
Süße Früchtchen: Mein Verhältnis zu Kirschdüften
Um Kirschdüfte überhaupt zu tragen, ist natürlich eine Grundbedingung erforderlich:
Man muss Kirschen mögen und auch ihre Varianten: die dunkle Schattenmorelle aus der Schwarzwälder Kirschtorte, die helle Sauerkirsche, die ich im Sommer vom Kirschbaum ernte, falls die Vögel etwas übrig lassen, die süß eingelegte Cocktailkirsche, die sich als Deko auf dem Frankfurter Kranz findet, und die italienische Amarena-Kirsche, die ich fast nur aus der gleichnamigen Eiscreme kenne. Und natürlich die Kombinationen in Süßigkeiten: besonders beliebt die mit der dunklen Schokolade wie in Mon Cheri oder die süßsaftige in Verbindung mit Marzipan; diese letztere Verbindung liegt wohl vor allem am Amygdalin, das - in den Kernen vorhanden - diesen Hauch von Marzipan schon der Frucht mitgibt.
Da ich ein großer Fan all dieser Leckereien mit Ausnahme von Mon Cheri bin, habe ich direkt zu Beginn meiner Parfumo-Zeit fasziniert festgestellt, dass ich danach auch riechen könnte - wunderbar!
Der Star unter den Kirschdüften, Lost Cherry, war schnell gefunden, aber viel zu teuer. Ich versuchte es zunächst mit einem bekannten Dupe: Popped Cherry - und das ist der erste Duft, den ich auf Parfumo auch wieder verkauft habe. Natürlich ist die Kirsch-Intention deutlich erkennbar, aber vielleicht zu deutlich, überdeutlich, was für mich schnell ins Künstliche abdriftete; der Duft war mir nach kurzer Zeit zuwider, weil sich darin Töne fanden, die ihn mir als Kirsche ex machina darstellten: eine künstliche, synthetisch entwickelte Kirsche, das deckte sich nicht mit meinen Erinnerungen an warme Sommertage im Garten, an waghalsige Kletteraktionen auf der Leiter, um die Früchte hoch oben im Baum zu erreichen, und an rotverschmierte Schürzen und den Stolz, 22 Marmeladengläser gefüllt zu haben. Zu Beginn meiner Zeit hatte ich außerdem
La Petite Robe Noire (2012) Eau de Parfum, mochte ihn allerdings nie und fand ihn auch nicht sonderlich kirschähnlich, eher rosig mit einer leichten Lakritz- oder Süßholznote. Und sehr geliebt habe ich zu Beginn auch
Wild Cherry - bis ich ihn hatte, dann gefiel er mir nicht mehr. Generell finde ich oft bei Mancera einen Ton, der mir nicht gefällt, in der Basis, ich glaube, es ist der Moschus dort. Aber da bin ich mir nicht sicher. Letztlich habe ich aber keinen Mancera-Duft gehalten.
Also galt es, Lost Cherry Eau de Parfum zu ergattern, und ein Sharing machte das möglich. Hier war es, das Original, das
Popped Cherry zu kopieren versuchte: Feinste Sauerkirsche, ziemlich authentisch, lang anhaltend, süße Marzipanträume erfüllend. Doch auch
Lost Cherry Eau de Parfum war auf Dauer nicht mein Lieblingskirschduft. Auch hier schien mir die Künstlichkeit, mit der der frisch-saftige Eindruck generiert wurde, zu intensiv.
Lost Cherry Eau de Parfum musste also wieder gehen und ich begrub meinen Wunsch nach einem feinen Kirschduft.
Als vor einiger Zeit Kirschdüfte wieder präsenter wurden, probierte ich noch einmal einige: Das edle "Venom of Love | Navitus Parfums" , hierzulande nur schwer zu beschaffen, duftete zwar durch und durch nach hoher Parfumkunst, erinnerte mich aber auch daran, dass ich Mon Cheri nie mochte, weil ich überhaupt keine Zartbitterschokolade liebe, so hip sie auch sein mag. Wenn auch der Schokoladenton in "Venom of Love | Navitus Parfums" zügig verfliegt - mir ist er doch zu stark.
