Sisyphos

Sisyphos

Rezensionen
Filtern & sortieren
136 - 140 von 143
Sisyphos vor 12 Jahren 13 1
7.5
Flakon
5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
8
Duft
Blond, aber nicht blöd
Ein für mich unterschätztes und unterbewertetes Damen-Parfum. Dieser Duft hat etwas Distanziertes. Die Orangenschalen-Aromatik zu Beginn ist transparent, die florale Magnolien-Note in der Mittelnote empfinde ich als gelungen. Der Fond hat etwas Pudriges, Vanille, Ambra und Sandelholz sind behutsam integriert, nichts Lautes oder Grelles wird hier ausgesendet.

Sillage sowie Haltbarkeit sind im guten Bereich, ohne Frage, das Eau de Parfum haftet recht dicht am Körper und strahlt nicht extrem aus. Die Duftentwicklung verläuft zügig, ist aber durchaus erkennbar. Sie geht von einer orangigen Vitalität, über eine florale Magnolien-Note, bis hin zu einer pudrig-cremigen und gepflegten, sehr runden Note in der Basis. Der Flakon ist ansprechend und individuell.

Stilistisch gibt es bei Love in White durchaus interessante Parallelen zu L´Eau von Serge Lutens. Das mag in erster Linie an der Magnolie liegen. Allerdings ist L´Eau in seiner Gesamtheit entschieden kühler und metallischer, Love in White von Creed unverkennbar blumiger und letztlich auch vanilliger in seiner Entwicklung. Darüber hinaus ist L´Eau von Serge Lutens aquatischer sowie mineralischer (böse Zungen würden sagen: synthetischer) als Love in White, das in der Basis eine zwar zurückhaltende, aber für meinen Geschmack sehr eigenwillige, jedoch letztlich lieblich-verspielte und durchaus positiv wirkende Note bereithält. Dabei fehlt dem Duft, und das ist etwas, das ich sehr an Love in White schätze, jegliche simple Süße und häufig überzeichnete Opulenz.

Zum Preis möchte ich anmerken, dass ich die Kritik an den Preisen der Creed-Düfte nur bedingt nachvollziehen kann. Man/Frau erhält ein 75ml-Eau-de-Parfum zu einem Preis, der im Segment der Nischenparfums durchaus angemessen ist. Man mag Creed Kommerzialität vorwerfen bzw. den Nischen-Charakter absprechen, in Relation zu anderen Parfumhäusern sind die Preise meines Erachtens jedoch nicht überzogen. Schnäppchen sind es natürlich auch nicht.

Love in White ist nichts für Mädels, sondern ein Duft für Frauen, es ist ein heller, ein "blonder" (was nichts anderes als "hell" bedeutet) Duft. Die Farbe Weiß wird in vielen Kulturkreisen nicht nur mit Unschuld und Jungfräulichkeit oder Unsterblichkeit in Verbindung gebracht, sondern bedeutet meistens auch etwas Freudiges. Love in White verkörpert diese Freude, gepaart mit einer distinguierten Zurückhaltung.
1 Antwort
Sisyphos vor 12 Jahren 8 1
7.5
Flakon
5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
5
Duft
Aha Uhu!
Der erste Duft von Tom Ford, den ich etwas genauer unter die Lupe nehme. Die Erwartungen waren hoch. Ernüchterung ist geblieben. Der Auftakt lässt gedimmte zitrische Noten und ein förmlich domestiziertes Ingwer-Aroma erahnen. In der Mittelnote finde ich Tabakblätter nachvollziehbar, aber nicht prominent. Recht allgemein gehaltene holzige Anklänge und etwas entfernt an Lederhaut Erinnerndes gibt die Basis zu erkennen.

Haltbarkeit sowie Sillage sind noch im guten Bereich, die warme Farbe des Duftes und der Flakon wissen zu gefallen. Preislich ist das Eau de Toilette von Tom Ford in Relation zu seinen anderen Kreationen durchaus im normalen Bereich anzusiedeln.

