Positron

Eine oftmals als ordinär gescholtene Schöpfung dieses exzentrisch ausgerichteten Hauses. Vermutlich ist dies dem Umstand geschuldet, dass in diesem Fall erstmals ein (scheinbar) harmloses, betont jugendliches Vielzeck-Wasser in ein YSL-Sortiments für reifere, distinktive Herrschaften eingegliedert wurde.
Doch was sich hier in den ersten Momenten seiner Entfaltung als fruchtig-frisch getrimmter Ingwer geriert, ist für mein Empfinden nur Vorspiel für ein blumig-würziges, von Vetiver und Zeder "geerdetes" Herz, das ich tatsächlich mit der doppeldeutigen Vokabel "pikant" belegen würde.
Denn sobald der weiße Pfeffer zu zünden beginnt, mündet die Bergamotten-Ingwer-Note allmählich in etwas, das ich mit dem Geruch eines Schlafzimmers nach einer wilden Nacht assoziiere. In der dritten Stunde komplettieren die Veilchenblätter mit einem schrägen, geradezu "dreckigen" Aufleuchten das würzige Techtelmechtel von Pfeffer und Basilikum. Sie kommen aber erst auf erwärmter Haut so richtig zum Tragen, und selbst die ständig mitschwingende Tonka-Süße rückt dann in den Hintergrund.
Wer L´Homme bei 15 Grad aufwärts zu tragen pflegt, wird zudem bemerken, dass die ansonsten sehr mäßige Projektion ein wahrnehmbares Maß erreicht. Um eine verhältnismäßig großzügige Dosierung kommt man zwar selbst dann nicht herum, erfreut sich aber immerhin an einer Präsenz, die auf meiner Haut 12 Stunden währt.

Alles in allem ein sehr französisches Parfum, das wegen seiner raffinierten, hintergründigen Leichtigkeit zu vielerlei Anlässen tragbar und für Liebhaber blumig-würzig-holziger Düfte sehr zu empfehlen ist.

Eine orangehäuptige Liebligkeit, die ich mir bedenkenlos zulegen würde - um anschließend eine dazu passende Herzdame zu wählen.

Löschwasser für die Backofen-Tage des Jahres? Oder doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein? Eau d'Orange Verte explodiert förmlich als grüne Schönwetter-Wolke und durchfliegt sein kurz beschiedenes Leben in einem limonadig-sauren Schwall aus zitrischen Früchte.
Dabei schreit das Franzosenwasser seine Farbe so schamlos heraus, dass es gar nicht in die Gefahr rückt, sich einen synthetischen Ursprungs nachrufen zu lassen. Nein, dieser Saft ist frisch gepresst und und erhält durch verbitterndes Patchouli und Eichenmoos einen klassisch maskulinen Einschlag.
Zumal die blumigen Noten im sauer-herben Nasenstechen unriechbar untergehen, fällt es mir trotz Unisex-Vermarktung schwer, eine Dame damit glücklich zu sehen.

Dieser blassblonde Egoist erscheint mir eher wie ein Fachmann im Flakon. Zuverlässig reinigt er die Persönlichkeit auch von interessanten Charakterfehler und transportiert den Nimbus eines stets korrekten Beamten, gründlich untersuchenden Arztes oder bis in die Nacht am Bildschirm hängenden Ingenieurs. Ein Duft, so emotional wie ein aufgeräumter Schreibtisch. Vernünftig und vertrauenserweckend. Nur kein Risiko beim Vertragsabschluss.

An für sich wollte ich dieses durchaus achtbare, für oben genannte Berufsgruppen sogar empfehlenswerte Wässerchen nicht schmähen. Nur kann sich ein kreativer Gemütsmensch wie ich nur schwer in seine eiskalte, pedantische Aura hüllen.

Der Kleister, für den du Samstagnacht Komplimente bekommst, weil die drei koitusfixierten Schnellschuss-Charmeure vor dir genauso rochen.

Aber kaum zu glauben welch leckere Blüten und Vanilleschoten man in einem Reagenzglas züchten kann. Ganz ungebeten schmiert man damit den anderen Honig ums Maul, kontaminiert ganze Straßenbahnwagons auf der Samstagabendfahrt zum ordinären Aufreißershuppen und versetzt all jene in Trance, die sich als Parfum-Kenner wähnen, weil sie die süßlich-klammen Absonderungen des Leichtmatrosen-Torsos vom drogerievertriebenen Achselhöhlen-Nebel zu unterscheiden mögen.
Kurzum: Le Male ist wohl die einzige Venusfliegenfalle der Welt, in deren Schlund sich die Bienchen mit bestem Gewissen hineinbegeben, gleichwohl ein Lockstoff, den man in Eingeständnis eines anhaltenden Notstands anschafft, nicht aber ausgehend vom Bewusstsein der eigenen Attraktivität.