Parma

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6 - 10 von 260
Parma vor 7 Monaten 10 20
5
Flakon
5
Sillage
9
Haltbarkeit
8
Duft
Tokyo Memories
Erworben im Yamamoto-Store in Shibuya, erinnert mich ‚L‘Odeur 77-05‘ immer an meine Reise in dieses faszinierende Land, wo der Zusammenschluss von westlichem Lebensstandard und fernöstlicher Lebenseinstellung eine ganz besondere Kultur hervorbringt.

Der Duft spiegelt dieses Spannungsfeld in gewisser Weise wieder und ist Bestandteil einer bisher leider nur in Japan veröffentlichten, zeitlich limitierten Ausgabe von fünf Eau de Colognes. Diese können üblicherweise - es gab eine kurzzeitige Ausnahme - nur im Set und ausschließlich in 15ml-Travelsize-Flakons erworben werden. Sie sind laut Marke für die spontane, stimmungsgeleitete Beduftung zwischendurch konzipiert.

Mit Abstand am besten gefällt mir dabei der fünfte Duft dieser Reihe. Was daran liegt, dass er genau meine Duftvorlieben trifft. Er ist nämlich ein cleaner Zitrus-Aromat. Genauer gesagt ein Zitrus-Vetiver-Duft, der allerdings die zitrische Seite sehr stark betont. Am ehesten erinnert er mich in diesem Verhältnis an Zaras ‚Vetiver Pamplemousse‘, dessen Zitrusnote aber deutlich heller und spitzer ist. Insofern kann man beim Yamamoto fast von einem reinen Zitrusduft sprechen, jedoch einem mit erfreulicher Eigenständigkeit, wie hoffentlich gleich deutlich wird.

Duftverlauf:
‚L‘Odeur 77-05‘ startet mit einer sehr prägnanten zitrischen Note, die ich als bitter-süßfruchtige, saftige Zitrone beschreiben würde. Fast bonbonhaft und wie gelbe Nimm2s „schmeckend“. Sie erinnert mich in ihrer Potenz an die Zitronennote in Yves Saint Laurents ‚pour Homme Haute Concentration‘-Version aus dem Jahr 1983. Einer unheimlich satten, fleischigen Frucht. Die hohe Dichte - man kann durchaus von einem guten Grat an „Pappigkeit“ sprechen - führe ich neben einer generell hohen Dosierung auf den Einsatz von unterstützenden vollsynthetischen Bestandteilen zurück, die der Note eine lange und starke Präsenz verleihen, die bis tief in die Basis reicht. Sie ist der klar duftbestimmende Faktor. Dazu gesellt sich fast unmittelbar eine zarte, blatthafte Facette. Ein schüchterner, sehr cleaner Vetiver, der die leicht grüne Charakteristik des Dufts prägt. Im Mittelteil klart der Duft durch den Einsatz einer ebenfalls bitter ausgerichteten, minimal wässrigen Gingernote etwas auf, macht ihn ein kleines Stück offener und schärfer, bevor tief im Drydown, wenn sich die Zitrusnote langsam verliert, der Vetiver noch seine sanft grasig-holzigen Nuancen offenbaren kann. Dabei hat er nichts Erdiges oder Rauchiges an sich, sondern entwickelt im Gegenteil - unterstützt von einem sehr zurückhaltenden Moschus - noch seifige Akzente. Insofern steht am Ende das Geruchsbild eines zitrisch-aromatischen Sauberdufts. Leicht grün ausgelegt.

Wirkung:
‚L‘Odeur 77-05‘ ist wie ‚Vetiver Pamplemousse‘ ein casualer Duft mit „Alltagseleganz“. Von den Inhaltsstoffen her etwas über dem üblichem Designer-Standard liegend und sich durch den Einsatz der von mir nicht näher bestimmbaren vollsynthetischen - aber nie drängenden - Bestandteile modern gebend. Schnörkellos und unaufgeregt. Was zur japanischen Lebensweise passt. Ebenso sein gut abgestimmter und ihn so besonders machender Gegensatz von bitter, süß und scharf. In der Zitrusnote durch den Synthetikunterbau allerdings ungewohnt präsent. Dadurch eignet er sich aus meiner Sicht auch hervorragend für den internationalen Markt und ich hoffe, dass die Linie irgendwann hier veröffentlicht wird.

