Parfümlein

Parfümlein

Rezensionen
11 - 15 von 124
Parfümlein vor 4 Jahren 31 19
8
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft
In der Selbsthilfegruppe: Jasmin lässt Dampf ab
Ich bin traurig. RICHTIG traurig.
Keiner mag mich. Keiner will mit mir zusammen sein.
Ich fühle mich richtig ausgeschlossen, ignoriert, übersehen. So, als wäre ich Luft.
Und ja: Es tut weh. Schließlich bin ich noch ein Kind. Ein KI-HIND!!!
Gerade mal acht Jahre alt. Und die Zukunft schon gelaufen.
Dabei verstehe ich das nicht: Wieso mag mich keiner? Die andere blöde Jasmin hat doch auch nicht diese Probleme, das Biest. Ja, wahrscheinlich, weil die Freunde in Shanghai hat. Soooo cool! Trägt immer rot. Und ich? Ich SEHE rot, wenn ich an die denke. 159 Freunde hat die! Und ich? Gerade mal 97 wollen mit mir was zu tun haben... Wahaaahaaaa.... Wirklich nett ist übrigens nur die Dingens... Moment... wie hieß die nochmal? Kommt aus Udaipur... Ist auf jeden Fall mein großes Vorbild.
Jetzt mal konkret: Was haben alle gegen mich? Ich rieche nicht gut, sagen die. HALLO???? Ich rieche sehr gut! Meist nur einfach ein bisschen frisch, aber das geht schnell vorüber, dann bin ich ich. Und nur ich. Ich, die Jasmin. Die Fröhliche. Die, die immer gut drauf ist. Gute Laune macht. Wieso merkt das nur keiner?
Synthetisch soll ich sein? Und wie soll das bitteschön gehen, hä? Vielleicht bin ich nicht direkt dem nächsten Naturöl-Laden entsprungen, aber dafür bin ich auch ein bisschen moderner. Und nerven tue ich doch wirklich niemanden, so lange bleibe ich doch meist gar nicht. Wenn ich jemanden besuche, dann doch höchstens vier, fünf Stunden. Das ist doch ok, oder? Wieso muss man immer gleich ein Marathon-Meeting veranstalten? Ich bin dann eben gern auch mal weg. So what? Solange ich da bin, bin ich jedenfalls präsent, nicht so wie andere, die groß tun und dann die ganze Zeit die Klappe halten und sich verdünnisieren, sobald es geht.
Wenn ich so sagen müsste, was ich für Qualitäten habe, würde ich sagen:
Super Figur. Superfreundliche Frische. Superfröhliche Präsenz. Ordentliche, aber nicht übertriebene Ausdauer. Liebe Mandarinen. Trage gern mal die ein oder andere Blüte im Haar. Bin aber nicht so ein Mädchen, nicht so rosa, nicht so süß. Und alles, was man mir nachsagt, stimmt nicht. Ich HABE keine Freundin, die Tuberosa heißt. Und mit diesem Patchouli würde ich nie was anfangen, das ist doch so ein Depp. Und ich habe auch nicht zuviel Holz vor der Hütte. Nein! Jedenfalls bei Weitem nicht so viel wie bestimmte andere Subjekte, deren Namen ich hier erst gar nicht nennen will. Das ist eine VERLEUMDUNG! So gemein! Lernt mich doch erstmal kennen, bevor Ihr urteilt! Obwohl... wenn Ihr noch lange macht... vielleicht bin ich irgendwann auch einfach nicht mehr da! Vielleicht haue ich ab! Geschähe Euch recht!
19 Antworten
Parfümlein vor 4 Jahren 15 15
8
Flakon
8
Sillage
7
Haltbarkeit
3
Duft
Absolut fruchtiger Kurzkommentar
Als hätte ich es geahnt, dass ein Duft, der einen pseudofantasievollen Namen trägt, es mit seinen großen Brüdern "Malibù - Party in the Bay" und "Leisure in Paradise" und "Deep Island" nicht aufnehmen kann...

