Rebirth2014

Rebirth2014

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21 - 25 von 25
Rebirth2014 vor 9 Jahren 20 8
10
Flakon
7.5
Sillage
10
Haltbarkeit
9.5
Duft
Art Deco oder Steampunk?
Jahrhundertwende. Die Belle Epoque, die schöne Zeit, bricht an. Impressionisten bannen die moderne, industrialisierte Gesellschaft in Momentaufnahmen auf ihren Leinwänden und in literarischen Werken.

Fast parallel dazu entwickelt sich der Jungendstil, welcher in der Gebrauchskunst, als Art Deco, schon bald eine neue Ästhetik prägen wird: Kühl und dennoch verspielt, stets die Form umschmeichelnd. Wenn man einen aktuellen Duft den Attributen dieser Kunstrichtung zuordnen kann, so ist dies masculin Pluriel von Maison Francis Kurkdjian:

Nur die edelsten Rohstoffe finden im Art Deco Verwendung. Mit indonesischem Patchouli oder haitianischem Vetiver wird diesem Grundgedanken bereits Rechnung getragen.

Der Auftakt beginnt jedoch, sich vor einem klassischen Fouchére verneigend, mit Lavendel. Auch die Ornamentik des Art Decos bedient sich klassischer Themen und Vorbilder.

Atmet man das frisch versprühte maculin Pluriel unvoreingenommen ein, so wird man sich eingestehen müssen, einen kühlen, blumigen,aber auch fast metallischen Akkord wahrzunehmen. Unermüdlich versucht nach kurzer Zeit ein erdiger, holziger Fond die Oberhand zu gewinnen. Doch dies gelingt ihm nicht. Die Kühle Struktur wird nie gänzlich aufgelöst, sondern organisch umspielt. Florale Elemente, Edelhölzer, Leder und Metall vereinen sich sowohl im Design einer Art Deco Einrichtung, als auch im grau eingefärbten masculin Pluriel.

Nostalgisch veranlagte Personen könnten sich hier bereits angesprochen fühlen. Ist damit masculin Pluriel für junge Männer tabu? Nicht die Spur! Bewegt man sich aus dem Zeitalter des Art Deco heraus, so gelingt masculin Pluriel die Transformation in die heutige Zeit; als idealisierte Wiedergeburt im Steampunk:

Auf dem Meeresboden liegt Rapture, eine Stadt, wie sie aus dem Universum von Jules Verne hätte entspringen können. Dieser Ort ist im Stil des Art Deco erbaut, wirkt kühl und metallisch. Hier wütet der Wahnsinn. Der ausgelebte Darwinismus brachte die gesellschaftliche Ordnung zu Fall. Seren, die Plasmide genannt werden, bewirken genetische Mutationen. Der Held greift zu Plasmiden und Waffen, um sich durch ein surreales, viktorianisches Szenario zu kämpfen. Hier stellt masculin Pluriel den duftenden Soundtrack bereit. Luxus, metallische Struktur, organische Ornamentik – das ist Rapture und abermals masculin Pluriel.

Die künstlerische und dichte Atmosphäre von Rapture (aus dem Computerspiel Bioshock) entspringt der Kunstströmung des sogenannten Steampunk, einer inhaltlichen Mischung aus Science Fiction und Fantasy. In der Optik der viktorianischen Zeit und des Art Deco gehalten, erzielt der moderne Steampunk oft eine eigenständige und grandiose künstlerische Qualität.

Sowohl Steampunk, als auch Art Deco - Masculin Pluriel kann als Neuinterpretation oder Nostalgie verstanden werden. Die künstlerische Aura liegt nach meinem Empfinden auf höchstem Niveau. Persönlich ist dies mein absoluter Lieblingsduft. Die synthetische Distanz und die holzige, erdige Geborgenheit schaffen einen wohltuenden Spannungsbogen. Ein meisterhaftes Kunstwerk!
8 Antworten
Rebirth2014 vor 9 Jahren 5 1
7.5
Flakon
5
Sillage
2.5
Haltbarkeit
6
Duft
Authentisches Konzept
Lange Zeit war ich auf der Suche nach Essenzen, die gänzlich auf synthetische Duftstoffe verzichten. Während meiner Suche nach einzelnen, reinen Duftölen und natürlichen Räuchermischungen bin ich auf die Firma Farfalla gestoßen. Dabei entdeckte ich das Eau Fraiche „Uomo“.

