„Guten Abend junge Dame. Verkehrskontrolle. Fahren Sie bitte rechts ran.“
Mit zittenden Fingern übergab ich dem bärtigen Polizisten meinen Führerschein. Was für eine tiefe Stimme. „Und wo ist der Fahrzeugsch… Moment mal, haben Sie Alkohol getrunken?“
„Ich? Nein!“
Der Ordnungshüter riss die Tür auf und kam mir mit seiner Nase bedrohlich nah, was mir unter anderen Umständen vielleicht sogar gefallen hätte. „Sie erröten doch, lügen Sie mich etwa an?“
Mein Kopfschütteln beeindruckte ihn wenig, aber brachte mir fast eine Gehirnerschütterung ein.
„Nene, ich rieche doch eindeutig Amaretto. Da machen wir besser mal einen Atemalkoholtest.“
Er drehte sich um und kam nach einer Weile wieder. Sein bedauernder Gesichtsausdruck ließ nichts Gutes verheißen. Das Gerät war scheinbar kaputt und ich müsse ihn auf die Wache für eine gerichtsverwertbare Testung zu begleiten. Wie oft hatte ich als Mädchen davon geträumt gerettet zu werden. Von einem starken Feuerwehrmann, der mich auf der Drehleiter aus dem brennenden Haus evakuiert, von einem Pilot, der mich aus dem Schlamassel aller Probleme herausfliegt und mir die Welt zeigt, oder einem muskulösen Polizisten, der wie Jackie Jan eine ganze Meute verkloppt, nur um mir das Leben zu retten. Nun saß ich wie eine Verbrecherin auf der Rückbank mit eingeschränkter Beinfreiheit und ekelte mich irgendetwas anzufassen. Wer weiß, wer da vor mir schon gesessen hatte. Meine Augen suchten das Auto nach Blutspuren ab. In Filmen hatte ich oft gesehen, wie Schwerverbrecher nach einem Gemetzel abgeführt wurden. Mich schauderte. Besser nicht daran denken. Ich strich die rosa Broderie Anglaise meines Sommerkleides glatt und versuchte mit ruhigem Atem mein starkes Herzklopfen unter Kontrolle zu bringen.
„Nehmen Sie solange hier im Wartebereich Platz“, wies mich der Beamte an, während wir die Sicherheitsschleuse der Polizeistation passierten.
„Heeey Cherry!“ schallte es es fast synchron aus den Mündern der Wartenden. Was war denn hier los? Ich blickte in lauter bekannte Gesichter und klatschte die mir hingestreckten Hände nach der Reihe wie bei einem Spalier ab.
„Weshalb seid ihr denn hier?“ fragte ich überrascht in die Runde.
Kilian zuckte die Schultern „Ach immer das Gleiche. Gläserne Augen und Pralinenrand am Mund reichten schon aus, mich hier herzuschleppen. Dabei habe ich nur einen Tropfen Cognag mit meinem Engel geteilt, gell?“ Dabei puffte er mit einem Lächeln seiner liebsten Brandy in die Seite. Ihre Apfelbäckchen glühten.
„Lass uns das nächste mal lieber Rum machen“, zwinkerte sie ihm zu. Dass ihr Großvater eine Schnapsbrennerei besaß, behielt sie vor den Gesetzeshütern besser für sich.
Atkinson war gerade auf dem Heimweg von der Goldmesse in Mayfair, als er angehalten wurde. Unter seinem Salbeihemd hatten sie einen Flachmann mit Absinth vermutet. Die Ausrede mit dem Waschbrettbauch hatte ihm auch keiner geglaubt, bis er sein Hemd aus der Hose zog und die stählernen Muskeln, wie die von einer römischen Skulptur, präsentierte. Ein anerkennendes Raunen ging durch den Warteraum.
Ein junger Praktikant der an einen Hundewelpen erinnerte, schlurfte herein. Mit einer Kopfbewegung deutete er auf den Herrn im Giraffenanzug neben mir. Dieser stand im Verdacht Whisky vor Fahrantritt konsumiert zu haben. „Sie sind der Nächste, ehm der Neffe von… von…“ er versuchte seine krakeligen Notizen zu entziffern.
„Nishane“ half ihm der Mann.
„Gesundheit!“ rief es besorgt aus allen Ecken. Irritiert stand Herr Nefs auf und lief in das ihm zugewiesene Büro.