Haltbarkeit und Sillage:
Wie oben schon angedeutet, hält der Duft für eine Eau de Cologne-Konzentration erstaunlich lange. Auf meiner Haut sind es gut wahrnehmbar etwa fünf Stunden und darüber hinaus noch weitere Stunden mit leiser Präsenz. Dabei bewegt sich die Abstrahlung nur in der ersten Stunde leicht über Hautniveau. Sillage besitzt der Duft so gut wie keine. Hier verhält er sich ganz in der Tradition eines Eau de Colognes.

Fazit:
'L'Odeur 77-05' ist ein cleaner, zitrischer Duft mit zarter Vetiverwürze, der in seiner satten, bittersüßen Zitronencharakteristik eine erfreuliche Eigenständigkeit aufweist. Besonders Liebhaber*innen reiner, leicht grün eingefärbter, Zitrusdüfte dürften hier auf ihre Kosten kommen.

Zur L‘Odeur-Reihe:
Die übrigen sind ebenfalls Düfte, die das Rad nicht neu erfinden, allerdings - trotz teilweise interessant klingender Duftnoten - im Gegensatz zum Fünften kaum Anstrengungen unternehmen, etwas Ungewöhnliches zu versuchen. Sie sind alle eher hell angelegt und lösen bei mir überwiegend Assoziationen zu Bekanntem aus. ‚L‘Odeur 77-01‘ ist ein zurückhaltend duschgelfrischer Duft auf generischem, trockenen Holz. ‚L‘Odeur 77-02‘ weist einen leichten Aventus-Vibe auf. ‚L‘Odeur 77-03‘ erscheint blass hellzitrisch und ‚L‘Odeur 77-04‘ wirkt in seiner Kombination aus Hellwürzigem und Blumigem nicht ganz stimmig. Diese Eindrücke gründen sich aber, das muss ich einschränkend sagen, ausschließlich auf Duftstreifen-Erfahrungen. Lediglich den rezensierten Duft besitze und trage ich.
20 Antworten
Parma vor 7 Monaten 18 24
8
Flakon
7
Sillage
9
Haltbarkeit
9.5
Duft
Portrait fürs Jetzt
Ich mag ‚Love Kills‘ sehr. Er ist ein dezent körperlicher Rose-Patchouli-Duft mit großer Ähnlichkeit zu Malles 'Portrait of a Lady'. Etwas schlanker und mehr im Jetzt verortet als die mir immer leicht altmodisch vorkommende Pariser Rose. Die Mailänder Schönheit verzichtet vor allem auf Weihrauch und die meist sehr klassisch wirkende Nelke und ist trotz ebenfalls enormer Haltbarkeit zurückhaltender. Jedoch nicht leise.

Duftverlauf:
Sie eröffnet mit einer fruchtig-säuerlichen Rose, mitteldunkel, vollmundig und leicht süßlich. Aufgelockert durch einen zitrischen Durchzug, der dem Duft bis zum Ende eine zarte Frische verleiht. Untermalt wird er von einer sanften, weichen Animalik, die ich am ehesten mit einer "Haut am Abend" beschreiben würde. Einer verhaltenen, warmen Körperlichkeit, die die Rose für mich so interessant und anziehend macht. Wahrscheinlich hervorgerufen durch eine Kombination aus animalischem Moschus in cremiger Textur, leicht grobkörnig-pudrigem Ambrettsamen und dem unterschwellig synthetisch wirkenden, samtig-körperlichen Ambrarome. Ein gezügelt dosiertes Patchouli steuert einen würzig-erdigen Ton (keinen kellerhaft-muffigen) bei, verstärkt die Aromatik und verleiht Vertikalität. Tief im Drydown entwickelt die Protagonistin eine wunderschöne seifenähnliche Haptik, die ich in ihrer fast seidigen Art - kombiniert mit der weichwürzigen Körperlichkeit - selten besser gerochen habe. So entsteht die Aura einer aromatischen, eleganten Rose. Gepflegt und gleichzeitig leicht anzüglich.

All das wirkt im Vergleich zum Malle-Duft etwas unbeschwerter und weniger ernst. Ebenfalls opulent angelegt, aber gefasster. Nahbarer. Wärmer. Zudem hervorragend abgestimmt. Gefällig, ohne auf einen prägnanten Charakter zu verzichten.

Haltbarkeit und Sillage:
So wie der Duftcharakter sich etwas weniger ausladend als beim Malle-Duft zeigt, sind auch Abstrahlung und Sillage reduzierter. Man wird dezent wahrgenommen und im Raum bleibt eine leichte Ahnung des Dufts zurück. Ich selbst nehme ihn problemlos den ganzen Tag lang wahr, ohne mich dazu anstrengen zu müssen.