Nein, das kann er wirklich nicht.
"Sunplosion" ist für mich ganz subjektiv: eine Duftkatastrophe.
Wie oft habe ich auf Parfumo vom bösen Tuberosen-Kaugummi gelesen und es nicht entdecken können.
Wie oft von Fruchtplörre. Süßem Zuckerzeugs. Und mich gewundert, weil ich selbst manche Düfte ganz anders empfand.

"Sunplosion" jedoch vereint alle diese peinlichen Charakteristika in sich. Da ist wirklich nichts, was mir diesen Duft gefällig machen könnte - außer dem Flakon und meiner überaus freundlichen Sharing-Veranstalterin.
Direkt zu Beginn/ Am Anfang/ Im Auftakt/ Im Opening/ neuerdings auch: Initial überfällt mich mit Urgewalt eine brutale Welle künstlichster Kaugummiaromen. Die ganze Welt von HubbaBubba in einem Duft. Da riechen selbst meine Flav Drops deutlich natürlicher. Ich vermute aber, dass Frucht-Kondome exakt so riechen; ich sah sie noch vorgestern beim Einkaufen in der Kombi Banane-Himbeere-Erdbeere. Weil das Kaugummi-Aroma in "Sunplosion" so vollkommen, so uneingeschränkt künstlich ist, hat es natürlich schon wieder etwas Künstlerisches. "Schaffe einen Duft, der nach Frucht riecht, in dem du aber nicht eine einzige winzigkleine Frucht identifizieren kannst" - das muss der deutlich formulierte Auftrag gewesen sein. Und der ist erstklassig erledigt worden. Diese künstliche Fruchtsuppe ist auf der Haut ein bisschen widerlich, vor allem, weil sie so kaugummiartig ist. Aber möglicherweise gibt es Liebhaber solcher Duftrichtungen, etwa Obstbetriebpraktikanten, die wirklich die Nase voll vom gesunden Zeug haben. Die wollen so was vielleicht. Oder Leute mit Obstallergie. Oder Diätmacher, die sich an die vielen gegessenen Sahnejoghurts erinnern und Lust auf einen Hauch Nostalgie haben. Sahnejoghurts riechen allerdings viel besser, ehrlich.

Hier das ist: nix.
Holzaroma? Das ist auch nach zwei Stunden wohl nur für fortgeschrittene Fantasten wahrnehmbar. Genauso wie der "Aloha State of Mind" - den muss man sich einfach dazu denken. Techniken in luzidem Träumen finden sich im Netz. Ich finde: Der Duft ist einfach nur künstlich-kunstfruchtig-ekligsüß. Das war es. Auch mit dem Kommentar. (Hub)By(Bub)By!
15 Antworten
Parfümlein vor 4 Jahren 30 16
6
Flakon
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Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft
Cooler Kokoskuss!
Zugegeben: Der Name dieses Duftes lässt erhebliche Zweifel darüber aufkommen, ob die da in der Marketingabteilung eigentlich noch ganz knusprig sind. "Déclaration Love" - was für eine misslungene bilinguale Drama Queen versteckt sich denn hinter sowas? Schlimmer noch: Sie scheinen diese Wortschöpfung so gut zu finden, dass sie eine ganze Serie danach benannt haben. Zwei Düfte sind in der Reihe bislang erschienen, und außer dem verbindenden Element der Liebeserklärung finden sich wenig Gemeinsamkeiten. "Tyrannique" im tiefroten, transparenten Flakon stellt die Tuberose in den Mittelpunkt, "Coco Love" im undurchsichtigen, cremeweißen Flakon die Kokosnuss. Ein Parfum "Coco Love" zu nennen - dazu gehört schon viel Mut, bei aller Liebe zur Liebe und ihren diversen Erklärungen.