Meine neueste Errungenschaft ist Vicebomb , Duft einer Marke, die in den letzten Jahren viele wundervolle Themendüfte hervorgebracht hat, aber auch einige Flops. Ein Pröbchen
Vicebomb erschien mir himmlisch, weil weniger stark als die bekannten Vertreter und gleichzeitig viel fruchtiger, viel heller. Nun, da ich den schönen, tiefschwarzen Flakon besitze und benutze, erkenne ich aber mehr und mehr, dass tatsächlich die angegebene Amarena-Kirsche die Oberhand bewahrt, und zwar exakt so, wie man sie aus der Eiscreme kennt, und das heißt: Dieser Duft ist wirklich süß. WIRKLICH süß. Nicht wie Em-Eukal oder einfach nur künstlich, wie manche Statements ihn beschreiben, die - wohl auch in der Erkenntnis seiner gigantischen Süße - nach Ausdrucksmöglichkeiten suchten. Aber eben zuckersüß, mit einer Komponente, die mehr Zucker als Kirsche verspricht, so, wie auch Eis leider nicht nur aus Früchten gemacht wird.
Zwei weitere Lost Cherry Eau de Parfum - Nachfolger gefielen mir nicht schlecht: zum einen der eigentlich schlimm unterbewertete
Carmina von Creed, der - auf dunkler, schwersüßer Schwarzkirsche ruhend - den Sprung in die Blumenwelt wagt, um dieser massiven Fruchtsüße etwas Leichtes, Verspieltes entgegenzusetzen. Ich würde ihn wohl allein des Preises wegen nicht kaufen, doch als Reisebegleiter in einer Abfüllung finde ich ihn sehr gelungen, denn sein Ziel, die Dominanz der Kirsche aufzudröseln, erreicht er eigentlich ganz wunderbar. Der andere
Lost Cherry Eau de Parfum -Nachfolger ist Kayalis "Lovefest Burning Cherry | 48 | Kayali" und ich glaube, dass ich hier meinen Favoriten gefunden habe. Die Authentizität der Kirsche, wie sie aus
Lost Cherry Eau de Parfum bekannt ist, ist auch hier vorhanden, aber leichter, dezenter - und dadurch verliert sie ihre Künstlichkeit. Ich finde "Lovefest Burning Cherry | 48 | Kayali" ganz zauberhaft, süß, aber auch frisch durch die Säure der Sauerkirsche, dabei nicht aufdringlich, sondern alltagstauglich. Deshalb darf dieser kleine Schatz bei mir bleiben, den ich von einer wunderbaren Parfuma erworben habe.
Zuletzt möchte ich noch zwei Randerscheinungen erwähnen, die ich selbst beide sehr hübsch finde, die aber Kirsche doch in ganz anderer Form präsentieren, weniger fruchtig, mehr in ein Gesamtwerk integriert, wie es die alte Parfumkunst favorisierte, die sich weniger mit Themendüften beschäftigte: Zum einen ist da der oft verschriene Blossom Love Eau de Parfum , der sowohl eine erschlagende Sillage hat als auch starke, selbstbewusste Aldehyde, womit er bei den meisten Parfumbenutzern keinen Blumentopf gewinnen kann. Seine Amaretto- und Tonkatöne in Verbindung mit dem ominösen "Kirschblütennektar", was immer das sein mag, garantieren allen, die vor der Sillage keine Angst haben, aber ein feines, kleines Kirschvergnügen, einen wunderbar komponierten Duft, in dem Kirsche wahrnehmbar, aber nicht dominant ist. (Ihm ist übrigens
Carmina in seinen Aldehyden sehr nahe). Ähnlich wie mit
Blossom Love Eau de Parfum verhält es sich mit
Café Chantant Eau de Parfum , einem als Kaffeehausduft beschriebenen Old-School-Werk eines traditionsbewussten Unternehmens, für das die Vorstellung einer dominanten Kirsche vermutlich gar nicht denkbar wäre. Kirsche darf aber, als Teil der Imagination eines feinen Besuchs in einem edlen, traditionsbewussten Kaffeehauses, tatsächlich als kleine Zutat auf den Schlemmereien, die den Teller zieren, mitgedacht werden - und genauso lässt sich der Duft als Kirschduft einordnen: Anklänge, Ahnungen sind vorhanden, aber keine lineare Strenge, was das Parfum besonders alltagstauglich macht.
So viel lässt sich bei meinem jetzigen Stand des Testens und Wieder-Verwerfens über Kirschdüfte sagen. Ich bin wahnsinnig gespannt, welche Düfte aus diesem Bereich Euch bisher besonders zugesagt haben! Danke für Euer Interesse an Kirschdüften!
