdet sind, viele Naturparfums haben eine geringere Haltbarkeit als jene mit chemischen Anteilen. Und überhaupt sind Naturparfums in den meisten Fällen nicht so spektakulär, wie man erwartet. Zwar haben natürliche Riechstoffe mehr tiefe als synthetische, dafür ist die Auswahl der natürlichen Riechstoffe stark begrenzt. Wegen der vielen Verbote und Einschränkungen durch die IFRA können immer weniger Stoffe von Mutter Natur verwendet werden. Ein Naturparfum verzichtet also auf hohe Mengen an Eichenmoos, Jasmin und Vanille und enthält niemals Moschus, Zibet und Sandelholz. Das kann sehr eintönig werden und hier kommt das Potential der synthetischen Duftmoleküle. Denn sehr oft werden diese Stoffe auch verwendet, weil sie einen Geruch haben, den man in der Natur nie finden würde. Nennt mir eine Blume, welche nach Meer duftet… keine Idee? Dafür gibt es umso mehr chemische Moleküle, die nach Meer riechen. Eines ist z.B. Ultrazur von Givaudan. Viele charakteristische Gerüche können nur durch Synthetik zu Stande kommen und ohne diese wären die Parfums langweilig und eintönig. Erst die Chemie ist es, die sehr viele innovative und kreative Gerüche erschafft. Die meisten Parfumeure sind davon überzeugt, dass eine Mischung aus Natur und Synthetik die ideale Weise ist, ein Parfum zu kreieren. Ich bin gleicher Meinung. Ich will nicht auf Moschus und Zibet oder Vanille und Jasmin verzichten. Mit diesem Artikel möchte ich nicht für 100% synthetische Parfums werben, ich möchte ganz einfach die Lüge der natürlichen Inhaltsstoffe aufklären und den Menschen die Abneigung gegen chemische Riechstoffe nehmen. Heutzutage sind wir von Synthetik umgeben. Ob Lippenstift, Haarspray, Make-up oder Textilien, wir nehmen täglich eine Menge Chemie auf. Sogar das Essen ist nicht davor sicher, Farbstoffe und andere Chemikalien die für die Haltbarkeit mancher Produkte sorgen sind alltäglich. Warum sollte man dann ausgerechnet beim Parfum auf die Echtheit der Inhaltsstoffe achten? Oft sind Parfums nicht wegen der Inhaltsstoffe so hochpreisig, meistens sind es Marketing, Werbung, Flakon und Verpackung, die einen Großteil des Preises ausmachen. Lasst euch von den Herstellern und den Parfümeriefachverkäuferinnen nicht in die Irre führen. Akzeptiert die Gegenwart von Synthetik in Parfums, genießt sie genauso wie ihr die Natur genießt, denn ohne sie wären die meisten Düfte nicht möglich. Wollt ihr auf N°5, Shalimar oder Gold verzichten? Ich möchte es nicht und ich bewundere die Kunst der Parfümerie, Natur und Chemie zu kombinieren und dadurch einzigartige Gerüche zu erschaffen, die uns verzaubern und uns in ihren Bann ziehen.

Foto oben: Steve Jurvetson, ,,Biofuels" von http://www.piqs.de/

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8 Antworten
SandraSandra vor 12 Jahren
Hallo,

ich habe einen Teil ihres langen Beitrages gelesen.
Zu den Allergien muss ich sagen, haben sie völlig recht, dass man auf synthetische sowie auf natürliche Stoffe allergisch reagieren kann.

ein Parfüm jedoch dass "laut Hersteller einen hohen Anteil an natürlichen Essenzen enthält" muss jedoch nicht frei von allergieverdächtigen synthetischen oder natürlichen Duftstoffen sein.

Inzwischen werden jedoch auch bei Baby Produkten nicht nur synthetische Duftstoffe weggelassen, sondern auch häufig vorkommende natürliche Duftstoffe. häufig ist der Auslöser der synthetischen Duftstoffe Hexyl Cinnamal, wie auch bei mir. Dieses wird jedoch nur allzu häufig verwendet, sodass Naturkosmetik hier wirklich die bessere Wahl ist. Ich finde es einfach kritisch, dass die Hersteller synthetische Stoffe verwenden, ohne sich der Gefahr bewusst zu sein. Da nur das Geld wichtig ist, da diese Stoffe natürlich viel günstiger produziert werden können.

