Positron

Positron

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16 - 20 von 72
Positron vor 13 Jahren 27 5
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2
Duft
You call it success – I know, it´s self-betrayal.
Kein Bond, keine Warhol-Beweihräucherung dieser Welt verführt mich heute zum wortmächtigen Dessert – heute, hier und jetzt herrscht das nüchterne Kalkül.

Testort: Kaufhaus des Westens, Berlin.

Methode: Ein Griff, ein Sprühstoß, ein ernst gemeintes Lächeln zur Abwehr der gekünstelt schmunzelnden Verkäuferin.

Der Befund: Eine kuchige Süße, schwerstens mit Pflaumenmus angereichert. Ein nektarischer Zement, mehr Kandis als alles andere. Die Rose ringt, doch wird devot im Angstgriff der Tuberose. Was hat die nur für einen infamen Geltungsdrang?

Urteil (nach einer Stunde Mannes-Scham am menschenärmsten Flecken des heimbrummenden Doppelstock-Buses): Gourmand.
So Gourmand, dass man sich waschen will. Ich konnte nicht bis zu Ende warten. Aber der "Success" überwinterte unter Wasser, Seife und anderen Parfums, war am nächsten Tag als vanilletrunkene Ausfallerscheinung wieder zugegen, wollte Geltung – und bekam zur Strafe diesen Kommentar. Tut mir leid, wenn ich jetzt doch noch ins Emotional-Abwehrende abgeschlingert sein sollte.
20 Prozent sollen es sein. Und zur "Strafe" schmeißt mich ruhig hier raus.
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Positron vor 13 Jahren 18 3
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10
Duft
Neulich im Berghain.
Einen fünfminütigen Fußmarsch vom Ostbahnhof unserer Hauptstadt entfernt, am Ende eines Territoriums nur innerlich sanierter Plattenbauten, parken 20 Taxen im Nirgendwo. Obschon das Kerngeschäft erst am kommenden Mittag zu erwarten ist, winkt lange vor dem Morgengrauen erste Kundschaft, erachtet doch das Türpersonal jenes unbeschilderten Etablissements nur jeden zweiten exzesslüsternen Gast für einlasswürdig.
Es haben bereits besser bezahlte Journalisten darüber sinniert, nach welchem Muster dem einen nur stiernackiges Kopfwackeln beschieden war, während andere die mimisch gelähmte Türwacht (nach einer Leibesvisitation) passieren durften.
Im Inneren entledigt sich der Stammgast als erstes seiner Zivilbekleidung, faltet Jeans, Shirt und Jacke in ein Plastiktütchen, überreicht diese Rückversicherung der Zivilisation – den weiteren Weg in Ledershorts und schweren Stiefeln beschreitend – dem Garderobenheini und geht ein ins Dunkel der Kraftwerkskatakomben.

