
Sapho
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Detailliert
Ein kongenialer olfaktorischer Roman
Meister und Margarita soll das Lieblingsbuch von Teone Reinthal sein. Es ist
auch eines meiner Lieblingsbücher. Deswegen war ich sehr froh, als ich von
JonasP1 unerwartet eine Probe von Bulgakov bekommen habe, vielen Dank dafür.
Meister und Margarita ist ein sehr komplex strukturierter Roman, der auf drei
Ebenen spielt, die miteinander zwar innerlich verbunden sind, aber auch
voneinander unabhängig existieren. Die Sprache, die Erzählweise und die Stimmung
sind auf allen drei Ebenen des Romans unterschiedlich. Der Grundakkord, der
alles zusammenhält, sind die menschlichen Gefühle. Meister und seine Gefährtin
verbindet die Liebe, Pontius Pilatus kämpft mit der Angst und die Moskauer
Gesellschaft der Dreißigerjahre ist von Neid und Gier zerfressen. Dieser
komplexe Aufbau des Romans spiegelt sich in der Entwicklung des Duftes von
Teone Reinthal wider. Die Liste der Duftnoten scheint zu umfangreich und
verworren zu sein. Allerdings erweist sich der Duft sehr wohl als durchdacht
komponiert. Am Anfang merkt man leicht bittere und dunkle Noten von Anis und
Zistrose, denen sich sogleich Bibergeil hinzugesellt. Normalerweise benutzt Teone
Reinthal rein natürliche Duftnoten, hier macht sie aber eine Ausnahme und dies
äußerst souverän. Bibergeil ist eine animalische Note. Mir scheint, daß bei
Parfumo der Begriff 'animalisch' eher negativ konnotiert ist. Ich verwende ihn
hier bewusst für etwas anziehendes, liebevolles, tiefes. Als nächstes folgt eine
Herznote, nein, eine ganze Herz-Ebene. Rose und Jasmin, beide tief, dunkel und
geheimnisvoll, wohl wegen des Oud. Lavendel kommt vorbei und gesellt sich zu
Anis, beide verbindet eine enge Freundschaft. Diese Ebene wirkt wie ein Fest,
opulent, dekadent und verschwenderisch. So etwas wie 'The City of the Plague'
von J. Wilson. Man tanzt auf dem Vulkan, verliert sich in mancherlei Varianten
von Oud, ruiniert seine Gesundheit mit Rauchen und markiert fremde Territorien
mit Moschus. All dies wirkt absolut berauschend. Langsam verlöschen die
Kandelaber und wir erreichen die dritte Ebene. Man geht mit Meister und
Margarita zu einem kleinen Haus aus Sandelholz, müde am Ende einer langen Reise
und wunschlos. Nur enge Freunde kennen den Weg dorthin, hier herrscht ewige
Ruhe. Ein großartiger Duft zu einem großartigen Roman.
auch eines meiner Lieblingsbücher. Deswegen war ich sehr froh, als ich von
JonasP1 unerwartet eine Probe von Bulgakov bekommen habe, vielen Dank dafür.