Ich werde weiterhin Naturkosmetika und Baby Produkte verwenden, und bei Allergien hilft meist sowieso nur die Inhaltsstoffe zu studieren...

achten sie auf die Ausschreibung "ohne allergieverdächtige Duftstoffe"
ExUserExUser vor 15 Jahren
Sehr überraschend, dass doch so viele schlecht riechende Parfüms (die chemische Keule) so überaschend erfolgreich sein müssen. Unabhängig davon, ob sie jetzt tatsächlich synthetisch oder natürlich sind. Es fehlt oftmals an Gefühl für den richtigen Duft, zum richtigen Typ und Anlass - Johanna von Papen
LouGRANTLouGRANT vor 15 Jahren
1
Ich habe einige Anmerkungen zum Bericht.
Ich befürworte den Tenor synthetische Riechstoffe nicht zu verteufeln.
Viele Darstellungen entsprechen voll und ganz den Tatsachen.
Allerdings basieren doch einige Details auf Vermutungen.
Ich möchte ein Beispiel anführen, das das Thema Rohstoffkosten aufgreift.

Zur ursprünglichen Synthese des Riechstoffs Vanillin, der in natürlicher Vanille vorkommt (deshalb hat man bis vor einigen Jahren auch die Möglichkeit gehabt Vanillin aus der Synthese als naturidentisch zu bezeichnen. Diese Regelung war nur in Deutschland möglich und wurde aufgrund der Harmonisierung des europäischen Marktes abgeschafft. D.h. den Begriff naturidentisch gibt es faktisch nicht mehr), wurden zur Gewinnung 5000 Fichtenbäume in 1400 Arbeitstagen verarbeitet. Aus diesen Bäumen wurde aus dem Pflanzensaft des Kambiums das Molekül Coniferin gezogen (ca. 20kg Ausbeute). Dieses Coniferin wurde durch eine chemische Reaktion (Synthese) zu Vanillin umgewandelt. Die Ausbeute lag bei ca. 7kg. Daraus ergab sich im Jahre 1874 ein Preis von 9000 Reichsmark pro kg synthetischen Vanillins.
Ein stolzer Preis! Der den Preis von natürlicher Vanille sicherlich um ein Mehrfaches übertraf. (den genauen damaligen Preis von natürlicher Vanille könnte man herausfinden, wenn man an die Quellen ginge z.B. Schimmel-Berichte in der Schimmelbibliothek bei Leipzig, mach ich bei Gelegenheit mal)
Die Aussage "ursprünglich ging es (wie so oft) um das Finanzielle" ist also komplett irreführend. Natürlich geht es bei jeder unternehmerischen Tätigkeit immer um Finanzielles. Aber das Syntheseprodukte im Ursprung Billigprodukte waren ist schlichtweg falsch. Dazu könnte ich jetzt noch zahlreiche analoge Beispiele aufführen, nenne aber nur mal ein paar Namen ohne Details: Hedion, Muscon, Iso E Super, Isoraldein u.v.m.

Das Phänomen was die Kosten angeht ist ein ganz anderes.
Syntheseriechstoffe sind in ihrer ursprünglichen Herstellung teuer. Aufgrund des vermehrten Einsatzes, wegen ihrer hervorragenden Wirkung in Parfums, erhöhen sich die Herstell-Batches bei gleichzeitiger Optimierung des Herstellprozesses. Das bedeutet der Preis für die Riechstoffe sinkt, was gleichzeitig natürlich auch wieder einen höheren Einsatz ermöglicht, ohne einen Preisrahmen zu sprengen. Das ganze hat also einen Rückkoppelungseffekt, der den Riechstoff irgendwann auf ein "günstiges" Optimum bringt.

Nun schauen wir uns das Szenario Naturstoff an.
Da gibt es einen im Bericht genannten tollen Riechstoff Sandelholzöl. Dieser ist beliebt und wird verstärkt in Parfums eingesetzt. Die Natur ist aber begrenzt. Da diese Bäume einfach komplett abgeholzt wurden, entsteht ein Knappheit auf dem Markt. Der Preis von ursprünglich 30-40 DM vor einigen Jahrzehnten steigt auf über 1500 Euro pro kg.