P.S. Nachdem hier so viele so wunderbare Tipps gegeben haben, habe ich gesehen, dass ich ein paar Düfte, die ich probiert habe, tatsächlich vergessen habe! Diese nehme ich nun noch auf. Also: Keinen besonderen Eindruck gemacht hat bei mir Duchessa. Hier habe ich mal an einem Sharing teilgenommen, aber den Duft schnell wieder abgegeben. In meinem damaligen Statement schrieb ich: Ähnlichkeit zu
Velvet Cherry. Tja, und den habe ich auch vergessen! Und zu dem habe ich ebenfalls mal selbst ein Sharing gemacht! Beide waren mir ein wenig zu schwer,
Velvet Cherry hatte mir wohl auch zuviel Cypriol. Ebenfalls vergessen habe ich
Rouge Smoking Eau de Parfum - und auch dazu habe ich selbst ein Sharing gemacht! In meinem damaligen Statement schrieb ich, es sei die schönste Kirsche, der ich bisher begegnet bin. Mit einem Hauch Bittermandel. Wieso habe ich diesen Duft wieder abgegeben? Ich möchte ihn gern noch einmal probieren!
Zum Schluss möchte ich Khaltat Night Eau de Parfum erwähnen, an den mich die liebe @Amazona erinnert hat: Er zählt für mich zu den Zimtdüften, da ich die Kirsche nicht so präsent finde. Und wie in meiner Rezension nachzulesen: Er gehört für mich zu den schönsten Düften der Erde!
Danke für deine vielen Tipps hier.
Da ich Kirsche liebe, werde ich davon mal etwas testen.
Ich persönlich liebe Vania aufgrund des echten Kirschgeschmack mit schönem Marzipan.
Ich liebe Vania.
Ich hab interessiert mitgelesen. Toll zusammengefaßt, wie Du die Düfte empfindest und was Dich daran gecatcht oder abgeturnt hat. In den Beschreibungen bzw. Kommentaren hat mich auch der Kayali und der von @MarF erwähnte Raw Cherry am meisten angesprochen. Die kommen jetzt mal auf die ZuTestenListe. Dann weiter alles gute für Deine Suche nach guten Kirschdüften:-)
Und dann gibt es noch "das kleine Schwarze" ; La petite robe noire. Mystische rauchige Kirsche als Klassiker, süß und verrucht.
Rouge Smoking, edle Kunstkirsche, von Rauch umnebelt.
Mandorle, die Marzipan- Kirsche
Jeder Duft schön auf seine Weise und zur passenden Gelegenheit.
Khaltat Night - da war ich die Erste, die hier ein Sharing dazu veranstaltet hat, und die Dritte, die ein Statement dazu geschrieben hat, später auch eine viel gelesene Rezension! Ich habe ihn damals noch beim Hersteller bestellt, was sehr, sehr abenteuerlich und natürlich viel teurer war, als er jetzt zu haben ist! Das ist einer meiner absoluten Lieblinge! Aber für mich ist es ein Zimtduft, er läuft bei mir unter den Gewürzdüften, deshalb habe ich ihn nicht aufgenommen.
La petite robe noire habe ich immer eher nicht so schön gefunden, eher lakritzig. Den habe ich vor Jahren besessen.
Rouge Smoking fand ich wohl super, selbst ein Sharing gemacht, aber leider vergessen.
Und Mandorle, den kenne ich nicht! Den möchte ich sehr gerne probieren!
Erfolglos probiert habe ich noch
- Indecent Cherry von Borntostandout: Der Moschus ist zu beißend-sauber und harmoniert nicht mit der Kirsche, bildet aber auch keinen spannenden Kontrast
- Melting Lust von EmilElise: gute Kirsche, aber irgendwie langweilig und bei mir sehr schlecht haltbar
- Duchessa von Gritti: gut, aber irgendwie nicht gut genug für den Preis
Was ich auch noch sehr mag, aber wo die Kirsche eher mitspielt als im Fokus zu stehen: Mandorle von Sora Dora und Rouge Smoking von BDK
Hier meine vorläufigen Lieblingskirschen.
Smoked Cherry von TF. Kirsche in dunkel mit samtiger Rauchnote. Wird aber auch recht süß im Verlauf. Toll im Sommer.🙂 Und Imperial von Wesker. Sauerkirsche mit Veilchen.