Meister und Margarita ist ein sehr komplex strukturierter Roman, der auf drei
Ebenen spielt, die miteinander zwar innerlich verbunden sind, aber auch
voneinander unabhängig existieren. Die Sprache, die Erzählweise und die Stimmung
sind auf allen drei Ebenen des Romans unterschiedlich. Der Grundakkord, der
alles zusammenhält, sind die menschlichen Gefühle. Meister und seine Gefährtin
verbindet die Liebe, Pontius Pilatus kämpft mit der Angst und die Moskauer
Gesellschaft der Dreißigerjahre ist von Neid und Gier zerfressen. Dieser
komplexe Aufbau des Romans spiegelt sich in der Entwicklung des Duftes von
Teone Reinthal wider. Die Liste der Duftnoten scheint zu umfangreich und
verworren zu sein. Allerdings erweist sich der Duft sehr wohl als durchdacht
komponiert. Am Anfang merkt man leicht bittere und dunkle Noten von Anis und
Zistrose, denen sich sogleich Bibergeil hinzugesellt. Normalerweise benutzt Teone
Reinthal rein natürliche Duftnoten, hier macht sie aber eine Ausnahme und dies
äußerst souverän. Bibergeil ist eine animalische Note. Mir scheint, daß bei
Parfumo der Begriff 'animalisch' eher negativ konnotiert ist. Ich verwende ihn
hier bewusst für etwas anziehendes, liebevolles, tiefes. Als nächstes folgt eine
Herznote, nein, eine ganze Herz-Ebene. Rose und Jasmin, beide tief, dunkel und
geheimnisvoll, wohl wegen des Oud. Lavendel kommt vorbei und gesellt sich zu
Anis, beide verbindet eine enge Freundschaft. Diese Ebene wirkt wie ein Fest,
opulent, dekadent und verschwenderisch. So etwas wie 'The City of the Plague'
von J. Wilson. Man tanzt auf dem Vulkan, verliert sich in mancherlei Varianten
von Oud, ruiniert seine Gesundheit mit Rauchen und markiert fremde Territorien
mit Moschus. All dies wirkt absolut berauschend. Langsam verlöschen die
Kandelaber und wir erreichen die dritte Ebene. Man geht mit Meister und
Margarita zu einem kleinen Haus aus Sandelholz, müde am Ende einer langen Reise
und wunschlos. Nur enge Freunde kennen den Weg dorthin, hier herrscht ewige
Ruhe. Ein großartiger Duft zu einem großartigen Roman.
10 Antworten
Die Kunst der Entschleunigung
Die Erde dreht sich immer schneller und schneller. Unser Leben verändert sich
mit atemberaubender Geschwindigkeit. Manche Menschen kommen damit gut zurecht,
einige, so wie ich, dagegen ganz und gar nicht. Sie leiden an einer
Reizüberflutung, an Multitasking-Qual und einer Folter durch die Überdosierung
von Parfums durch ihre Mitmenschen. Um dem zu entfliehen, bemüht man sich, mit
der Menschenmasse zu verschmelzen, sich mit ihr zu identifizieren, aber es
gelingt nicht. Und so bleibt nichts anderes übrig, als sich eine eigene Nische
zu suchen, eine Eremitenklause. Ein Kämmerchen, das einem erlaubt, man selbst zu
bleiben. Man nimmt sein Lieblingsbuch von Murakami mit, eine CD mit einer
Mozart-Oper und natürlich ein gutes Parfum. Und da könnte die Wahl auf T&S
fallen, ein Parfum für einen intimen Rahmen wie ein Kammerspiel, mit wenigen
Duftnoten auf der Bühne, ohne Statisten und aufwendige Kulissen. Die wenigen
Akteure sind präsent und aufeinander eingespielt. Es gibt keine Haupt- und
Nebenrollen, alle begegnen sich auf Augenhöhe. Als erstes wird eine überreife
und unsüße Johannisbeere zu Cassis vergoren, dann treten Gewürze hinzu: eine
Prise Zimt, Anis und Kardamom, ein Hauch von Nelke und Duftwicke. Nachdem sie
ihren Auftritt hatten, verbeugen sich die Gewürze und treten zurück. Nun kommt
ein feines, samtiges Wildleder, hält seinen Monolog und räumt den Platz für
Osmanthus, der, ganz leicht fruchtig, gibt dem Ganzen eine minimal holzige Note
und harmoniert perfekt mit erdigem Patchouli. Das ganze Aktion entwickelt sich
langsam, unaufgeregt und sehr behutsam.