Fazit:
‚Love Kills‘ ist in meinen Augen eine auf allen Ebenen gelungene, alltagstauglichere und leicht modernere Fassung des sehr ähnlichen ‚Portrait of a Lady‘.

Hinweis zu Inhaltsstoffen:
Ambrarome ist ein vollsynthetischer Aromastoff, der schon 1926 von der französischen Firma Synarome als Ambergris-Ersatzstoff entwickelt wurde. Sein Geruchsbild wird als „warm and enveloping ambery note with smoky nuances {and an} intense leathery and animalic heart {with} salty and mineral notes“ beschrieben. Rauchige, ledrige, salzige und mineralische Facetten nehme ich in diesem Duft allerdings nicht wahr. Man merkt ihm seine potentiell duftprägende Kraft an, welche hier aber durch umsichtigen Einsatz gezügelt ist.

Einordnung des Namens:
III – III Love Kills ist Bestandteil von Masque Milanos Opera-Linie. Die römischen Ziffern vor dem eigentlichen Namen geben die jeweiligen Akte und Szenen der hauseigenen, vieraktigen Duft-Oper an, die bunt gemischt Themen des Leben aufgreift (Erfahrungen, Orte, Stimmungen, Gefühle, Reflexionen, Beziehungen, Träume). In diesem Akt spielt die Liebe - symbolisiert durch die Rose - die Hauptrolle. Geschildert wird das Erblühen und Sterben dieser Urkraft in einer tragischen Liebesgeschichte. Angelehnt an Shakespeares „Romeo and Juliet“.

Wie bei vielen Marken ist das nettes Beiwerk und evtl. dazu nötig, sich von Mitbewerbern abzusetzen sowie ein bestimmtes Klientel anzusprechen, für mich aber eher uninteressant. Ich mag ihn zumindest nicht mehr bzw. weniger wegen dieser thematischen Einbettung und erkenne auch den Bezug nicht (für mich ist es z.B. - wenn man sich auf diese Interpretation einlässt - eine gefestigte, reife Liebe im Drydown und keine mit dem Tod endende, als die sie die Markenerzählung verstanden wissen möchte).

weitere Infos:
Im Jahr 2020 war ‚Love Kills‘ für einen Art & Olfaction Award in der Kategorie ‚Independent‘ nominiert.
24 Antworten
Parma vor 8 Monaten 20 20
9
Flakon
4
Sillage
6
Haltbarkeit
7.5
Duft
New Green
Ein grüner Duft von Kurkdjian. Damit liegt er voll im Trend. Hier zitrisch, frisch und durchaus neu interpretiert im Rahmen seiner cologneartigen Aqua-Reihe.

Zuallererst: Ich finde, es ist ein sympathischer, charmanter, unbeschwerter und sehr unkompliziert zu tragender Duft. Frisch, luftig, in seiner Zitrik leicht ungewöhnlich und vom Tragegefühl her mit einem modernen Eau de Cologne vergleichbar. Ich mag ihn, habe aber auch ein paar Kritikpunkte.

Auf der positiven Seite steht der grüne Ton. Ich empfinde ihn als neuartig, da er sich in meiner Wahrnehmung aus einem Mix aus Ginger (bitter-fruchtig), Mandarinenschale (die innenliegende Seite, d.h. überwiegend bitter, aber auch mit ein paar daran hängenden Fruchtfetzen), gezuckerten Weingummi-Apfelringen und einem Limetten-Raumspray zusammensetzt. Ich erhalte einen saftig-bitterzitrisch-fruchtigen, süßlich-prickelnden, minimal wässrigen und gleichzeitig leicht künstlichen Eindruck. Die Marke gibt als Bestandteile Bergamotte, Eisenkraut, süßen Fenchel, Hedion sowie einen „matcha tea-woody musk accord“ an, aber Teeartiges entfaltet sich bei mir kaum. Wenn ich allerdings an einem Fenchel-Teebeutel rieche, erkenne ich sein Geruchsprofil wieder, jedoch deutlich gesüßt und nicht so herb wie im Original. Einen bitteren Grüntee-Ton vermerke ich ebenfalls nur äußerst abgeschwächt. Dazu überdeckt die moderate, aber doch präsente, zuckrige Ethylmaltol-Süße zu viele seiner charakteristischen Eigenschaften. Fast geruchsloser Moschus und das leicht jasminhafte Hedion arbeiten mit einer transparenten Durchlüftung dagegen an und gleichen viel aus.