Der Polizist blickte nun mit gerunzelter Stirn auf meinen Führerschein: „Frau… äh Frau … wie spricht man Ihren Namen aus?“
„Blossom Love“
„Aha… und aus welchem Hause sind Sie?“
„Amouage“
Er zögerte einen Moment, bevor er auf die Wache zurückschlurfte. „Blossem aus dem Hause Amuaaaasch“ unterrichtete er außer Sichtweite mit gedämpfter Tonlage seine Kollegen. Gekicher machte sich breit. Scheinbar legte er bei dem langgezogenen Amuaaaasch eine kleine Drehung hin, bis seine Gummisohlen auf dem PVC quietschten.
Mein Atemalkoholtest ergab übrigens 0,0 Promille. Wunderte mich nicht, ich hatte ja auch nichts getrunken. Als ich nach den Maßnahmen nur noch darauf wartete, die Station verlassen zu dürfen, brachte mir der bärtige Polizist die Ausweisdokumente mit einem fast entschuldigenden Lächeln wieder. Mit extra tiefer Stimme sagte er „Hübsche Frau Amouage, Sie haben mit ihrer mächtigen Sillage die ganze Station- ach was erzähle ich, die ganze Stadt für sich eingenommen. Ich hätte schwören können, Amaretto gerochen zu haben.“
Ich grinste „Und was riechen Sie noch?“
„Beschwipste Rosen, so vanillig süß, dass ich meine Nase nicht von Ihnen lassen kann …“ Er hüstelte, als er bemerkte, seine Professionalität zu verlieren.
Mir wurde auf einmal ganz heiß und machte mich extra geschäftig bereit zum gehen.
„Ehm, wir haben am Mittwoch Nachtdienst…“, sagte er hoffnungsvoll, als er mich an der Tür verabschiedete.
Die vergangenen Stunden bereits verblassend, nickte ich zwinkernd über die Schulter zurück „Da bin ich sicher wieder mit dem Auto unterwegs…Sie wissen ja, Termine und so…“
Als ich mich nach wenigen Schritten nochmal umdrehte, entging mir nicht, dass die Jalousien auf der Wache zur Seite geschoben waren und mir etliche Polizistenköpfe nachblickten.
„Was für eine bezaubernde Erscheinung…“ murmelte der mit dem dicken Bauch hinter dem dicken Panzerglas. „Schau doch mal, sie verliert überall irgendetwas aus ihrem Kleid. Ist das Schnee?“
In Windeseile holte der Praktikant den Spurenkoffer und inspizierte die Spur genau. „Kirschblüten“ half der Bärtige bei der Analyse und lachte in sich hinein. So eine magische Begegnung hatte er schon lange nicht mehr gehabt. Bis Mittwoch musste er nur noch zweimal schlafen. Selten hatte er sich so auf eine Nachtschicht gefreut.
Dieser Duft ist für mich magisch. Eine in Likör getränkte Rose, die kaum noch gerade aus laufen und beim Schwanken dem ein oder anderen versehentlich schon mal den Ellbogen in die Magengrube rammen kann. Ich war vom ersten Moment an schockverliebt. So feminin, so süß. Fast schon würzig. Tonnen an Kirschblüten, die sich nach dem ersten Alkoholschock langsam entfalten und nach sehr guter Haltbarkeit (8+ Stunden) langsam pudrig ausklingen. Im Hintergrund staubt es etwas vor sich hin, unschlüssig ob sich da vielleicht der Ylang meldet? Nicht weiter schlimm, auf meiner Haut verflüchtigt sich der Staub nach ca. 5 Minuten. Leider gab es im Freien die ein oder andere Beschwerde über die Intensität der Sillage, was bei ihnen wiederum Kopfschmerzen auslöste. Die Bürotauglichkeit würde ich daher in Frage stellen und mich auch nur vorsichtig herantasten, wenn ich ihn in unbekanntem Umfeld tragen möchte. In die Luft sprühen und königlich hindurchschreiten. Für mich ist es ein lauter, intensiver Duft, der sinnlich und anziehend wirkt. Ich würde sagen für den Abend prädestiniert. Und wenn ich ihn nur für mich trage, wünsche ich mir eine Badewanne voller Blüten, in welcher ich mir selbst mit Amaretto zuproste. Cheers!