Keiko Mecheri selbst soll über T&S gesagt haben, daß dieser Duft den Wunsch
ausdrücke, wahrgenommen zu werden, dabei aber authentisch, treu zu sich selbst
und bodenständig zu bleiben. Dieses Parfum ist dabei, wie viele ihrer anderen
Düfte, eher leise und zurückhaltend, und wird so dem Anspruch gerecht,
wahrgenommen zu werden ohne aufzufallen.
mit atemberaubender Geschwindigkeit. Manche Menschen kommen damit gut zurecht,
einige, so wie ich, dagegen ganz und gar nicht. Sie leiden an einer
Reizüberflutung, an Multitasking-Qual und einer Folter durch die Überdosierung
von Parfums durch ihre Mitmenschen. Um dem zu entfliehen, bemüht man sich, mit
der Menschenmasse zu verschmelzen, sich mit ihr zu identifizieren, aber es
gelingt nicht. Und so bleibt nichts anderes übrig, als sich eine eigene Nische
zu suchen, eine Eremitenklause. Ein Kämmerchen, das einem erlaubt, man selbst zu
bleiben. Man nimmt sein Lieblingsbuch von Murakami mit, eine CD mit einer
Mozart-Oper und natürlich ein gutes Parfum. Und da könnte die Wahl auf T&S
fallen, ein Parfum für einen intimen Rahmen wie ein Kammerspiel, mit wenigen
Duftnoten auf der Bühne, ohne Statisten und aufwendige Kulissen. Die wenigen
Akteure sind präsent und aufeinander eingespielt. Es gibt keine Haupt- und
Nebenrollen, alle begegnen sich auf Augenhöhe. Als erstes wird eine überreife
und unsüße Johannisbeere zu Cassis vergoren, dann treten Gewürze hinzu: eine
Prise Zimt, Anis und Kardamom, ein Hauch von Nelke und Duftwicke. Nachdem sie
ihren Auftritt hatten, verbeugen sich die Gewürze und treten zurück. Nun kommt
ein feines, samtiges Wildleder, hält seinen Monolog und räumt den Platz für
Osmanthus, der, ganz leicht fruchtig, gibt dem Ganzen eine minimal holzige Note
und harmoniert perfekt mit erdigem Patchouli. Das ganze Aktion entwickelt sich
langsam, unaufgeregt und sehr behutsam.
Keiko Mecheri selbst soll über T&S gesagt haben, daß dieser Duft den Wunsch
ausdrücke, wahrgenommen zu werden, dabei aber authentisch, treu zu sich selbst
und bodenständig zu bleiben. Dieses Parfum ist dabei, wie viele ihrer anderen
Düfte, eher leise und zurückhaltend, und wird so dem Anspruch gerecht,
wahrgenommen zu werden ohne aufzufallen.
7 Antworten
Der Duft von Blut
Das wunderbar poetische Statement von Floyd zu IE brachte mich dazu, mir
Gedanken über den Geruch von Blut zu machen. Bis dahin war mir gar nicht
bewusst, das Blutgeruch bei der Komposition von Parfums verwendet wird. Es
stellte sich heraus, dass diese Duftnote seit 2004 zur Anwendung kommt. Der
erste Hersteller war Black Phoenix Alchemy Lab. Auf ihrer Website schreibt die
Firma, dass sie bei der Kreation ihrer Parfums auf ihr Wissen um die
"konzeptionellen Theorien der hermetischen Alchemie" zurückgreife. Mir
suggeriert dies, dass Alchemy Lab über ein Geheimwissen verfügen will, das uns
gewöhnlichen Sterblichen vorerhalten bleibt, aber darüber wollen wir den Mantel
des Vergebens und Vergessens breiten. Mittlerweile sind auf Parfumo 113 Parfums
gelistet, die Blut als Duftnote enthalten. Ich gehe stark davon aus, dass es
sich um frisches Säugetierblut handelt. Warum frisch? Weil Blut recht schnell
einen Verwesungsgeruch annimmt. Dieser Geruch ist charakteristisch unangenehm
und hat mit dem von frischem Blut nichts mehr gemein. Bleiben wir bei letzterem.
