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Von Parfumo empfohlener Artikel
vor 2 Jahren - 03.11.2021
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"Own your fragrance!" - Die Guerlain Masterclass Parfumo Veranstaltung mit Thierry Wasser

Da ich das unglaubliche Glück hatte, einen Platz in der online-Veranstaltung mit Thierry Wasser zu gewinnen, finde ich es nur natürlich, Euch ein wenig an diesem interessanten Abend teilhaben zu lassen.

Die redegewandte, lässige Art, die Thierry Wasser an den Tag legt, lud die Parfumos, knapp 50 an der Zahl, geradezu dazu ein, viele Fragen zu stellen, und alle wurden ausführlich und mit viel Charme, aber auch mit einem hohen Grad an Authentizität beantwortet. Hier ein kleiner Einblick:

Wusstet Ihr, dass…

  • Thierry Wassers Hündin „Viva“ heißt?
  • natürliche Ambra nicht in "Cuir Beluga | Guerlain", aber in Mitsouko (Eau de Parfum)Mitsouko Eau de Parfum und den Absolues d’orient verwendet wird? Zwei schöne Klumpen waren auf Fotos zu sehen, einer mit knapp drei und einer mit knapp vier Kilo, einer davon aus der Bretagne; eine Ausnahme, denn Ambergris kommt meistens aus Irland und Neuseeland. Es gibt sogar eigens ausgebildete Ambra-Hunde, die ähnlich wie bei der Trüffelsuche Ambra-Stückchen am Strand aufspüren
  • die eckigen neuen Flakons schon 1870 entwickelt und hauptsächlich im russischen Raum vertrieben wurden? Dass man sie nicht nur nachfüllen kann, sondern auch nach einer Reinigung mit Alkohol einen anderen Duft einfüllen kann? Sich so seinen lebenslangen Individualflakon schaffen kann? Was für eine wunderbare Idee!

Und wusstet Ihr, dass…

  • Thierry Wasser eigentlich keinen Lieblingsduft hat? Sondern Düfte als jeweils passend für eine bestimmte Lebensphase empfindet, aber eigentlich ein Fan von Habit Rouge (Eau de Toilette)Habit Rouge Eau de Toilette ist (ob EdT oder EdP, habe ich leider nicht gehört)? Dieser Duft erschien ihm schon als Jugendlicher passend, um sich von einem Image zu befreien, dass er als quälend empfunden hat – „I hated school“ war denn auch sein Resümee.
  • Thierry Wasser die Arbeit mit anderen Parfumeuren stets als Bereicherung empfindet, auch wenn es einmal Meinungsverschiedenheiten gibt? Sein einprägsames Credo: „To make a baby we need to be two!”
  • Monsieur Wasser etwa 30 Prozent des Jahres reist und hierbei viele Inspirationen findet? – Nun, das hatten wir uns ja fast gedacht… „Sourcing“ bedeutet deshalb für ihn vor allem „meeting brothers and sisters“.

Auch sehr interessant:

  • Layering ist in seinen Augen natürlich erlaubt – auch mit Guerlain-Düften! Abgesehen davon, dass er den Titel nicht gewollt habe, sei er zwar Master perfumer – aber, wie Don schon im Thread zitierte: „The Master perfumer is not the pope!“ Eine Formel, die er entwickelt, unterliegt keinen Regeln, sagt Thierry Wasser und benutzt, um diese Aussage zu illustrieren, das Bild eines Geschichtenschreibers: Dieser habe die Wörter und könne sie benutzen – doch Sinn bekomme die Geschichte durch die grammatische Kombination der Wörter. Anders sei es bei einem Parfum: Der Parfumeur habe die Duftnoten, also die Wörter – aber er habe keine Grammatik, um diese Wörter zu kombinieren. Deshalb dürfen wir uns, so Wasser, „auch die Füße besprühen“, Düfte mixen und layern – wichtig sei nur eine Regel: „Own your fragrance!“ Besitze dein Parfum, sei Herr über es! Es ist nicht mehr Guerlains Flasche, wenn es deine ist!
  • Zur Veranschaulichung sprach Thierry Wasser über den Umgang mit Düften im Orient: Wenn alle Kleidung parfumiert ist, benutzt man im Anschluss noch ein Parfum – so what? Own your fragrance! Was ist Schönheit anderes als „boosting your self-esteem?“ Was immer der Steigerung deiner Selbstachtung dient: Tu es mit deinen Produkten!

Und wusstet Ihr schließlich, dass…

  • man in der Phase des Kreierens manchmal den Horizont nicht mehr sieht?
  • Duftnoten das Leben in Phasen begleiten und einen dann wieder eine Phase lang verlassen? Dass auch ein Parfumeur eine Duftnotenphase erleben kann, wie ein Maler eine „blaue Phase“ erlebt, um dann in eine andere zu gelangen? Ich fand es sehr sympathisch, dass seine Beispielduftnote für den Phasenwechsel Patchouli war, eine Duftnote, mit der ich meistens hadere, die ich aber phasenweise mag. Und natürlich war auch das Beispiel Schokolade sehr gut nachzuvollziehen, die man monatelang meidet, um sich dann auf sie zu stürzen.
  • Santal Royal (Eau de Parfum)Santal Royal Eau de Parfum entworfen wurde, weil ein alter Gentleman einmal behauptete, dass Europäer kein „Big-wow!-Parfum“ entwickeln könnten? Nach Stunden des gemeinsamen Gesprächs sah sich Thierry Wasser herausgefordert, das Gegenteil zu beweisen!

Ach, es gab so unglaublich viele interessante Aussagen von Monsieur Wasser – ich kann sie nicht alle wiederholen. Im Paraphrasieren bin ich nicht halb so gut wie er, der die Shalimar-Variationen als „Paraphrasen“ des einen Duftes bezeichnet. Wenn ich etwas falsch wiedergegeben habe, bitte verbessert mich, liebe Mitbesucher*innen dieser Veranstaltung. Manche Aussagen waren sogar so interessant, dass man sie in Marmor meißeln könnte. Zum Beispiel diese hier: „Gender is an obsolete concept“. Mit solchen Gedanken bereichert, werde ich nun den Abend genießen und meinen Gedanken nachhängen. Noch einmal: Ganz herzlichen Dank für die fantastische Möglichkeit, an dieser hochinteressanten Veranstaltung teilnehmen zu dürfen!

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