Von einem krautig, grünen Fond hebt sich die Minze und Zitrone deutlich ab. Tiefgang darf man von dem Duft nicht erwarten, aber in die „Öko-Latschen-Ecke“ würde ich „Uomo“ auch nicht abdrängen wollen. Für wenig Geld wird hier wirklich eine angenehme olfaktorische Erfrischung für heiße Tage geboten. Jedoch lehnen sich die Marketingleute von Farfalla weit aus dem Fenster, wenn sie „Uomo“ für Nachtschwärmer empfehlen und allein dem männlichen Geschlecht zuordnen wollen. Dabei braucht es so eine überzogene Werbebotschaft nicht, da gerade im Sommer, nach dem Duschen, oder zum Relaxen in der Sauna das Duftwässerchen garantiert seine Zielgruppe findet.

Die natürlichen, schwach konzentrierten Duftstoffe halten nicht sonderlich lange auf der Haut. Der Wandel ist unspektakulär. Wie Apicius schon schrieb, bleibt eine leichte zart-bitter Note erhalten. Im Übergang, mit dem Minzeinfluss, erinnert mich der Drydown stark an „After Eight“. Das ist nicht negativ gemeint, sondern spricht wieder für die Natürlichkeit.

Ebenfalls sollte erwähnt werden, dass der Alkohol bei Farfalla nicht vergällt wird. Das merkt man direkt beim ersten Geruchstest. Hier riecht nichts stechend, synthetisch oder chemisch. Assoziationen zu Fruchtstäbchen, Eistee oder Schokolade sprechen für sich: Ein appetitlicher Mix.

Dieses Produkt mit herkömmlichen Designerdüften zu vergleichen, wäre nicht fair. Bei mir war „Uomo“ ein Begleiter auf langen Wanderungen im Sommer. Der erfrischende Geruch konkurrierte nicht mit den duftenden Wäldern und taufrischen Wiesen, sondern harmonierte in seiner Natürlichkeit mit der Umgebung. Wenn ihn dies dann doch zum „Öko-Duft“ machen sollte, ohne das Klischee vom bärbeißigen, vollbärtigen, in Öko-Latschen herumstolpernden, kiffenden Späthippie zu bedienen, dann soll es mir Recht sein. So ist es weder eine Adlung, noch eine Abwertung. Es beschreibt ein Konzept, das bis auf die Werbebotschaft authentisch bleibt.
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Rebirth2014 vor 9 Jahren 8 3
10
Flakon
5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
6.5
Duft
Schnee, der auf Zedern fällt
Eine kühle, zitrische Brise mit blumigen Anklängen weht durch den Raum, als der Reporter Ishmael auf seine Jugendliebe Hatsue trifft. Sie ist nun die Ehefrau eines japanischen Fischers, der des Mordes verdächtigt wird. Ishmael soll gerade über diesen Mordprozess berichten und weiß von Anfang an, dass hier äußerste Zurückhaltung angesagt ist. Seine Gefühle kann er jedoch nicht verbergen und so keimen in ihm zarte Erinnerungen auf, die sich in einer Aura von Vetiver und Salbei zur erneuten Leidenschaft entfachen.

Doch gerade wegen seiner Befangenheit muss er neutral bleiben und seine Gedanken neu ordnen. Schwermut zieht auf und in den tiefen Regionen seiner Gefühlswelt entdeckt er sein Verlangen nach Hatsues Liebe. Wie ein schwerer Schatten, der dem Duft von rauchiger Myrrhe gleicht, verschmilzt Wunschdenken und Realität: Soll, nein kann er an seiner Vergangenheit anknüpfen, falls ihr Ehemann verurteilt wird und ins Gefängnis kommen sollte?

