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vor 3 Jahren - 29.01.2021
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"One night she started to shim and shake/ That brought on the Frisco quake" - Manifesto L'Elixir

Eigentlich möchte ich nur ein paar Worte zu "Manifesto l'Elixir" verlieren, doch sofort kommt mir "Put the blame on Mame" in den Sinn; so bleibt mir nichts anderes übrig, als hier einen Blog zu diesem Duft zu verfassen (der vielleicht... für Frauen besser geeignet ist als für Männer... Warnung: Ich werde schon ein bisschen schwülstig sein!) Und ich habe absolut keine Ahnung, nicht den blassesten Schimmer, warum ich immer an Rita Hayworth denken muss, wenn ich "Manifesto l'Elixir" in Händen halte.


When Mrs. O'Leary's cow/

Kicked the lantern in Chicago town/

They say that started the fire/

That burned Chicago down/

That's the story that went around/

But here's the real low-down/

Put the blame on Mame, boys/

Put the blame on Mame/

Mame kissed a buyer from out of town/

That kiss burned Chicago down/

So you can put the blame on Mame, boys/

Put the blame on Mame

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Diese Zeilen - wer kennt sie nicht?

Sicher, an Rita Hayworth denke ich ab und an aus persönlichen Gründen, wie es vielen von uns geht, die sich privat mit Demenz beschäftigen; dass die Erkrankung der ehemals schönsten Frau der Welt überhaupt erst die Demenz-Forschung vorwärtstrieb, ist hinlänglich bekannt. Aber das ist natürlich kein Grund, an sie zu denken, wenn man mit "Manifesto l’Elixir" das Haus verlässt. Und trotzdem: Gründe gäbe es genug.

Das beginnt schon direkt beim Flakon, der ohne Weiteres ein Sinnbild ihrer sagenhaften Figur sein könnte, und mit Fug und Recht lässt sich behaupten: Eine Frau, die ihre Taille so wiegen kann wie Gilda, sollte sie nur mit Diamanten schmücken, wie der Manifesto-Flakon sie andeutet.

Rita Hayworth for

https://lenscloud.net/products/rita-hayworth-1952 https://www.parfumo.de/Parfums/Yves_Saint_Laurent/...

Hinzu kommt natürlich die großartige Jessica Chastain, die für diesen Duft wirbt (oder warb?): Zwar kann sie Rita Hayworth nicht erreichen. Aber zweifellos stellt ihr rotes Haar doch eine Reminiszenz an die Leinwandgöttin dar, und mir fällt niemand ein, der Rita Hayworth so nah kommt wie Jessica Chastain. Julianne Moore? Fast schon zu streng. Nicole Kidman? Viel zu zart.

https://www.pinterest.de/pin/155092780891323746/ https://www.rockabilly-rules.com/blog/pin-up-rita-...

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Remember the blizzard, back in Manhattan/

In eighteen-eighty-six/

They say that traffic was tied up/

And folks were in a fix/

That's the story that went around/

But here's the real low-down/

Put the blame on Mame, boys/

Put the blame on Mame/

Mame gave a chump such an ice-cold "No"/

For seven days they shovelled snow/

So you can put the blame on Mame, boys/

Put the blame on Mame/

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Ein weiterer Grund für die Verknüpfung von Rita Hayworth mit dem Duft:

"Manifesto L’Elixir" ist ein klassischer Winterduft: Nur in der kalten Jahreszeit kann er seine wunderbare Kraft entfalten. Man muss schon sehr selbstbewusst sein, um einen derart dominanten Orientalen tragen zu können, ohne sich von ihm unterbuttern zu lassen. Im Grunde muss man zu einem eiskalten „No“ in der Lage sein, wie es die fiktive Figur "Mame" in Rita Hayworth's Song in "Gilda" tut – und wann ginge das besser als in der klirrenden Kälte eines Januar-Abends? Nur dann hat man wohl die richtige aufrechte und geschlossene Körperhaltung, die einem Manifesto l’Elixir würdig ist, dies allein schon, um nicht allzu viel Wärme nach außen abzugeben (wer sich die berühmte – und fiktive – Mame aus Ritas Lied nicht so genau vorstellen kann, kann alternativ Anregungen aus dem kleinen Video gewinnen, das Jessica Chastain für Manifesto gemacht hat: https://www.youtube.com/watch?v=MgflXNsjxuE ).