ABER:
Ich mag diesen Duft, ich lerne ihn langsam kennen, aber ich nehme ihn schon jetzt als sehr angenehm wahr, und das entschädigt für die seltsame Namensgebung. Was mir an Coco Love so besonders gefällt: Der Duft hat nichts vom Karibik-Feeling, das so viele Kokos-Düfte wie der von mir sehr geliebte "Leisure in Paradise" aufkommen lassen, und schon gar nichts von der zuckrigen Süße, mit der andere wie etwa "Coco Extrême" aufwarten. Nicht, dass ich die Karibischen nicht mögen würde. Ich liebe das Pina-Colada-Gefühl, ich mag Ananas, Limetten und Kokos in Kombination sehr gern, noch lieber ohne Ananas. Aber einen Duft, der dieses Klischee einmal nicht bedient und sich des Themas "Kokos" neu und innovativ annimmt, finde ich sehr spannend und anregend.

Coco Love, der Kokosduft mit dem doofen Namen, macht zunächst einmal nachdenklich: Was rieche ich da überhaupt? Wieso habe ich so wenig Ahnung? Wieso wird Parfumologie nicht in der Schule unterrichtet, wäre doch ein toller LK gewesen?
Was ich vor allem wahrnehme, ist eine ganz zauberhafte, unglaublich schöne Cremigkeit, eine cremige Weichheit, die mich sofort und ohne Umwege daran denken lässt, wie lustvoll-lecker der erste Teelöffel Kokoscreme ist, wie traumhaft geschmeidig sie auf der Zunge zergeht, bevor ich den Rest der Dose in die Mulligatawny gebe. Kokos ist eine der Nussarten, deren cremig-sahnigen Geschmack ich sehr schätze, im Unterschied zum Beispiel zur Kastanie, mit der ich gar nichts anfangen kann, oder auch zur Haselnuss. Die geschmeidige Coco-Love-Creme legt sich wie ein schützender Film auf die Haut und ist dabei so typisch "kokossig". Für mein Empfinden ein authentischer, wenig künstlicher Kokoston, obwohl ich mich hier irren kann, selbstverständlich.

Der besondere Effekt ist nun einerseits, dass gleich zu Beginn recht kräftige Holznoten diese Cremigkeit begleiten. "Coco Love" ist für die Kokosdüfte das, was "Mitsio Vanille" von Les Soeurs de Noé für Vanilledüfte ist: Ein Teil der Süße wird hier ersatzlos gestrichen und durch eine Holznote ersetzt. Das wird das Cypriol sein, Nagarmotha oder auch Zyperngras, das in Indien gewonnen wird und Düften anscheinend eine besondere Haltbarkeit verleiht. Kannte ich nicht, stimmt aber genau! Von zwei Sprühern Coco Love hatte ich den ganzen langen Nachmittag über immer wieder eine Spur in der Nase. Ein sanft holzig-cremiges Lüftchen umwehte mich auf Schritt und Tritt. Diese holzartigen Töne in Verbindung mit dem cremigen Kokosduft erwecken Assoziationen an ein Stück frischen Kokosfleischs, an dem noch die innere, dunkelbraune Schale haftet. Wer diese dünne innere Haut unter der dicken Schale beim DIY-Kokosnuss-mit-der-Axt-Öffnen mal mitgegessen hat, weiß genau, wovon ich spreche: Saftiges, cremiges Fleisch mit holziger Begleitnote. So ist Coco Love.

Der andere schöne Effekt ist eben der, dass der Duft nur wenig süß ist, zumindest für mein subjektives, von Gourmands verwöhntes (oder abgestumpftes?) Parfumnäschen. Die Assoziationen, die sich anhand der Pyramide entwickeln - Sahne und Vanille, wie yummy! - bestätigen sich beim Tragen des Duftes gar nicht: Nur eine sehr leichte, angenehme Süße, die den spezifischen Kokosduft unterstützt, umweht mich, doch ich empfinde ich sie wirklich als sehr zurückhaltend, so, als sei nur die natürliche Restsüße der Kokosnuss enthalten.