Draußen liegt Schnee auf den Zedern und warme, holzige Noten ziehen ihm in die Nase; beruhigen ihn. Ishmael erdet sich und weiß fortan, dass er der Wahrheit verpflichtet ist. Auf seinen eigenen Vorteil muss er verzichten und unbedingt seine Neutralität bewahren. Seine aufrichtige Liebe zu Hatsue treibt ihn wehmütig an, selbst im Mordfall zu ermitteln. Desillusionierung und Hoffnung werden zu seinem Fluch und Segen.

Zurückhaltung, Kühle, Kontrast, eine klare Struktur und ein loderndes Herz, das ist „Schnee, der auf Zedern fällt“ - und Jil Sander Man - oder wie es eine Filmkritik aus dem Lexikon des Internationalen Films passend beschreibt: „ Außergewöhnlich behutsam inszeniert und eindrucksvoll gespielt.“
3 Antworten
Rebirth2014 vor 10 Jahren 14 5
6
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
9
Duft
Mucho perfume
Wer den Film „Buena Vista Social Club“ gesehen hat, der wird sich wahrscheinlich an die Szene erinnern, in der Ibrahim Ferrer vor seinem kleinen Hausaltar steht und dem Filmteam freudig erklärt, dass er diesen regelmäßig mit Parfum einsprühen würde. Er lächelt schelmisch und fügt hinzu, es müsse „mucho perfume“, also stark parfümiert sein. Nicht sonderlich überraschend gesteht er wenig später, selbst auch dieses Parfum zu benutzen; wenn er ausgeht.

Sowohl das Kino, als auch der heimische DVD-Player können das Dufterlebnis leider nicht vermitteln und es stellt sich die Frage: Welchen Duft verströmt wohl dieses Parfum?

Riecht das Parfum nach einem klassischen Rasierwasser? Ist es vielleicht in der Kopfnote frisch und stechend? Stellen wir uns einfach vor, es liegt nach einer Weile ein balsamisches, krautiges Bukett in der Luft. Der Duft von Gewürztabak dominiert schon bald und erzeugt eine feinherbe Aura. Bittersüß strömt der Geruch von Tonkabohne und Leder hinzu. Doch das ist noch lange nicht alles, was dieses Duftwasser zu bieten hat. Selbst blumige Akkorde streifen Dezent vorbei und werden stets von zimtig, holzigen Noten untermalt.

Die Duftwolke benebelt unsere Sinne. In diesem Rausch hören wir die sanfte Stimme von Ibrahim säuseln: „Zwei Gardenien für dich. Sie bedeuten: Ich liebe dich, ich bete dich an, mein Leben.“ Romantische Gefühle kommen auf. Wir denken daran uns zu verabschieden, um unsere Liebste zu besuchen, doch mit dem Schalk im Nacken treibt Ibrahim uns schon durch die Gassen von Havana. Die Sonne glüht rot am Horizont und verstärkt die Pastellfarben der ehemals stattlichen Häuser. Aus einer Bar erklingt Tanzmusik, unzählige Limousinen aus der Zeit vor der Revolution fahren knatternd an uns vorbei und all diese Reize vereinen sich zu einer wuchtigen Mixtur. Es haut uns sprichwörtlich aus den Schuhen.

Das ist keine alltägliche Erfahrung und ich weiß genau, dass der ein oder andere Leser sich nun schon auf das Fernsehen der vierten Dimension freut. Aber warum warten? Diesen Duft gibt es bereits in einer Neuauflage von Aramis: „Havana“. Jetzt nur noch die DVD in den Player legen, eine sehr geringe Menge „Aramis Havana“ auf den Nacken sprühen und genießen. Doch vorsicht! Selbst bei der geringsten Menge ist man schon „mucho perfume“ - die Menge macht das Gift. ;-)