Sagt Preis also etwas über die Qualität aus?
Die Beispiele zeigen, das es nicht so ist.
Es handelt sich immer noch um das gleiche Sandelholzöl. Es war vor einigen Jahrzehnten weder schlechter, weil es günstiger war, noch ist es jetzt besser, weil es teuer ist.

So, nun aber wieder zurück zu den schönen Dingen des Lebens. Riechen!
KankuroKankuro vor 15 Jahren
Das es auch teure synthetische Riechstoffe und günstige natürliche Riechstoffe gibt, ist mir auch bewusst. Doch meistens ist es umgekehrt. Ausnahmen bestätigen die Regel. Nicht umsonst hat man Synthetik ursprünglich aus Geldmangel der Natur vorgezogen.

Das Eichenmoos verboten ist, habe ich nicht behauptet. Ich sagte lediglich, dass größere Mengen verboten sind. Vielleicht hätte ich es anders ausdrücken müssen, bin aber der Meinung man kann den Satz durchaus so verstehen, wie er gemeint ist. Ich habe auch nicht behauptet, dass der Ersatz durch synthetische Riechstoffe schwer ist. Es ist mir durchaus bewusst, dass Eichenmoos auch in künstlicher Form existiert. Aber an die Komplexität und die Tiefe des Originals kommt jener, künstliche Riechstoff nicht heran. Daher habe ich geschrieben, dass die Herstellung eines Chypres heutzutage schwierig ist.

Der Handel mit Sandelholzöl unterliegt strikten Regulationen. Da kann man durchaus von einem Verbot sprechen. Ich glaube nicht, dass das Aussterben einer so begehrten Holzart einfach mit angesehen wird. Der Duft ,,Santal Blanc" von Serge Lutens wurde eben wegen dieser Regulation reformuliert und es wird nunmehr ein synthetischer Sandelholzersatz verwendet.
EternityEternity vor 15 Jahren
Den Artikel finde ich wirklich sehr aufschlussreich und es war ein Genuss, ihn zu lesen.
Mit der Aussage, dass auch ein gutes Parfum nicht ohne Chemie auskommen kann, bin ich total einverstanden, denn es entspricht der Wahreheit. Es freut mich, dass es kritische und wahrheitsliebende Charaktere gibt, die nicht auf die Marketing- Euphemismen reinfallen und für Aufklärung sorgen.
Danke
RipienoRipieno vor 15 Jahren
Es gibt natürliche Riechstoffe für weniger als 10 $ pro kg, und es gibt synthetische Riechstoffe, die 500 bis 800 $ pro kg kosten.

EicheNmoos ist nicht verboten. Sein Ersatz durch synthetische Riechstoffe ist nicht schwer, und er hat auch überhaupt nicht dazu geführt, daß man heute keine guten Chypres mehr herstellen könnte.

Natürliches Sandelholzöl ist ebenfalls nicht verboten.

All diese Märchen werden durch ihre ständige Wiederholung nicht wahr werden.
RipienoRipieno vor 15 Jahren
Nicht ganz, Friemo. Man unterscheidet zwischen natürlichen und naturidentischen Inhaltsstoffen.

Den Blog-Beitrag müßte man jedoch in mehrfacher hinsicht ergänzen und teilweise auch korrigieren. Die FEMA kann nichts verbieten; hier handelt es sich um eine Selbstverpflichtung der Industrie. Viele künstliche Riechstoffe werden aus natürlichen Riechstoffen hergestellt und sind dann selbstverständlich teurer als jene natürlichen Riechstoffe. Durchschnittspreise sind relativ bedeutungslos angesichts einer großen Variation der Preise. usw. usw.
FrieMoFrieMo vor 15 Jahren
Noch eine Kleine ergänzung:

Natürlich ist (zumindest bei Aromen in Lebensmitteln) soweit ich weiß ein Synonym für Naturidentisch, was soviel heißt wie, dass es sich um eine kopie handelt. Wenn die Hersteller meinen die Duftstoffe seine natürlich, meinen sie warscheinlich, das keine nicht in der Natur vorkommenden Duftstoffe verwendet wurden (z.B. Aldehyde).

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