Der Duft macht leider keine ernsthafte Entwicklung durch. Für die einen mag das ein guter Alltagsduft oder Allrounder sein, für mich ist das an der Grenze zum Uninspirierten. Man kann es als ausgezeichnet ausbalanciert bezeichnen oder als eintönig. Mich hat der Duft einfach nicht affiziert. Natürlich ist das kein missratenes Parfum. Dennoch hat Tom Ford For Men bei mir keine Emotionen oder Bilder ausgelöst, keine Stimmung hervorgerufen. Letztlich weiß der Duft auch formell nicht zu überzeugen, ihm fehlt es an Straffheit und Klarheit. Ein Parfum im Niemandsland des Mittelmäßigen.

Was mich in besonderem Maße stört, ist eine an UHU-Klebstoff erinnernde Note zu Beginn, aber nicht beißend-scharf, sondern eher wie eingetrockneter Klebstoff, bereits ein wenig fad und blass. Es soll ja Leute geben, die auch sowas schnüffeln und davon in Ekstase bzw. einen Rauschzustand versetzt werden. Bei mir tritt dieser Effekt weder bei Tom Ford For Men noch bei Klebstoff ein.
1 Antwort
Sisyphos vor 12 Jahren 20 4
7.5
Flakon
7.5
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft
Vom Himmel in die Hölle und zurück
Mein erster Beitrag, der sich mit einem Damenduft befasst. In unserem kleinen Garten steht ein Gartenhäuschen aus Holz. Das Dach besteht aus teerartigen Folien. Da mein Nachbar das Dach seines Gartenhäuschens eh auf Vordermann bringen will, hat er mir angeboten, unser Dach gleich mitzumachen. Wie nett von ihm! Ich habe an dem Tag ohnehin Urlaub, also machen wir uns gemeinsam an die Arbeit. Er ist mehr so eine Art Homo Faber, ein Techniker, ich bin Geisteswissenschaftler mit zwei linken Händen ...

Ich schlage Nägel in die Holzbalken des Gartenhäuschens, klebe Dachfolie, schneide Bretter zu. Mein Nachbar hat den Plan, ich assistiere und muss nicht allzu viel nachdenken. Das Wetter hält so eben, kein Regen, wir kommen gut voran und machen unsere erste Kaffeepause bei mir. Meine Frau arbeitet im Home-Office, gesellt sich zu uns, wir trinken starken Espresso. Als wir das zweite Mal eine Pause einlegen und über die Terrasse ins Wohnzimmer eintreten, bemerke ich sofort, dass etwas, ja, alles, anders ist. Ich kann es feststellen, wenn ich mich unserem Bad nähere, bemerke es an den Haaren meiner Frau, wenn sie an mir vorbeigeht. Augenblicklich muss ich an Johnny Depp in From Hell denken, wie er berauscht in der warmen Badewanne liegt, er kann Jack The Ripper nicht überführen, ist verzweifelt, erträgt die Morde einfach nicht mehr. Nur die Absinth-Cocktails katapultieren ihn in eine andere, eine bessere Welt.

Pfeffer, viele Gewürze und eine angedeutete orangige Note flattern durch mein Wohnzimmer, ich rieche und atme durch die Nase ein, dabei hoffe ich, dass mein Nachbar das nicht als Naserümpfen interpretiert. Weihrauch, aber auch feine Blüten, ein zarter Rosenduft und zugleich eine beinah unverschämt animalische Leder- und Moschusnote legen ihre Tentakeln um meinen Hals, doch ich verspüre keine Furcht, sondern nur Faszination. Dieser Duft befördert mich von der Hölle des Jack The Ripper direkt in den Himmel und zurück.

Wir gehen wieder an die Arbeit und beenden unsere Dachrestauration, aber weder das saftige, viel zu hohe Gras in meinem Gärtchen, noch der frische Vanilleton der mit der Kreissäge zugeschnittenen Bretter können meinen Eindrücken etwas anhaben. Die haben sich festgekrallt in meinen Synapsen.

