Positron

Positron

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11 - 15 von 72
Positron vor 12 Jahren 15 5
9
Duft
Ich, auf Novocain.
Endlich ist mir wieder ein Duft passiert. Einer, der mich nicht schweigen lässt, obwohl ich im Grunde nichts fachlich Erhellendes zu sagen habe. Aber wann ist es mir jemals um das Durchdeklinieren von Duftpyramiden gegangen?

Fangen wir also damit an, dass ich diesen Kommentar verfasse, ohne dass es abzusehen wäre, wohin mich die Inhalation eines solch entsetzlich glaubhaften Betäubungsmittel-Odors noch führt. Er verlangt weitaus mehr Geduld und Toleranz, als die bekannten orientalischen Gefälligkeiten aus Lutens Prospekten, spielt schamlos und eigensinnig mit meinen Ängsten. Gemahnt an Spritzen, die nur ganz kurz "pieks" machen, gestattet verdrängten Erinnerungen die Rückkehr aus dem Kellerloch des Bewusstseins. Wo es so riecht, ist die langfingrigen Dentistenhand nicht fern. Eine Hand, deren Latexüberzug sie zu allem befähigt.
Hilfe! Anästhesie!

Tubéreuse Criminelle verflüchtigt sich auf der Haut in beschämender Potenz, beharrt dabei aber auf seiner lichten, ätherischen Kälte und fliegt uns zu als unterschwellige, mächtige Suggestion. Das hier ist ein Stoff, der sich heimtückisch anschleicht, der dich zusammenfahren lässt, als griffe dir eine kalte Hand in den Nacken. Ein wunderbarer Graus!
Zwei Stunden sind jetzt vergangen, und kein süßes oder wohlig-blumiges Erbarmen wird erkennbar. Es riecht immer noch nach tauben Lippen und einem Termin für die nächste Vorsorgeuntersuchung.

Ein Unduft ist das, darauf lege ich mich fest. Einer wie das Neal Morrissche "Fetish." Noch "klinischer" als dieser, aber weniger sexuell.
Kann man kaum tragen. Aber man muss es lieben.
5 Antworten
Positron vor 13 Jahren 9 3
4
Duft
Adios. Para siempre.
Dieses knackige Grün, dieser stechende Pfeffer – was hätte das mit uns geben können. Eine mittelschwere 30-sekündige Sensation. Und die Fragen: Das im "Neuheitenregal?" Diese biofrische, kräuterige Gartenwürze? Neben marketinverbrämten Beliebigkeiten vom Schlage Armani Code Sport? Das riecht ganz glaubwürdig wie die Salatbar eines exquisiten Restaurants. Ölbeträufelte Blätter, Basilikum – hatschi, dachte ich. Das ist nichts für die Massen.

Doch mit einem Schlag wurde La Martina mir spanisch, als sich hinter der schneidigen, energisch-ökologischen Hülle der wabbelweiche Vanillekern enthüllte.
Nach dem Salat: Mächtiges Dessert. Ein Gourmand wie eine Fliegenfalle. Die Glücksverheißung für pubertierende Mädchen. Ja, das muss Balsam sein. So süß, breit und zäh, dass ein metaphorischer Löffel darin stecken bliebe.
Gnädigerweise eilt die Umwelt völlig unbehelligt am Träger von "Adios Pampina" vorbei. Zu zaghaft bleibt die Strahlkraft, als dass man ihm Imponiergehabe nachsagen könnte. Und dabei bezeichne ich das, was nach zwei Stunden zurückbleibt, eigentlich noch als halbwegs versöhnliches Ende. Rauchiges Benzoe, leider nur noch aufzuspüren mit pressliegender Nase auf der angesprühten Haut.

Darum: Man entnehme mein Fazit der Überschrift.