Im Internet findet man eine große Anzahl von subjektiven Berichten, in denen Blut
als irgendwie "metallisch und unangenehm" riechend beschrieben wird. Manchmal
wird zusätzlich eine leicht süßliche Note erwähnt. Die wissenschaftliche
Datenlage ist dünn. Zwei Arbeiten, beide aus Schweden, erscheinen mir
erwähnenswert. In der ersten aus dem Jahr 2014 ist es gelungen, eine für den
Blutgeruch wesentliche Substanz zu charakterisieren. Es handelt sich um einen
flüchtigen Aldehyd mit der Kurzbezeichnung E2D. Der Geruch von E2D wird als
leicht metallisch beschrieben. Man hat seine Wirkung an vier verschiedenen
Raubtierarten untersucht, darunter an sibirischen Tigern. Dabei hat sich
gezeigt, dass Holzstöckchen, die mit frischem Blut oder E2D behandelt waren, den
Tieren attraktiver erschienen als unbehandelte oder mit neutralen Stoffen
behandelte Stöckchen. Im Jahr 2017 erschien in NATURE eine Arbeit, die die
Wirkung von E2D auch auf Menschen, Mäuse und Stechfliegen untersucht hat. Die
Ergebnisse erscheinen mir etwas verworren, kurz und mit eigenen Worten: Wenn wir
uns mit E2D einreiben, fliehen uns Mäuse, während Stechfliegen begeistert und in
Erwartung einer leckeren Mahlzeit zu uns geflogen kommen. Auch Wölfen und
sibirischen Tigern sollte man dieserart parfümiert besser aus dem Weg gehen.
Homo sapiens scheint den Duft als neutral zu empfinden, wenigstens haben die
menschlichen Teilnehmer an der Studie sich dahin gehend geäußert. Wir wissen
nicht, ob die blutige Duftnote von Inexcusable Evil irgend etwas mit E2D zu tun
hat und wenn ich meinen Eindruck von diesem Duft beschreiben sollte, so kommen
mir auch keine bedrohlichen Bilder von Schafott, Schlachtfeld oder Schwertkampf
vor Augen, sondern, ganz im Gegenteil, zunächst künstliche Blumen und später
eine befremdliche Note, die wohl als Jodnote gedacht war, womit wir wenigstens
im Lazarett angekommen wären, aber für mich landen wir leider eher im Abseits.
Mit Dank an Floyd
Gedanken über den Geruch von Blut zu machen. Bis dahin war mir gar nicht
bewusst, das Blutgeruch bei der Komposition von Parfums verwendet wird. Es
stellte sich heraus, dass diese Duftnote seit 2004 zur Anwendung kommt. Der
erste Hersteller war Black Phoenix Alchemy Lab. Auf ihrer Website schreibt die
Firma, dass sie bei der Kreation ihrer Parfums auf ihr Wissen um die
"konzeptionellen Theorien der hermetischen Alchemie" zurückgreife. Mir
suggeriert dies, dass Alchemy Lab über ein Geheimwissen verfügen will, das uns
gewöhnlichen Sterblichen vorerhalten bleibt, aber darüber wollen wir den Mantel
des Vergebens und Vergessens breiten. Mittlerweile sind auf Parfumo 113 Parfums
gelistet, die Blut als Duftnote enthalten. Ich gehe stark davon aus, dass es
sich um frisches Säugetierblut handelt. Warum frisch? Weil Blut recht schnell
einen Verwesungsgeruch annimmt. Dieser Geruch ist charakteristisch unangenehm
und hat mit dem von frischem Blut nichts mehr gemein. Bleiben wir bei letzterem.