Das wäre natürlich fast zu schön, um wahr zu sein. Ich bin mir nicht ganz sicher, was ich außer Holz und minimaler Süße noch wahrnehme. Sicher wird es Kritiker geben, die den Duft wie immer überzuckert oder künstlich empfinden. Ich persönlich finde ihn fremdartig, wenig süß und schön. So mag ich gern riechen. Die cremige Note erinnert ein bisschen auch an Kokos-Sonnencreme, doch ich sehe mehr die essbare Kokoscreme anhand des Dufterlebnisses vor mir. Ja, um genau zu sein: Ich sehe mich unter Palmen. Von Lippen geküsst, die gerade noch Kokosnussfleisch gegessen haben. Ja, ich bin eine Drama Queen. Deshalb passt Coco Love so gut zu mir.
16 Antworten
Parfümlein vor 4 Jahren 21 20
9
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
9
Duft
Kensington: der beste Ort für Zitronen-Gewächshäuser
Bei meinem Neffen und seiner Nicht-Angetrauten ist eine Zitrone in die Wohnung eingezogen. Die lebt jetzt mit ihnen. Eine kleine runde Zitrone, im Moment zumindest, die in den nächsten Monaten wenigstens mal so groß wie eine Honigmelone wird, hoffentlich nicht das Gewicht einer Wassermelone erreicht und dann irgendwann als gut duftendes, weiches, zartes kleines Etwas seine Zitronenidentität ablegen und ein echter Londoner oder eine echte Londonerin (?) werden wird. Bis dahin dauert es noch ein paar Monate. Die kleine Zitrone wird vier Staatsbürgerschaften haben: die deutsche und englische ihres Vaters und die amerikanische und karibische ihrer Mutter. So krass ist das bei den Briten. Zitronen bekommen, wenn sie es erstmal an die Oberfläche des Fruchtsalats geschafft haben, gleich ALLE Staatsbürgerschaften, die zur Verfügung stehen. Und weil der Zitronenpapa für eine noble Kanzlei arbeitet und die Zitronenmama gerade ihren Wetterdoktor gemacht hat, werden sie dann ihr cooles Zitronenwohnheim im hipsten Stadtteil (ok, den verschweige ich mal wegen der Anonymität, aber was ist wohl der hipste in London? ) aufgeben und nach Kensington ziehen. Denn Kensington ist sozusagen das Zitronen-Gewächshaus Londons: Hier gibt es kleine Gärtchen und Gartenzäunchen, Laura-Ashley-Sofas und Nannys. Hier ist es einfach schön. Aber nicht auf die doofe, spießige Art. Sondern auf die feine, englische. Ein Ort, an dem man kleinen Früchtchen ein ganz gutes Zuhause bieten kann. Und wenn man schon mal auf Wohnungssuche durch Kensington streift, sollte man es unbedingt jetzt im Winter tun: Dann kann man nämlich Penhaligon's Kensington Amber idealerweise tragen. Diesen Traum aus Zimt und Amber. Diesen wunderbar weichen, unaufdringlichen, zurückhaltenden Semi-Gourmand. Semi, weil:

Kensington Amber ist kein echter Gourmand, Gott bewahre. Beim Aufsprühen entweicht dem wunderschönen Flakon eine leicht zitrisch-strahlende Zimtwolke, die nach wenigen Minuten weich und rund, nicht spitz und stechend ist, würzig, aber sanft, und überhaupt kaum süß. Keine Milchreis-Assoziationen, keine gebrannten Mandeln. Es handelt sich um das pure Gewürz, das so auch im indischen Curry verwendet wird, und dabei denkt ja auch keiner an Milchreis. Ein zauberhafter Zimt ist das, ich liebe diesen Auftakt, der mich in einem würzigen Wintertraum wiegt. Perfekt passend zur Kälte dieser Jahreszeit, benutze ich ihn schon am Morgen - nur so habe ich die Gelegenheit, seinen fantastischen Verlauf den Tag über zu genießen. Denn der strahlende Zimt öffnet sich nach einiger Zeit für andere Noten: für die harzigen, weichen, holzigen und süßen.