In seiner Aura erinnert er mich etwas an die ungewöhnlich zitrisch-grünfruchtig-wässrigen Duftbilder eines ‚Verveine Cactus‘, ‚Cactus Garden‘ oder auch mit Abstrichen ‚Pacific Chill‘ (dort mehr orangig-pfirischhaft ausgerichtet, hier zitronig-bitter). Gefällig bleibt er vor allem aufgrund seiner merkbaren Zuckerung, die ihn mir recht schnell einen Tick zu süß werden lässt. Und damit bin ich bei den Kritikpunkten: Mir hätte die konsequente Beibehaltung der grundsätzlich herb-frischen Ausrichtung besser gefallen. Zudem missfällt mir im Verlauf die merkbar synthetische Anlage des Dufts. Durch eine sehr runde und ausgewogene Komposition fällt dieser Nachteil nicht zu stark ins Gewicht, aber analog zur Süße für mich doch ein bisschen zu sehr. Als letzten Kritikpunkt möchte ich anfügen, dass mir der Duft bei aller Wertigkeit der Inhaltsstoffe etwas zu glattgeschliffen, zu beliebig daherkommt. Es fehlt Markanz. In dem Sinne, dass er sich schnell „pointless“ anfühlt. Das zu Beginn anregende Thema wird nicht unterfüttert und läuft uninspiriert aus. Wie das Gefühl nach einem interessanten Filmauftakt, wenn man auf die spannende Entwicklung der Geschichte wartet, um dann irgendwann festzustellen, dass da kein Höhepunkt mehr kommt. Er plätschert so halbinteressant vor sich hin. Schöne Landschaftsaufnahmen und schöne Menschen halten einen bei der Stange, aber der richtige Kick fehlt. Das Herausstellen einer weiteren Note hätte ihm eventuell gut getan, denn Fenchel ist in meiner Nase ein blasser, wenig substanzieller Bestandteil. Allerdings reiht er sich mit seiner transparenten, frischen Anlage passend in die Aqua-Reihe ein und ich halte ihm zu Gute, dass er ihr eine neue Facette beifügt.

Abschließend zum thematischen Überbau der Marke: Dieser scheint mir, mit dem Bezug der grünen Farbe als mittlerem Element der Regenbogenfarbpalette und der ihr zugeschriebenen ausgleichenden Charakteristik, recht weit hergeholt. Eine gewisse Ausgeglichenheit kann man dem Duft aber attestieren.

Fazit:
Ein netter, gut gemachter Sommerfreshie mit eigener, durchaus neuer DNA, der mir aber nach interessantem Beginn zu gleichförmig und unspannend verbleibt.
20 Antworten
Parma vor 8 Monaten 11 22
9
Flakon
5
Sillage
7
Haltbarkeit
7.5
Duft
Für mich soll's rote Rosen regnen
An Cartier und Matilde Laurent schätze ich, dass sie besonders in ihren Exklusiv-Reihen viel Wert auf die Qualität der Inhaltsstoffe und vor allem in der Les Èpures-Reihe auf eine starke Naturnähe legen sowie auf moderne, drängende, vollsynthetische Aromabausteine verzichten (unaufdringliche werden allerdings schon verwendet!). Ihre Düfte zeichnen sich durch eine allen Moden trotzende Zeitlosigkeit aus. Da ist nichts aufgesetzt, nichts auf vordergründige Effekte ausgerichtet, die Sillage nicht übergriffig und man riecht elegant und angenehm.

Hier im Speziellen nach einer saftigen - aber nicht fleischigen -, leicht säuerlichen Rose samt Stengel und Blättern. Prallrot und zart weinhaft-fruchtig. Keine frische, helle Mairose, sondern eine Damaszenerin in voller Blüte. Einfach gehalten und trotz ihrer Dichte feingliedrig und verblüffend naturnah. Mehr braucht es nicht. Das reißt wahrscheinlich kaum eine*n von den Sitzen, aber man bleibt äußerst angenehm in Erinnerung.

Der Rosenduft, an den er mich am meisten erinnert, ist ‚La Fille de Berlin‘. Ihre säuerlich-saftigen, weinhaften Töne sind vergleichbar. Im Unterschied ist der Drydown des Lutens-Dufts deutlich kompakter, süßer und in meiner Nase auch leicht künstlich wirkend. Dafür kommt er lebendiger, prickelnder und frecher rüber als der traditioneller angelegte Cartier. Somit passt er eigentlich besser zum wunderbaren Hildegard Knef-Chanson. Aber ich finde den Titel so schön und tiefrot sind beide Protagonistinnen.