Im Internet findet man eine große Anzahl von subjektiven Berichten, in denen Blut
als irgendwie "metallisch und unangenehm" riechend beschrieben wird. Manchmal
wird zusätzlich eine leicht süßliche Note erwähnt. Die wissenschaftliche
Datenlage ist dünn. Zwei Arbeiten, beide aus Schweden, erscheinen mir
erwähnenswert. In der ersten aus dem Jahr 2014 ist es gelungen, eine für den
Blutgeruch wesentliche Substanz zu charakterisieren. Es handelt sich um einen
flüchtigen Aldehyd mit der Kurzbezeichnung E2D. Der Geruch von E2D wird als
leicht metallisch beschrieben. Man hat seine Wirkung an vier verschiedenen
Raubtierarten untersucht, darunter an sibirischen Tigern. Dabei hat sich
gezeigt, dass Holzstöckchen, die mit frischem Blut oder E2D behandelt waren, den
Tieren attraktiver erschienen als unbehandelte oder mit neutralen Stoffen
behandelte Stöckchen. Im Jahr 2017 erschien in NATURE eine Arbeit, die die
Wirkung von E2D auch auf Menschen, Mäuse und Stechfliegen untersucht hat. Die
Ergebnisse erscheinen mir etwas verworren, kurz und mit eigenen Worten: Wenn wir
uns mit E2D einreiben, fliehen uns Mäuse, während Stechfliegen begeistert und in
Erwartung einer leckeren Mahlzeit zu uns geflogen kommen. Auch Wölfen und
sibirischen Tigern sollte man dieserart parfümiert besser aus dem Weg gehen.
Homo sapiens scheint den Duft als neutral zu empfinden, wenigstens haben die
menschlichen Teilnehmer an der Studie sich dahin gehend geäußert. Wir wissen
nicht, ob die blutige Duftnote von Inexcusable Evil irgend etwas mit E2D zu tun
hat und wenn ich meinen Eindruck von diesem Duft beschreiben sollte, so kommen
mir auch keine bedrohlichen Bilder von Schafott, Schlachtfeld oder Schwertkampf
vor Augen, sondern, ganz im Gegenteil, zunächst künstliche Blumen und später
eine befremdliche Note, die wohl als Jodnote gedacht war, womit wir wenigstens
im Lazarett angekommen wären, aber für mich landen wir leider eher im Abseits.
Mit Dank an Floyd
5 Antworten
Vve. Cliquot
Morgens geht mein Hund mit mir spazieren. Es ist noch sehr früh und dunkel,
seine Lieblings-Tageszeit. Die Nacht herrscht zu dieser Stunde noch über die
Welt der Tiere und der Menschen. Die Dunkelheit macht uns beiden nichts aus.
Mein Hund kann sich, wie alle seine Artgenossen, im geringen Licht hervorragend
orientieren. Ich benutze eine Stirnlampe, ein wundersames Ding, das die Umgebung
in ein fremdes Licht taucht. Es ist Ende Januar und noch ziemlich kalt. Reif
bedeckt das Gras und die Pfützen versiegelt eine dünne Eisschicht. Plötzlich
färbt eine würzige, leicht bittere Duftnote die Morgenluft. Meine Lampe
entzündet im Gebüsch zwei glühende Punkte. Sie glitzern metallisch und sind
gleichzeitig scharf und weich. So erinnern sie mich an japanische Messer. Es
sind die Augen eines Tieres, nicht groß, dabei furchtlos und glühend in der
Finsternis. Sie konstatieren ohne Zweifel: "Bis hier her und nicht weiter,
keinen Schritt näher!" lch weiß, dass wir uns in Gefahr befinden, aber Gefahr
ist nicht gleich Gefahr. Diese Augen sind zwar wütend, aber auch Moschus-zart.