Am feinsten steht dem Zimt der Amberton, den das Labdanum verursacht, und sicher deshalb trägt der Duft diesen Namen: Dieser Amberton nämlich trägt den Zimt im wahrsten Sinne des Wortes; er gesellt sich nach etwa zwanzig Minuten dazu und lässt dann den Zimt nicht mehr aus den Augen. Er nimmt dem Zimt die Kindlichkeit, und was der Zimt angenehmerweise an Gourmand-Süße vermissen ließ, wird nun durch eine leichte Basissüße von Vanille und Tonka hinzugefügt - man spürt es schon: keine flache Zuckersüße, sondern eine tiefe, vielfacettierte Würzsüße. Alles passt perfekt zusammen. Es ist einfach ein außergewöhnlicher und dabei, das muss ich deutlich betonen, sehr, sehr dezenter und unauffälliger Duft: das inkarnierte britische Understatement. Und wenn ich mir so überlege, dass der minimal spritzig-zitrische Auftakt von einer niedlichen kleinen Bergamotte verursacht wird, denke ich mir, dass sich dieses kleine Zitrusfrüchten vermutlich perfekt mit der kleinen Zitrone meines Neffen verstehen würde. Ich erwäge ernsthaft, Kensington Amber von Penhaligon's direkt als Geschenk zu ihnen schicken zu lassen. Ich muss zugeben, auf meine Penhaligon's-Düfte bin ich immer irgendwie sehr stolz, sie sind etwas absolut Besonderes für mich. Und sie eignen sich perfekt als Geschenk, weil sie so elegant sind. Dann würde sich der Kensington-Zitronen-Kreis doch wunderbar schließen.
P.S. Nein - ich bin noch nicht 70! :-) Ich bin nur 14 Jahre älter als mein Neffe! (Hab einen ziemlich alten Bruder...)
20 Antworten
Parfümlein vor 4 Jahren 60 21
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Flakon
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Sillage
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Haltbarkeit
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Duft
Die Mischung aller Mischungen: Nachtflug ins arabische Duftparadies
Was Parfumos und Parfumas ganz allgemein verbindet, ist so ein diffuses Gefühl von „Könnte ich gut gebrauchen“ oder zumindest „Könnte ich eigentlich auch gebrauchen“ oder, sehr asketisch, „Würde ich jedenfalls nicht von der Bettkante stoßen“. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der kostbaren Freizeit geht bei Parfumbegeisterten mit Parfumo drauf, und dort wiederum verbringen viele einen nicht unbeträchtlichen Teil dieser Zeit mit dem Kauf und Wieder-Verkauf und Zum-Glück-Tausch von Parfum. Man hat, solange man noch alle Tassen im Schrank hat, im Normalfall das unangenehme Bewusstsein, dass die eigene Sammlung doch ziemlich groß ist, das beruhigende Gefühl, dass die anderer Leute noch schlimm größer ist (dazu sucht man sich natürlich sehr genau die Vergleichssammlungen heraus, denn es gibt leider immer viele vernünftige Leute, die immerhin elf Flakons weniger haben, was doch sehr beschämend für einen selbst ist), und das dringende Bedürfnis, die Größe der eigenen Sammlung zumindest im Auge zu behalten.

Trotzdem will man auf gar keinen Fall verzichten, weder darauf, Düfte zu probieren, noch, sie zu diesem Zwecke wenigstens in Abfüllungen zu besorgen. Würde man das ernsthaft erwägen, könnte man sich gleich von Parfumo abmelden – dieses Hobby lebt doch nun einmal vom Testen unzähliger Düfte, und irgendwie muss man an den Stoff herankommen. Da bleibt einem, wenn auch der Tausch von 2-ml-AFs die erste Wahl unter Experten ist, manchmal keine andere Wahl als zu kaufen. Nicht umsonst ist Parfum ein Luxusgut und die Probleme, die man damit hat, sind, sehr zum moralischen Leidwesen der meisten hier, per definitionem nur Luxusprobleme.

Das wiederum ist der Grund für die auch von mir sehr favorisierten Listen: die Listen für die vier Jahreszeiten (und die Suche nach dem Parfum, das die vier Jahreszeiten gleich einer Pizza alle quattro stagioni in sich vereint), für die verschiedenen Anlässe, für die unterschiedlichen Duftnoten. All diese Organisationsformen zeugen von dem Bedürfnis, sich der Illusion hinzugeben, man könne eine gewachsene Sammlung künstlich verkleinern, indem man sich stets nur ein Häppchen, ein Siebenundvierzigstel der eigentlichen Gesamtsammlung vor Augen führt.