Abschließend zur Preisgestaltung: Natürlich liegt die jenseits von Gut und Böse. Wenn ich allerdings die Qualität dieser Rose mit anderen vergleiche, ist zumindest die Tendenz nachvollziehbar.

Fazit:
Kein Test-Muss, dazu ist er in meinen Augen zu unspektakulär, jedoch sicher einen Blick wert für alle, die natürliche und qualitativ hochwertige Solo-Rosen schätzen.
22 Antworten
Parma vor 8 Monaten 14 22
9
Flakon
6
Sillage
6
Haltbarkeit
7.5
Duft
Detailblindheit hilft manchmal
Neil Chapman schreibt in seinem Buch ‚Perfume‘ über die himmlische Reinheit der Magnolie: „… is almost impossible to replicate in perfume“ (121). Solch eine Aussage triggert mich. Wenn sich dann jemand wie Matilde Laurent mit der Freiheit einer Hausparfumeurin bei Cartier (keine Markttests, unabhängig von Modetrends, sicher ansehnliches Budget, Ausbildung bei Guerlain) und dem Zugriff auf die Duftstoffpalette von IFF an die Arbeit macht und diese Blume nachbildet, durfte ich gespannt sein. Vor allem, wenn man weiß, dass die Les Épures-Reihe, in der Pur Magnolia veröffentlicht wurde, ein langgehegtes Wunschprojekt von ihr war und ist, in dem sie die „unverstellte, natürliche Schönheit“ der ausgewählten Protagonistinnen zeigen möchte (Les Nez „The Big Book of Perfume“, 112). Und noch gespannter, da sie meiner Meinung nach mit ‚Pur Muguet‘ den naturalistischten und schönsten Maiglöckchenduft geschaffen hat, den es auf dem Markt gibt. Das liegt die Messlatte entsprechend hoch.

Warum sie aus meiner Sicht am Ende daran scheitert, versuche ich im Folgenden möglichst schlüssig darzulegen, denn meine Eindrücke zu diesem Duft sind zwiespältig.

Zum einen sehe ich eine wunderbar abgestimmte Komposition mit überwiegend hervorragenden Inhaltsstoffen. Zum anderen sehe ich aber einen mangelnden Naturalismus und die zu große Tendenz in Richtung einer Designer-DNA.

Aber von Beginn an…

Meine ersten Eindrücke waren folgende: taufrisch, facettenreich, sensibel, lebendig und naturalistisch. Ein unheimlich schöner, klarer und erhebender, frischer Blumenduft. Anlass auf wirklich Schönes zu hoffen.

Zusammen setzt sich dieses Bild aus einer eher ungewöhnlichen Fruchtnote, die frisch, transparent, leicht wässrig und minimal säuerlich ist, sowie etwas Süße in sich trägt. Leicht honighaft. Am ehesten erinnert sie mich an eine Mischung aus einer Birne und der Kreuzung aus Wasser- und Honigmelone. Die Frische entspringt dabei der typisch dezenten Wässrigkeit der Bestandteile sowie der leichten Säuerlichkeit der Birne. Die unzuckrige Süße aus dem jeweiligen Fruchtfleisch. Sie verleihen dem Duft etwas Unverbrauchtes und sehr Lebendiges. Zudem sollen damit sicherlich die süßen und frischen Facetten der Magnolie realisiert werden. Hier zeigt sich jedoch schon die Tendenz, es mit dem Naturalismus nicht so genau zu nehmen. Denn die Fruchtnoten sind zu deutlich auszumachen, als dass sie als etwas Blumenimmanentes durchgehen würden. Für sich genommen wirken sie allerdings äußert natürlich und wertig.