Blenden wir an dieser Stelle aus, akzeptieren aber die zigtausend Watt starke Techno-Beatline, wegen der man das "Berghain" eigentlich aufsucht, als musikalische Grundstimmung des vorliegenden Duftes.
Zur späten Rettung meines Rufs als Angehöriger kultivierter Menschenkreise sei gesagt, dass ich diese obskure Verschmelzung aus Lackleder und düsterem, stechendem Oud im Moment der ersten Inhalation mit Druckerschwärze verband. Frische Tinte auf einfachstem Papier als Resultat von geistiger Arbeit ist in meinem Falle von berufswegen mit einem Gefühl der Zufriedenheit besetzt, kann der späteren Geruchsentwicklung jedoch nicht genügend Entsprechung liefern.
Benzoe-versüßte, holzige Nuancen lichten die Finsternis zu einem Eindruck orientalischer Morgenröte, bald schon bürgen Amber und Moschus als natürliche Gegenmächte für ein Gleichgewicht mit dem pedantisch schroffem Sterillium im Kopfe.
Beinahe beängstigend scheint mir die unnachgiebige Intensität, die zur vorausplanenden Anwendung hinsichtlich folgender Arbeitstage zwingt, wie diese Ausnahmeerscheinung generell nach einer Abstimmung auf ausgewählte Ereignisse im Leben des Parfumfreundes verlangt. Am ehesten empfehle ich "Fetish" für solche Momente, wenn es einfach Not tut, das alltägliche Zusammenwirken von Gewissenszwängen und Scheinrationalität narkotisch zu ersticken – ein handlungsfähiges "Es" ist der Garant für geistige Gesundheit. Das wussten schon Nietzsche und Freud.
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Positron vor 13 Jahren 8 1
7.5
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3
Duft
Saures für böse Buben.
Ein Gucci wie ein Auslauf-"Boss", Zitrone im Kopf, biochemische Formeln im Herzen. Süß geleimtes Pressholz nur, wenn man darauf warten will. Die Orangenblüte? Eine Chimäre!
Auf der Flasche: Das Batman-Wappentier in Sturzflug-Pfeilung. Ein Bolzenschussgerät, das man lieber stecken lässt. Silber-Flachmann für Brot und Butter-Männer.
Dann schreiben wir lieber in den Namenszug, es sei für sündige Jungs und und offerieren es diesen im Roulette mit 50 Derivaten, sobald Bedarf an "etwas Frischem" besteht. Raum geben für Aufsteiger, denen das Axe zu Neige ging.
Ach, was rede ich hier um meinen Schuldspruch herum. Es gibt genügsamere Geschmäcker als den meinen. Und wenn ich wirklich jemanden treffen sollte, der "Guilty" in Würde trägt, werde ich ihn loben – weil er hiermit ganz vorzüglich sein gesundes Mittelmaß untermalt.
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Positron vor 13 Jahren 19 5
10
Duft
Nachruf auf ein Negligé.
Es war ein kühler Novemberabend, die Spitzen des Kölner Doms staken in blassem Nebel. Mich umgarnte eine schwarze, blickdurchlässige Schleppe – die Trophäe der Bestager-Bestie, deren Bett ich entstiegen war. Das Ausrufezeichen hinter dem Gedanken: "Vor einer halben Stunde gehörte dein Fleisch mir"
Wilde Orchideen in frivolem Nachtschatten-Violett. Ein Hautduft zum Ablecken, gewürzt von delikatem Schweiß. Das Zwielicht einer Altbauwohnung, erwärmt vom quarzenden Ofen. All das hatte ich noch im Sinn, während ich dieses Souvenir nach Hause trug.
"Nu", das Negligé unter den Parfums, ist tot und hat eher diese zügellose Beweihräucherung als nüchterne Notenkunde verdient.

Ein amouröser Multiplikator für Sie und Ihn, geschaffen im Hinblick auf besondere Stunden – und Tage, an denen man jeder einzelnen Minute gedenkt.
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Positron vor 13 Jahren 7 3
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9
Duft
Freibrief zur Muße.
Abdelaziz al-Bassin war das letzte Kind, dem die Gemahlin des Regenten das Leben schenkte. Und da die Thronfolge dem Erstgeborenen Rashid oblag und alle Ämter des Staates in den nachfolgenden Sprösslingen respektable Erben finden würden, erging sich Abdelaziz in jener seltenen Lebensweise, die in seinen langwimprigen, weitläufig dahingeschwungenen Augen versprochen lag.

Nur ihm hatte man die Erlaubnis zur Muße erteilt. Nur ihm stand es frei, sich in die Künste hineinzuträumen, zu lernen, was man beim Staatsakt nicht braucht. Bald schon reizten den schwarzlockigen Zärtling seine Studien zum Aufsetzen eigener Verse. Und jede Nacht, wenn die weißen Sichel im Himmelsschwarz ihre Bahn bestieg, leuchtete eine Lampe auf die Schnörkel alter Literaten.

Es lag wenig Ruhm in diesen Neigungen, obgleich der Vater gelegentlich vorsichtige Worte des Lobes fand. Aber Unverständnis und rauer Spott vonseiten gleichaltriger Jünglinge lagen schwer auf dem weichen Gemüt. Es brauchte Jahre der Reife, da Abdelaziz Nachsicht mit den Lebenstüchtigen weit genug gedieh, um ihre Sticheleien als Furcht zu dulden.

Das Gift der virilen Gesellschaft wird zu süßem Blütenstaub, geatmet mit den Sinnen des Poeten.
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