Bleibt nur zu hoffen, dass meine Assoziation uns nicht alle narrt und Ibrahim in Wirklichkeit 4711, echt kölnisch Wasser, versprühte. Nun gut, wer Mythen mag, der wird sich ohnehin bei Creed bedienen. Aramis Havana ist jedoch ein bodenständiger, klassischer Duft, der auch ganz ohne Mythos zu überzeugen weiß.
5 Antworten
Rebirth2014 vor 10 Jahren 10 1
7.5
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
5
Duft
Requiem für einen Duft
1989, endlich den Autoführerschein und damit ein gutes Stück Freiheit in der Tasche. Ebenfalls verdiente ich nun mein erstes eigenes Geld und fühlte mich entsprechend unabhängig. Eine Tür ging auf und die Welt lag mir scheinbar zu Füßen, forderte mich unablässig auf, sie zu entdecken. Erste „Expeditionen“ wurden geplant und in die Tat umgesetzt. Ob mit dem Auto spontan an die Cote D'Azur oder quer durch Schottland, jedes Abenteuer war möglich. Und dieses Gefühl unterstrich ein einzigartiger Duft, der damals diesen „Spirit“ für mich unverfälscht verkörperte: Davidoff Cool Water.

Die kühle Meeresbrise, die dieser Duft ausstrahlte, mit der warmen holzigen Basis, nahm mich sofort gefangen. Je öfter ich daran roch, desto mehr entdeckte meine ungeübte Nase: Ob nun den strengen, maskulinen Anteil vom Tabak oder die blumigen Töne des Lavendels, es fand sich immer ein Akkord, der gerade zu meiner Stimmung passte. Der perfekte Duft für mein damaliges Lebensgefühl!

All diese Emotionen nahm ich wahr, als ich 2011 in der Parfümerie stand und erneut ein Fläschchen Cool Water in den Händen hielt. Für die Erinnerung kaufte ich es noch einmal und und sprühte mich zu Hause damit ein. Doch mein Unterbewusstsein rief nun ganz andere Bilder auf, die ich wohl über eine lange Zeit verdrängt hatte. Die geliebte kühle Meeresbrise, welche in den letzten 20 Jahren von so unendlich vielen Billigmarken kopiert wurde und neben dem abgestandenen Schweißgeruch zum Wiedererkennungswert jeder Muckibude mutierte, stach mir gnadenlos in die Nase. Aalglatte Verkäufer, seriöse Lehrer, kernige Bauarbeiter, jugendliche Hip-Hopper – alle rannten sie an meinem geistigen Auge vorbei und fragten: Quo Vadis? Ja, welchen Weg bist du gegangen, mein liebes Cool Water?

Mit deutlicher Anstrengung versuchte ich noch einige der vielfältigen Untertöne aufzunehmen. Doch immer wieder stand da diese gewaltige, fast isolierte, mentholige Meeresbrise im Weg und verhinderte das Eindringen in die tiefere Regionen. Ganz klar, Cool Water hatte im letzten Jahrzehnt seine Seele verloren: Unschuldig, doch dem Zeitgeist und Mainstream geopfert. Nicht umsonst war ich in den 90ern davon gelangweilt und fand in Aramis Havana eine neuen Begleiter. Ich schob es damals auf das Älterwerden. Erst jetzt ist mir klar geworden, dass ich meine Individualität einfach nicht aufgeben, nicht der Metamorphose des kühlen Wassers folgen wollte und sich deshalb mein geliebtes Eau De Toilette verduften musste.

In Erinnerung an meine Jugend und dem einzigartigen Konzept des Parfümeurs, müsste ich Davidoff Cool Water eine 100% Wertung geben. Doch ich werde es wahrscheinlich nie wieder benutzen können, da die penetrante Meeresfrische nur noch Ekel bei mir aufkommen lässt. Einen gut durchgekauten Kaugummi würde man eben auch nicht erneut in den Mund nehmen wollen. Damit gehen 50% verloren und 50% bleiben erhalten. Gehe nun ehrenvoll und ruhe sanft, mein Cool Water.
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