Abends sitze ich mit meiner Frau beim Essen. Sie sagt, sie habe heute Mittag mal wieder Memoir Woman von Amouage aufgelegt. "Ich weiß", sage ich leise und lächle.
4 Antworten
Sisyphos vor 12 Jahren 18 3
5
Flakon
5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
7
Duft
Das Ende des Duftes
Abstrakt. Theoretisch. Reduziert. L´Eau von Serge Lutens ist clean und pur, ja, puristisch. Die Zitrusnoten sind bloß angedeutet, von Anbeginn an überwiegen eine feine florale Note und eine minzige Frische. Doch nicht nur das. Eine ganz dezente Würznote zu Beginn ist durchaus plausibel. Ungewöhnliche Bestandteile sind in diesem Unisex-Eau-de-Parfum, bei dem vielleicht das Feminine etwas überwiegt, zu finden: Aldehyde, Ozon. Das klingt zunächst furchtbar synthetisch, ist es aber nicht, es ist eben konstruiert.

Der Duft präsentiert sich kompakt, die einzelnen Komponenten sind bloß angedeutet. Auch den Dreierakkord von Kopf-, Herz- und Basisnote kann ich hier nicht im klassischen Sinne erkennen. In der Duftentfaltung kann man jedoch eine recht angenehme Pudrigkeit feststellen.

Flakon, Sillage sowie Haltbarkeit sind schwer zu beurteilen und für mich im mittleren Bereich anzusiedeln, obgleich der Flakon auffällig ist, aber nicht sonderlich ästhetisch, sondern eher ein wenig gestelzt rüberkommt. Preislich liegt L´Eau im oberen Segment.

Der Duft hat etwas Metallisches, Aquatisches und Mineralisches. Eine kühle, leichte, bloß angedeutete Distanz gepaart mit einer gewissen Cremigkeit umgibt den Träger. Serge Lutens hat zu diesem Duft unter anderem erklärt, einen Anti-Duft in unserer überparfümierten Welt kreieren zu wollen, reduziert auf das Wesentliche.

Der Vorwurf, L´Eau sei ein Kuschelweich-Weichspüler-Frisch-Gewaschen-Duft, ist auf den ersten Blick naheliegend, verkennt jedoch für meinen Geschmack die assoziative Kraft von L´Eau (z. B. Meersalz, nasser Stein, Blütenwasser, ein Metallgitter und, ja, frische Wäsche auf einer Wiese, Seife, aber eben nicht richtig seifig) sowie das Thema des Duftes: Minimalismus und Purismus. Dieser Duft hat darüber hinaus etwas Futuristisches und ist zugleich auf eine ästhetische Art spartanisch, wesentlich, schnörkellos: Gattaca, Equilibrium und die Zwillinge aus Matrix Reloaded lassen grüßen. Doch ist L´Eau nicht düster oder dunkel, sondern hell und transparent. Was L´Eau zudem von einem schlichten Sauberduft unterscheidet, ist seine distanzierte Kühnheit. Nichts Üppiges oder Wuchtiges, doch eine erhabene, ruhige Unbeflecktheit umgibt den Duft.