"Manifesto L'Elixir" ist ein kühler Duft, rund, dumpf, dunkel, ich assoziiere kühle Farben und so geht das Marketing-Konzept auf. Und: Es ist ein schwieriger Duft, mit dem man sich auseinandersetzen muss, um ihn richtig zu tragen. Dabei klingt die Pyramide so einfach: Bergamotte und Mandarine, Jasmin-Sambac, Heliotrop und Tuberose, Cashmeran, Vanille und Ambroxan.

Natürlich, einige kritische Bestandteile fallen hier sofort ins Auge: Tuberose - diese schöne weiße Blume kann einer versierten Parfuma schon mal Angst machen. Cashmeran! Ambroxan! Dabei hätte etwas Grauenhaftes herauskommen können. Aber irgendwie hatte der Parfumeur einen äußerst guten Tag. Das Mischungsverhältnis stimmte genau, so, wie eine gute Sauce manchmal klappt – und ein anderes Mal eben nicht. Es war definitiv ein guter Tag, als dieses Elixir gebraut wurde. Von einem "Gebräu" muss man wohl sprechen angesichts der überdimensionalen Betonung der Weiblichkeit, die jede Trägerin des Duftes sofort und unausweichlich umhüllt. Tanzend und Manifesto tragend – wer könnte einer solchen Frau widerstehen? (Wer Rita Hayworth in „Gilda“ wirklich nicht hat tanzen sehen: https://www.youtube.com/watch?v=YnBmbsDan5s).

Tanzen – wohl vor allem so, wie die Love Goddess es in „Gilda“ tat - kann durchaus die Urgewalt eines Erdbebens bedeuten:

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When they had the earthquake in San Francisco
Back in nineteen-six
They said that Mother Nature
Was up to her old tricks
That's the story that went around
But here's the real low-down
Put the blame on Mame, boys
Put the blame on Mame
One night she started to shim and shake
That brought on the Frisco quake
So you can put the blame on Mame, boys
Put the blame on Mame

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Rita Hayworth is ‘Gilda’ on Criterion Channel

Maximal ausgelebte Weiblichkeit – allein der Handschuhstrip ist tatsächlich unerreichbar; man vergleiche nur einmal ein paar Versuche mimetischer Abbildung, wie etwa der ehemaligen Schönheitskönigin (warum eigentlich?) Lynda Carter: DAS war kein Heldenstück, Lynda! Wenn man Handschuhstrippen nicht kann (und das ist an sich noch kein gravierendes Defizit), sollte man doch sich nicht dabei filmen lassen…

Wohl auch deshalb denke ich an Rita und an ihr Alter Ego: "echte" maximale Weiblichkeit…

https://www.parfumo.de/Parfums/Yves_Saint_Laurent/...

… eingefangen in einem Elixir: Quintessenz des Manifesto und vor allem: ein geheimnisvolles Gebräu mit Zauberkräften für ein zauberfähiges Zauberwesen – ein Mythos selbst, der die Frau mythisiert und mystifiziert. Darum tragen wir Manifesto l’Elixir: weil in jeder von uns eine Zauberin steckt, die – wenn sie nur will – alles tun kann, was sie will. Alles erreichen. Alles bewegen. Alles verändern. Alles beeinflussen. Mit der Kraft all dessen, was in uns ist. Hatschepsut sagte in einem Roman, den ich in meiner Jugend las: „Alles in mir unterliegt meinem Willen“ – trug sie Manifesto l’Elixir?