Bleib weg und komm nicht wieder! Fin.
3 Antworten
Positron vor 13 Jahren 28 7
7.5
Haltbarkeit
9
Duft
Ich will dir an den Hals.
Ich rieche deine Haut durch etwas halbdurchsichtig Weißes hindurch, schiebe den Stoff beiseite, um an deinem nachgiebigen, warmen Körperkleid zu sein. Es ist so milchig blass, so rosig rein. Und ich bin auf Reisen. Mit Nase, Mund und niedergeschlagenen Augenlidern.
Es ist der zarte, getrocknete Schweiß Deines Tages, der mich zudringlich macht, der mich lenkt. Von oben hinab und wieder hinauf, dorthin, wo ich verweilen werde – an Deinem Hals.
Hier verbindet sich Dein Hautduft mit dem leichten Odor einer Kosmetik von der naturverbundenen Sorte. Etwas Seifig-Cremiges balanciert sich aus mit dem, was wild macht. Etwas leicht Aufgetragenes, Blumig-Lichtes – nennen wir es Osmanthus. Der Schleier über dem, was Jean-Claude Ellena hier wirklich Schuf.

Ein Frauenduft. Oder die Begleiterscheinung für einen Mann, so sensitiv, dass er beim tierischen Spiel die Anmut wahrt.

Streiche "uni", setze "sex"!
7 Antworten
Positron vor 13 Jahren 11
10
Haltbarkeit
6
Duft
Amber für jedermann – oder: Ein Dandy biedert sich an.
An für sich habe ich an dieser genmanipulierten Nebenlinie meines Signaturduftes nichts zu bemängeln.

Naja, bis auf die Tatsachen, dass der Schoko-Puder als Ersatz für die orangenblumige Explosion des Originals endlich denjenigen Recht gibt, die glauben, Amber pour Homme wäre schon immer ein fehlgeleiteter orientalischer Gourmand gewesen. Oder dass die kunstvoll mit Vetiver verschleierte, unentwirrbar reiche Notenvielfalt des lila Herzens jetzt mysterienfrei als kandierte Myrrhe freiliegt. Oder dass sich die herrlich langsam herantrocknende, samt-seidige Wildleder-Basis "meines" Amber nach dem neu eingeführten Begrüßungsdessert viel zu plötzlich hergibt, um (warum auch immer) der "Intensivierung" in Form einer einsam zurückgebliebenen Vanille zu weichen.

Nun gibt es also Amber für Jedermann, mit leichter zu durchriechender Formel, etwas burschikoserer Strahlkraft, geringerem geschmacklichen Risiko, diesmal vielleicht sogar mit betriebswirtschaftlich erquickenden Prognosen – und folglich nicht für mich.

P.S.: Liebe Daniela Andrier, ich weiß, das warst nicht du.
0 Antworten
Positron vor 13 Jahren 8 2
5
Haltbarkeit
7
Duft
Verzärtelter Mozart.
Es war einmal ein Gegengift, das zu milde war, um die Intoxikation durch altbewährte Bilder heroenhafter Männlichkeit aus der Kulturgeschichte zu tilgen. Doch "Antidote" suchte und fand seine Träger im Milieu der schüchtern in die Erwachsenenwelt blickenden Wohlstandssöhne, erst recht im Kreise der Musisch-Verzärtelten und Feinnervig-Kreativen.
Zart-grün, minzig erfrischt und mit gewagter floraler Herzlichkeit umfängt Dich eine Wolke, die Kundenkreise mit dezidiert holzigem Bodenständigkeitsbedürfnis durch einen romantischen Dreisatz aus Freesie, Orangenblüte und Iris sekundenschnell verprellt.
Rund eine Stunde nach dem "Bepudern" entwickelt "Antidote" tatsächlich so etwas wie einen olfaktorischen weißen Zopf. Du vernimmst auf deinem Handrücken ein moschus-weiches, sämig-sandelnes Wispern von Aristokratie, wanderst unweigerlich in Gedanken zum Mozart-mäßigen Musikus, der Viktor & Rolfs Kampagne ein Antlitz verlieh – solch eine Eingebung ist das Klügste an diesem Duft des "schwachen" Mannes.
Ja, "Antidote" wäre vielleicht an mich gerichtet – ohne diesen allzu fluffig aufgeblähten und noch dazu reichlich früh erreichten Fond aus Zuckerwatte. Das grün-weiße Wölkchen verfliegt pünktlich zum zweiten Drittel einer Mozart-Oper, bleibt als Schemen, der offen lässt, ob du die "Vergiftung" mehrmals am Tag erneuern willst oder gleich zur haltbaren Alternative greifst.
Man findet sie im Hause Prada.
2 Antworten
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