04.02.2021 - 18:32 Uhr
Parfümlein
123 Rezensionen
Parfümlein
Top Rezension
54
Die Mischung aller Mischungen: Nachtflug ins arabische Duftparadies
Was Parfumos und Parfumas ganz allgemein verbindet, ist so ein diffuses Gefühl von „Könnte ich gut gebrauchen“ oder zumindest „Könnte ich eigentlich auch gebrauchen“ oder, sehr asketisch, „Würde ich jedenfalls nicht von der Bettkante stoßen“. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der kostbaren Freizeit geht bei Parfumbegeisterten mit Parfumo drauf, und dort wiederum verbringen viele einen nicht unbeträchtlichen Teil dieser Zeit mit dem Kauf und Wieder-Verkauf und Zum-Glück-Tausch von Parfum. Man hat, solange man noch alle Tassen im Schrank hat, im Normalfall das unangenehme Bewusstsein, dass die eigene Sammlung doch ziemlich groß ist, das beruhigende Gefühl, dass die anderer Leute noch schlimm größer ist (dazu sucht man sich natürlich sehr genau die Vergleichssammlungen heraus, denn es gibt leider immer viele vernünftige Leute, die immerhin elf Flakons weniger haben, was doch sehr beschämend für einen selbst ist), und das dringende Bedürfnis, die Größe der eigenen Sammlung zumindest im Auge zu behalten.
Trotzdem will man auf gar keinen Fall verzichten, weder darauf, Düfte zu probieren, noch, sie zu diesem Zwecke wenigstens in Abfüllungen zu besorgen. Würde man das ernsthaft erwägen, könnte man sich gleich von Parfumo abmelden – dieses Hobby lebt doch nun einmal vom Testen unzähliger Düfte, und irgendwie muss man an den Stoff herankommen. Da bleibt einem, wenn auch der Tausch von 2-ml-AFs die erste Wahl unter Experten ist, manchmal keine andere Wahl als zu kaufen. Nicht umsonst ist Parfum ein Luxusgut und die Probleme, die man damit hat, sind, sehr zum moralischen Leidwesen der meisten hier, per definitionem nur Luxusprobleme.
Das wiederum ist der Grund für die auch von mir sehr favorisierten Listen: die Listen für die vier Jahreszeiten (und die Suche nach dem Parfum, das die vier Jahreszeiten gleich einer Pizza alle quattro stagioni in sich vereint), für die verschiedenen Anlässe, für die unterschiedlichen Duftnoten. All diese Organisationsformen zeugen von dem Bedürfnis, sich der Illusion hinzugeben, man könne eine gewachsene Sammlung künstlich verkleinern, indem man sich stets nur ein Häppchen, ein Siebenundvierzigstel der eigentlichen Gesamtsammlung vor Augen führt.
Absoluter Spitzenreiter ist deshalb die Top Ten der individuellen Parfumsammlung: Man versucht, sich vorzustellen, wie es wäre, wenn man ganz allein mit ein paar Himbeeren und Blaubeeren einen Sommer in Neufundland verbringen müsste. Man steigert sich in die Vision eines erschütternden Hausbrandes hinein, den nur wenige Flakons überleben würden, oder, noch besser, man halluziniert ein Eifersuchtsdrama und hört den Justizvollzugsbeamten flüstern: „Sie dürfen nur drei Düfte in die U-Haft mitnehmen, entscheiden Sie schnell oder das war’s.“
Ich weiß, dass Ihr wisst, was ich meine. Die vielen unterschiedlichen Bewältigungsstrategien für ein moralisch sehr unangenehmes Gefühl von Überfluss sprechen Bände davon. Sich selbst über Listen zu belügen, hat noch niemand anderem geschadet. Und meist wird man, ein angenehmer Nebeneffekt, am Ende eines kaufkräftigen Parfumojahres seine Plan-Patenkinder-Anzahl erhöhen. Ich könnte ewig so weiter schwafeln, aber:
Soll ich nun endlich einmal zum Thema dieses Kommentars kommen? Ja, ich soll. Also: WENN ich in diesem Leben nur drei Düfte behalten dürfte. WENN ich mich entscheiden müsste. Ich weiß es genau: Dann wäre Khaltat Night dabei. Ich wüsste, ich hätte alles in einem Duft: einen Gourmand der Spitzenklasse. Die beste Kirsche in einem Duft weltweit. Einen Orientalen, neben dem die meisten anderen einpacken können. Ein Gefühl von samtiger Zärtlichkeit, wie es kaum ein Duft diesem hier nachmacht. Und Zimt in Hülle und Fülle. Und völlige Freiheit von jeglicher Penetranz, nichts Störendes, nichts Nerviges. Nicht zuviel Süße. Nicht zuviel Gewürze. Nicht zuviel Puder. Nicht zuviel Nichts. Ich hätte diesen einen perfekten Duft und würde dazu noch etwas Blumiges, Frisches wählen, denn das bietet Khaltat Night nicht, und meinen Signaturduft. Und ich wäre für immer glücklich und zufrieden. Und wenn meine Flasche Khaltat Night leer wäre, würde ich keine Mühen scheuen, sie aus dem fernen Orient erneut zu mir kommen zu lassen, weil ich so noch ein wenig Abenteuer gratis dazu bekäme. Denn die Frage, ob die Bestellung bei Attar Collection angekommen ist, ist an sich schon spannend. Noch spannender ist es dann zu gucken, wie und wann das Ganze über den Ozean kommt.
Khaltat Night ist die eierlegende Wollmilchsau unter den Parfums und doch so unverwechselbar. So weich, so ausgewogen, so samtig. Die Entwicklung ist sagenhaft: Aus dem anfänglichen Eindrucks eines warmen, vollen, von der Sonne beschienenen Zimtes, der in keiner Weise so spitz-würzig daherkommt, wie er eigentlich überall sonst auftritt, schält sich langsam und bedächtig eine Kirsche heraus, so, als versuchte man, den Zimt mit einer Kuchengabel ringsum langsam von der Kirsche abzustreifen, über die er gestäubt wurde. Die Kirsche ist saftig, und sie ist samtig-marzipanig, glatt, geschmeidig und weich. Es ist immer schwer, valide synästhetische Beschreibungen abzuliefern, doch anders kann man es nicht formulieren: Khaltat Night riecht, wie eine Marzipankirsche aus purpurnem Samt sich anfühlen würde. Dieser wunderbare Eindruck von Vollkommenheit geht dann über viele Stunden hinweg langsam in einen warmen, satten Untergrund über, der wiederum eine wunderbare Mischung aus erdigen und vanilligen und harzigen Tönen darstellt. Dass Khaltat wirklich „Mischungen“ heißt, wundert mich. Das ist so prosaisch wie korrekt. Vor allem aber klingt es nach: 1001 Nacht.
Trotzdem will man auf gar keinen Fall verzichten, weder darauf, Düfte zu probieren, noch, sie zu diesem Zwecke wenigstens in Abfüllungen zu besorgen. Würde man das ernsthaft erwägen, könnte man sich gleich von Parfumo abmelden – dieses Hobby lebt doch nun einmal vom Testen unzähliger Düfte, und irgendwie muss man an den Stoff herankommen. Da bleibt einem, wenn auch der Tausch von 2-ml-AFs die erste Wahl unter Experten ist, manchmal keine andere Wahl als zu kaufen. Nicht umsonst ist Parfum ein Luxusgut und die Probleme, die man damit hat, sind, sehr zum moralischen Leidwesen der meisten hier, per definitionem nur Luxusprobleme.
Das wiederum ist der Grund für die auch von mir sehr favorisierten Listen: die Listen für die vier Jahreszeiten (und die Suche nach dem Parfum, das die vier Jahreszeiten gleich einer Pizza alle quattro stagioni in sich vereint), für die verschiedenen Anlässe, für die unterschiedlichen Duftnoten. All diese Organisationsformen zeugen von dem Bedürfnis, sich der Illusion hinzugeben, man könne eine gewachsene Sammlung künstlich verkleinern, indem man sich stets nur ein Häppchen, ein Siebenundvierzigstel der eigentlichen Gesamtsammlung vor Augen führt.