Dies hier ist kein bösartiges Ungeheuer. Der Hund bleibt völlig ruhig, er
scheint dieses Tier gar nicht wahrzunehmen, sondern folgt irgendwelchen halb
verwehten Spuren, die Nase an den Boden gedrückt. Die Lampe wird ausgeschaltet
und wir machen einen großen Bogen um das Gebüsch. Mir steigt der Geruch von
Heliotropium in die Nase und die spritzige Frische der "Witwe Klicko" perlt mir
auf der Zunge. Dieser Duft ist ohne Zweifel in der Lage, uns völlig trunken zu
machen.
seine Lieblings-Tageszeit. Die Nacht herrscht zu dieser Stunde noch über die
Welt der Tiere und der Menschen. Die Dunkelheit macht uns beiden nichts aus.
Mein Hund kann sich, wie alle seine Artgenossen, im geringen Licht hervorragend
orientieren. Ich benutze eine Stirnlampe, ein wundersames Ding, das die Umgebung
in ein fremdes Licht taucht. Es ist Ende Januar und noch ziemlich kalt. Reif
bedeckt das Gras und die Pfützen versiegelt eine dünne Eisschicht. Plötzlich
färbt eine würzige, leicht bittere Duftnote die Morgenluft. Meine Lampe
entzündet im Gebüsch zwei glühende Punkte. Sie glitzern metallisch und sind
gleichzeitig scharf und weich. So erinnern sie mich an japanische Messer. Es
sind die Augen eines Tieres, nicht groß, dabei furchtlos und glühend in der
Finsternis. Sie konstatieren ohne Zweifel: "Bis hier her und nicht weiter,
keinen Schritt näher!" lch weiß, dass wir uns in Gefahr befinden, aber Gefahr
ist nicht gleich Gefahr. Diese Augen sind zwar wütend, aber auch Moschus-zart.
Dies hier ist kein bösartiges Ungeheuer. Der Hund bleibt völlig ruhig, er
scheint dieses Tier gar nicht wahrzunehmen, sondern folgt irgendwelchen halb
verwehten Spuren, die Nase an den Boden gedrückt. Die Lampe wird ausgeschaltet
und wir machen einen großen Bogen um das Gebüsch. Mir steigt der Geruch von
Heliotropium in die Nase und die spritzige Frische der "Witwe Klicko" perlt mir
auf der Zunge. Dieser Duft ist ohne Zweifel in der Lage, uns völlig trunken zu
machen.
4 Antworten
Weil! ... sie eine Frau ist
Sie ist bei ihren Eltern in dem Vorort von Dijon zu
Besuch. Es ist noch sehr früh, aber der erste Sonnenstrahl, noch vom kühlen
Morgenwind getragen, kitzelt sie in der Nase und weckt sie. Sie hatte fast
vergessen, wie schön die grüne Wiese vor dem Haus ist. Heute Nacht hatte es ein
Sommergewitter gegeben und die kurzen Grashalme glitzern von Wassertropfen und
verströmen einen herben und reinen, grünen Duft. Dieser vermischt sich mit den
Aromen aus dem Obstgarten. Ihre Mutter ist schon lange wach. Sie war bereits im
Garten und hat für ihre Tochter einen Blumenstrauß gepflückt mit Jasmin, Iris
und Osmanthus, und sie hat auch deren geliebte Tuberose nicht vergessen. Auf dem
Küchentisch steht ihr Lieblings-Orangenkuchen, getränkt mit Crême de Cassis. Wie
oft hatte sie von diesen Sommeraromen geträumt! Sie studierte Medizin in Paris
und verdiente das Geld für ihr Studium selbst. Die Mutter will natürlich wissen,
wie ihr Leben in der Großstadt verläuft. Vielerlei bunte Bilder drängen sich in
ihrem Kopf. Im Mai hatten die Studenten die Sorbonne besetzt. Ihre wichtigste
Maxime war: "Es ist verboten zu verbieten." Die Gewerkschaften hatten Kontakt zu
ihnen gesucht, und so hatte sie einen jungen Mann kennen gelernt. Er nannte sich
Cerf, sicher ein Deckname, aber sein echter Name hat sie auch nicht
interessiert. Die Polizei hat schließlich die Sorbonne geräumt, und sie und die
anderen, die sich engagiert hatten, wurden exmatrikuliert. Die Fabrik, in der
Cerf gearbeitet hatte, wurde geschlossen und sie verbrachte die Tage mit ihm in
seiner kleinen Mansarde, wo er auch eine Restauratorenwerkstatt für sich
eingerichtet hatte. Die exotischen Aromen von feinsten Polituren und Beizen
vermischten sich mit dem berauschend süßen Duft seiner von der Liebe erhitzten
Haut. Das ganze Leben lag vor den beiden, voller Hoffnung, Abenteuer und Liebe.