Nun weiß man ja über Rita Hayworth, dass sie das fantastische „Arpège (1927)“ trug, diese dunkle, abendliche Variante zu "Chanel Nr 5". Und natürlich trug sie „Shalimar (1925)“, ein Duft, der mir nie besonders lag. Aber das ist nicht das Einzige, was mich von ihr unterscheidet, schätze ich… Dieses Thema nicht weiter vertiefen wollend, stellt sich die mehr als dringliche Frage: Hätte sie „Manifesto l’Elixir“ getragen? Wie ist dieser Duft denn nun eigentlich?

Er ist schön, das ohne Zweifel. Keinesfalls mein Favorit, aber doch beeindruckend - weil er so viele Geschichten von Weiblichkeit erzählt. Sein süßer, runder Auftakt - unverkennbar eine Mandarine - wird sehr schnell abgefedert von Jasmin einerseits, was ihm eine deutliche Blumigkeit verleiht, und Heliotrop andererseits, was für eine samtige Milchigkeit sorgt. Die Tuberose ist hier sehr zurückhaltend, finde ich; ich kann sie kaum wiederfinden. Hingegen ist die typische Jasminnote - betörend, aber auch zickig und schwierig - sehr dominant. Die Fruchtigkeit der Mandarine steht ihr, doch ihre volle, runde, dunkle Kraft entfaltet sie durch die unterschwellige, für leichte Süße sorgende Vanille, die in den ersten zwei Stunden nicht deutlich hervortritt. Umso deutlicher ist das Cashmeran, und diese holzige, moschusartige Süße muss man wohl mögen; ich mag sie eher weniger, weshalb "Manifesto l'Elixir" auch nie unter meinen Top Ten zu finden war. Das Ambroxan hätte ich selbst wohl nicht direkt bemerkt, doch ich bin auch noch kein Experte und mit dieser Duftnote nur wenig vertraut. In summa ist "Manifesto l'Elixir" vor allem ein samtartiger, runder, glatter, dunkler Duft, weshalb man wohl die Farbe Violett gewählt hat, um die richtigen Assoziationen zu wecken - dies scheint mir absolut gelungen zu sein.

GILDA (1946)

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They once had a shootin' up in the Klondike
When they got Dan McGrew
Folks were putting the blame on
The lady known as Lou
That's the story that went around
But here's the real low-down
Put the blame on Mame, boys
Put the blame on Mame
Mame did a dance called the hoochy-coo
That's the thing that slew McGrew

So you can put the blame on Mame, boys
Put the blame on Mame

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Last but not least: Auch deshalb denke ich an Rita Hayworth: Ihr Song "Put the blame on Mame" ist selbst ein Manifest. Ein feministisches Manifest, zweifelsohne. Interessant an dem von Allan Roberts und Doris Fisher 1946 verfassten Song, der in „Gilda“ nicht von Rita Hayworth, sondern von Anita Ellis interpretiert wurde, ist ja vor allem die feministische Attitüde, deren Trägerin sich mit einem selbstbewussten und zugleich zielsicher verführerischen Lächeln selbst als Evastochter bestätigt und zugleich die chimärischen Ängste jener Männern ridikülisiert, welche in Krisenzeiten keine andere Problemlösung avisieren konnten, als der Frau die Schuld an allem Elend in die High Heels zu schieben. Natürlich, ich sage bewusst: "jene Männer". Denn natürlich meine ich nur eine Handvoll. Aber eine solche Handvoll gab es immer und überall in der Geschichte. Auch "Gilda" erzählt davon, in teilweise verstörenden Bildern. Und auch "Manifesto l'Elixir" deutet diese den Frauen angedichtete Zauberkraft (oder soll ich "Hexenkraft" sagen?) an. Aber "Put the blame on Mame" kann darüber lächeln. Und genau das sollte man auch dringend tun.

Legen wir doch heute alle ein bisschen "Manifesto L'Elixir" auf. Schwingen wir gemeinsam die Hüften zu "Put the blame on Mame". Und freuen wir uns, dass wir so fröhlich sind.

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