Im Übergang zur blumigen Herznote mag dann Lotus als Brücke dienen, dessen wässrige, fruchtig-süßliche Konsistenz viel von den Eigenschaften der Kopfnote aufweist, aber auch den lieblich-blumigen Aspekt beinhaltet und durch eine grüne Nuance die zusätzlich dezent herbe Charakteristik der floralen Note unterstützt. Denn der Blumeneindruck vereinigt neben Frische und Lieblichkeit auch eine leichte Strenge, welche ihm neben aller unbeschwerten Transparenz einen Tick erwachsene Ernsthaftigkeit verleiht. Entgegen der sicher aus Marketinggründen (Unterstreichung des Les Épures-Charakters) sehr knapp gehaltenen Notenangabe („Magnolie“), generiert sich die Herznote für mein Gefühl aus der Zusammenstellung mehrerer blumiger Noten. Da wäre zum einen das Maiglöckchen, welches einen deutlich frischgrünen und leicht herben Ton beisteuert. Dann meine ich auch etwas abgeschwächt eine frische Rose und Freesie zu erkennen. Zudem tragen vermutlich Jasmin und vielleicht Ylang-Ylang etwas zur zarten Süße bei. Das ist aber so gut verwoben, dass gemeinsam mit der Melonen-Birnen-Fruchtigkeit der ungefähre Eindruck einer Magnolie entsteht. Sehr zart und transparent gehalten, meilenweit entfernt von plakativen Designer-fruity-florals.

Unterlegt werden Kopf- und Herznote schließlich von einem shampoohaften Moschus, der umsichtig und fein dosiert ist (ebenfalls im Unterschied zu vielen Designerdüften aus regulären Reihen) und mich in seiner Konsistenz an frische gewaschene, noch feuchte Haare erinnert, die ein bisschen quietschen, wenn man sie durch die Finger gleiten lässt. Dieser Eindruck wiederum schließt den Kreis zur leicht wässrigen Charakteristik der Kopfnote und verleiht dem Duft eine deutliche Diffusität und Attraktivität. So angenehm dieser Effekt ist, so sehr unterläuft er allerdings den Naturalismus des Magnolienausdrucks.

Bis hierhin hätte der Duft von mir eine deutlich höhere Bewertung erhalten, aber der Moschus entwickelt sich im weiteren Verlauf in eine Waschmittelrichtung, die ihn endgültig aller Natürlichkeit beraubt und auch einen deutlichen Bogen in Richtung profaner Designerdüfte schlägt. Das ist schade, wird dem Anspruch der Serie bzw. generell einer exklusiven Reihe nicht gerecht und erscheint mir unnötig. Das ist Jammern auf hohem Niveau, denn zum großen Teil ist der Duft sehr wertig und kompositorisch über jeden Zweifel erhaben, aber zu dem aufgerufenen Preis und dem damit verbundenen Exklusivitätsgedanken passt das meines Erachtens nicht.

Aus meiner Sicht ist er der mainstreamorientierteste Duft der Reihe und wird auf der markeneignen Homepage auch als populärster dieser gekennzeichnet. Das überrascht mich nicht.

Diese Kritikpunkte nehmen ihm aber nichts von meiner Grundfaszination. Mit der – leicht übersteuerten – Fruchtnote und der Blumennote steht ein außergewöhnliches Grundgerüst, welches durch eine andere Basiswahl sehr viel naturalistischer hätte gestaltet werden können. Und eingedenk der Einschätzung Neil Chapmans, dass die Nachbildung einer Magnoliennote schwierig ist, gelingt das Matilde Laurent daher über weite Strecken ausgesprochen gut, v.a. wenn mein Eindruck stimmt, dass hier kein Magnolien-Absolue verwendet wurde, sondern eine Konstruktion durch Akkorde erfolgte.

Hin und wieder erwischt mich allerdings – wenn ich den Duft schon vergessen habe – innerhalb der ersten sechs Stunden ein leichter Schwall dieser unglaublich taufrisch-lieblichen Blumigkeit, und dann denke ich, dass ich ihn doch höher bewerten müsste. Dann erscheint es mir – und das kann sicher jede*r Parfumenthusiast*in gut nachvollziehen – , dass durch zu viel Analyse und Konzentration aufs Detail der Blick auf Schönheit verstellt bzw. zum Teil verstellt wird. Man sollte vielmehr versuchen, das Gesamtbild zu sehen, so wie es wahrscheinlich jemanden erreicht, der den Duft im Vorbeigehen wahrnimmt. Aber das ist natürlich so gut wie unmöglich.

Fazit:
Ein grundsätzlich wunderbar feingliedriger, lebendiger, taufrischer Magnolienduft, bei dem man nicht so sehr ins Detail gucken sollte, da sich dort der Zauber etwas verliert. Und den man nach etwa 4-5 Stunden wieder auffrischen sollte, um den „Waschmittelgang“ zu umgehen. Aber sehr gut duften tut man damit auf jeden Fall und für Magnolienliebhaber*innen bzw. Liebhaber*innen frischer Blumendüfte ist er sicher einen Test wert.
22 Antworten
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