All dies wollte und konnte sie der Mutter nicht erzählen. Sie sagte nur, dass
sie vor kurzem ein sündhaft teures Parfum für sich gekauft habe. Sein Preis war
viel zu hoch für ihre Verhältnisse, aber der Genuss, es zu tragen, war er
allemal wert. Ihre Mutter zog fassungslos die Augenbrauen hoch, "Warum?" –
"Weil!", sie zögerte kurz, "ich eine Frau bin."
Besuch. Es ist noch sehr früh, aber der erste Sonnenstrahl, noch vom kühlen
Morgenwind getragen, kitzelt sie in der Nase und weckt sie. Sie hatte fast
vergessen, wie schön die grüne Wiese vor dem Haus ist. Heute Nacht hatte es ein
Sommergewitter gegeben und die kurzen Grashalme glitzern von Wassertropfen und
verströmen einen herben und reinen, grünen Duft. Dieser vermischt sich mit den
Aromen aus dem Obstgarten. Ihre Mutter ist schon lange wach. Sie war bereits im
Garten und hat für ihre Tochter einen Blumenstrauß gepflückt mit Jasmin, Iris
und Osmanthus, und sie hat auch deren geliebte Tuberose nicht vergessen. Auf dem
Küchentisch steht ihr Lieblings-Orangenkuchen, getränkt mit Crême de Cassis. Wie
oft hatte sie von diesen Sommeraromen geträumt! Sie studierte Medizin in Paris
und verdiente das Geld für ihr Studium selbst. Die Mutter will natürlich wissen,
wie ihr Leben in der Großstadt verläuft. Vielerlei bunte Bilder drängen sich in
ihrem Kopf. Im Mai hatten die Studenten die Sorbonne besetzt. Ihre wichtigste
Maxime war: "Es ist verboten zu verbieten." Die Gewerkschaften hatten Kontakt zu
ihnen gesucht, und so hatte sie einen jungen Mann kennen gelernt. Er nannte sich
Cerf, sicher ein Deckname, aber sein echter Name hat sie auch nicht
interessiert. Die Polizei hat schließlich die Sorbonne geräumt, und sie und die
anderen, die sich engagiert hatten, wurden exmatrikuliert. Die Fabrik, in der
Cerf gearbeitet hatte, wurde geschlossen und sie verbrachte die Tage mit ihm in
seiner kleinen Mansarde, wo er auch eine Restauratorenwerkstatt für sich
eingerichtet hatte. Die exotischen Aromen von feinsten Polituren und Beizen
vermischten sich mit dem berauschend süßen Duft seiner von der Liebe erhitzten
Haut. Das ganze Leben lag vor den beiden, voller Hoffnung, Abenteuer und Liebe.
All dies wollte und konnte sie der Mutter nicht erzählen. Sie sagte nur, dass
sie vor kurzem ein sündhaft teures Parfum für sich gekauft habe. Sein Preis war
viel zu hoch für ihre Verhältnisse, aber der Genuss, es zu tragen, war er
allemal wert. Ihre Mutter zog fassungslos die Augenbrauen hoch, "Warum?" –
"Weil!", sie zögerte kurz, "ich eine Frau bin."
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