Absoluter Spitzenreiter ist deshalb die Top Ten der individuellen Parfumsammlung: Man versucht, sich vorzustellen, wie es wäre, wenn man ganz allein mit ein paar Himbeeren und Blaubeeren einen Sommer in Neufundland verbringen müsste. Man steigert sich in die Vision eines erschütternden Hausbrandes hinein, den nur wenige Flakons überleben würden, oder, noch besser, man halluziniert ein Eifersuchtsdrama und hört den Justizvollzugsbeamten flüstern: „Sie dürfen nur drei Düfte in die U-Haft mitnehmen, entscheiden Sie schnell oder das war’s.“
Ich weiß, dass Ihr wisst, was ich meine. Die vielen unterschiedlichen Bewältigungsstrategien für ein moralisch sehr unangenehmes Gefühl von Überfluss sprechen Bände davon. Sich selbst über Listen zu belügen, hat noch niemand anderem geschadet. Und meist wird man, ein angenehmer Nebeneffekt, am Ende eines kaufkräftigen Parfumojahres seine Plan-Patenkinder-Anzahl erhöhen. Ich könnte ewig so weiter schwafeln, aber:
Soll ich nun endlich einmal zum Thema dieses Kommentars kommen? Ja, ich soll. Also: WENN ich in diesem Leben nur drei Düfte behalten dürfte. WENN ich mich entscheiden müsste. Ich weiß es genau: Dann wäre Khaltat Night dabei. Ich wüsste, ich hätte alles in einem Duft: einen Gourmand der Spitzenklasse. Die beste Kirsche in einem Duft weltweit. Einen Orientalen, neben dem die meisten anderen einpacken können. Ein Gefühl von samtiger Zärtlichkeit, wie es kaum ein Duft diesem hier nachmacht. Und Zimt in Hülle und Fülle. Und völlige Freiheit von jeglicher Penetranz, nichts Störendes, nichts Nerviges. Nicht zuviel Süße. Nicht zuviel Gewürze. Nicht zuviel Puder. Nicht zuviel Nichts. Ich hätte diesen einen perfekten Duft und würde dazu noch etwas Blumiges, Frisches wählen, denn das bietet Khaltat Night nicht, und meinen Signaturduft. Und ich wäre für immer glücklich und zufrieden. Und wenn meine Flasche Khaltat Night leer wäre, würde ich keine Mühen scheuen, sie aus dem fernen Orient erneut zu mir kommen zu lassen, weil ich so noch ein wenig Abenteuer gratis dazu bekäme. Denn die Frage, ob die Bestellung bei Attar Collection angekommen ist, ist an sich schon spannend. Noch spannender ist es dann zu gucken, wie und wann das Ganze über den Ozean kommt.
Khaltat Night ist die eierlegende Wollmilchsau unter den Parfums und doch so unverwechselbar. So weich, so ausgewogen, so samtig. Die Entwicklung ist sagenhaft: Aus dem anfänglichen Eindrucks eines warmen, vollen, von der Sonne beschienenen Zimtes, der in keiner Weise so spitz-würzig daherkommt, wie er eigentlich überall sonst auftritt, schält sich langsam und bedächtig eine Kirsche heraus, so, als versuchte man, den Zimt mit einer Kuchengabel ringsum langsam von der Kirsche abzustreifen, über die er gestäubt wurde. Die Kirsche ist saftig, und sie ist samtig-marzipanig, glatt, geschmeidig und weich. Es ist immer schwer, valide synästhetische Beschreibungen abzuliefern, doch anders kann man es nicht formulieren: Khaltat Night riecht, wie eine Marzipankirsche aus purpurnem Samt sich anfühlen würde. Dieser wunderbare Eindruck von Vollkommenheit geht dann über viele Stunden hinweg langsam in einen warmen, satten Untergrund über, der wiederum eine wunderbare Mischung aus erdigen und vanilligen und harzigen Tönen darstellt. Dass Khaltat wirklich „Mischungen“ heißt, wundert mich. Das ist so prosaisch wie korrekt. Vor allem aber klingt es nach: 1001 Nacht.
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