Absoluter Spitzenreiter ist deshalb die Top Ten der individuellen Parfumsammlung: Man versucht, sich vorzustellen, wie es wäre, wenn man ganz allein mit ein paar Himbeeren und Blaubeeren einen Sommer in Neufundland verbringen müsste. Man steigert sich in die Vision eines erschütternden Hausbrandes hinein, den nur wenige Flakons überleben würden, oder, noch besser, man halluziniert ein Eifersuchtsdrama und hört den Justizvollzugsbeamten flüstern: „Sie dürfen nur drei Düfte in die U-Haft mitnehmen, entscheiden Sie schnell oder das war’s.“

Ich weiß, dass Ihr wisst, was ich meine. Die vielen unterschiedlichen Bewältigungsstrategien für ein moralisch sehr unangenehmes Gefühl von Überfluss sprechen Bände davon. Sich selbst über Listen zu belügen, hat noch niemand anderem geschadet. Und meist wird man, ein angenehmer Nebeneffekt, am Ende eines kaufkräftigen Parfumojahres seine Plan-Patenkinder-Anzahl erhöhen. Ich könnte ewig so weiter schwafeln, aber:

Soll ich nun endlich einmal zum Thema dieses Kommentars kommen? Ja, ich soll. Also: WENN ich in diesem Leben nur drei Düfte behalten dürfte. WENN ich mich entscheiden müsste. Ich weiß es genau: Dann wäre Khaltat Night dabei. Ich wüsste, ich hätte alles in einem Duft: einen Gourmand der Spitzenklasse. Die beste Kirsche in einem Duft weltweit. Einen Orientalen, neben dem die meisten anderen einpacken können. Ein Gefühl von samtiger Zärtlichkeit, wie es kaum ein Duft diesem hier nachmacht. Und Zimt in Hülle und Fülle. Und völlige Freiheit von jeglicher Penetranz, nichts Störendes, nichts Nerviges. Nicht zuviel Süße. Nicht zuviel Gewürze. Nicht zuviel Puder. Nicht zuviel Nichts. Ich hätte diesen einen perfekten Duft und würde dazu noch etwas Blumiges, Frisches wählen, denn das bietet Khaltat Night nicht, und meinen Signaturduft. Und ich wäre für immer glücklich und zufrieden. Und wenn meine Flasche Khaltat Night leer wäre, würde ich keine Mühen scheuen, sie aus dem fernen Orient erneut zu mir kommen zu lassen, weil ich so noch ein wenig Abenteuer gratis dazu bekäme. Denn die Frage, ob die Bestellung bei Attar Collection angekommen ist, ist an sich schon spannend. Noch spannender ist es dann zu gucken, wie und wann das Ganze über den Ozean kommt.

Khaltat Night ist die eierlegende Wollmilchsau unter den Parfums und doch so unverwechselbar. So weich, so ausgewogen, so samtig. Die Entwicklung ist sagenhaft: Aus dem anfänglichen Eindrucks eines warmen, vollen, von der Sonne beschienenen Zimtes, der in keiner Weise so spitz-würzig daherkommt, wie er eigentlich überall sonst auftritt, schält sich langsam und bedächtig eine Kirsche heraus, so, als versuchte man, den Zimt mit einer Kuchengabel ringsum langsam von der Kirsche abzustreifen, über die er gestäubt wurde. Die Kirsche ist saftig, und sie ist samtig-marzipanig, glatt, geschmeidig und weich. Es ist immer schwer, valide synästhetische Beschreibungen abzuliefern, doch anders kann man es nicht formulieren: Khaltat Night riecht, wie eine Marzipankirsche aus purpurnem Samt sich anfühlen würde. Dieser wunderbare Eindruck von Vollkommenheit geht dann über viele Stunden hinweg langsam in einen warmen, satten Untergrund über, der wiederum eine wunderbare Mischung aus erdigen und vanilligen und harzigen Tönen darstellt. Dass Khaltat wirklich „Mischungen“ heißt, wundert mich. Das ist so prosaisch wie korrekt. Vor allem aber klingt es nach: 1001 Nacht.
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