Alles in allem ergibt das für mich in der Theorie einen sehr faszinierenden und durchaus konsequent realisierten Duft, der jedoch das Unmögliche möglich machen will: Ein Parfum zu sein, das keines ist. Es ist die Quadratur des Kreises. Daran überhebt sich L´Eau von Serge Lutens. L´Eau hat keine visionäre Kraft, kein Spiel, kein Dazwischen. Das ist Scheitern im großen Stil und zugleich mit Stil, L´Eau ist der sterbende Schwan, das Endes des Parfums, die Negation von Duft. Das hat was und ist cool im wörtlichen und im übertragenen Sinn, es ist ferner philosophisch extrem spannend, aber letztlich bedeutet das die Dekonstruktion von Duft und das Ende.
3 Antworten
Sisyphos vor 12 Jahren 6 4
5
Flakon
5
Sillage
5
Haltbarkeit
4
Duft
Utopisch
"1984" von George Orwell hat mich in meiner Jugend schwer beeindruckt. Dieses literarische Werk ist neben "Schöne Neue Welt" von Aldous Huxley die vielleicht bedeutsamste und umfassendste Anti-Utopie (Dystopie) des 20. Jahrhunderts, "Fahrenheit" von Ray Bradbury (nicht von Dior!) richtet seinen Schwerpunkt stark auf den einen Aspekt des geschriebenen Wortes, also auf das Buch als Medium. Während "1984" wenn man so will einen totalitären und tristen Kontroll-Staat im Stil der ehemaligen Ostblockstaaten beschreibt, befasst sich "Schöne Neue Welt" mit einer streng in Schichten eingeteilten und auf Konsum sowie Hedonismus ausgerichteten Spaß-Gesellschaft, die eher zu den westlichen Staaten in der Zeit des Kalten Krieges passt, und in der es unter anderem ein "Gefühlskino" zur Unterhaltung der Bürger gibt, in dem auch Gerüche(!) erfahrbar gemacht werden.

"Oranges and Lemons, say the Bells of St. Clement´s" ist ursprünglich ein Kinderreim, der u. a. eben auch in "1984" literarisch verarbeitet wurde, was mir nicht mehr präsent war und ich somit im Internet nachlesen konnte, nachdem ich den auffälligen und langen Titel bei Google eingab. Der Protagonist und einige andere Figuren des Romans können sich an den vollständigen Reim bzw. das Ende nicht mehr erinnern. Daher steht er stellvertretend für die nahezu vollkommene Auslöschung bzw. Überwachung der Privatsphäre und Vergangenheit (also, der Geschichte) durch den Staat, der so seine Macht sichert. Mit dem Tod des Protagonisten und der anderen Charaktere wird auch dieser Reim für immer verschwinden; selbst die mündliche Tradierung von Kultur funktioniert nicht mehr, weil der Staat sogar die Gedanken kontrolliert.

Ist das die Inspiration von James Heeley, die hinter diesem Duft steht? Oder geht es einfach um die Bilder, die in dem ursprünglichen Kinderreim vorkommen (jemand kauft Orangen und Zitronen, kann sie aber nicht vollständig bezahlen)?

"St. Clement´s" ist mein dritter Versuch, mich dem Hause Heeley zu nähern. Orange, Zitrusnoten und etwas Richtung Grapefruit sind markant und frisch in der Kopfnote, an Tee erinnernde Aromen in der Mittelnote sind für mich gut nachvollziehbar, die Basis ist dann recht grün: Frische grüne Gräser, Vetiver. Der Flakon ist schlicht, Sillage und Haltbarkeit liegen für mich irgendwo im Mittelfeld.

Der vorangegangene Kommentar hat es recht lapidar (dafür hier die Langfassung ...) auf den Punkt gebracht: 4711 Kölnisch Wasser. Meine Großmutter hatte die Erfrischungstücher immer in der Schublade. Wenn mir als kleiner Junge mal schlecht war, hat sie mir eins davon in die Hand gedrückt; und das, obwohl ich Düsseldorfer bin.

Was über 4711 hinaus geht, ist für mich die Tee-Assoziation (einfach Schwarzer Tee oder eben Earl Grey, wo wir wieder das Bergamotte-Aroma hätten) und eine leichte Süße in der Duftentwicklung, die sich zu den grünen Noten gesellt. Dadurch gewinnt der Duft insgesamt etwas an Komplexität.

Was unterm Strich jedoch bleibt, ist Unverständnis; und zwar in Bezug auf die Konzeption des Duftes und den ambitionierten Namen des Parfums. Ich kann dem wilden und diffusen Agarwoud von Heeley im Grunde nichts abgewinnen, das etwas veredelte Tiger-Balsam von Esprit du Tigre hat für mich keine echte Eigenständigkeit und St. Clement´s mit seinen literarisch-intellektuellen Anleihen im Titel ist da für mich auch nicht anders. Zumindest die Komponenten sind harmonisch und aufeinander abgestimmt und die Vitalität des Duftes verfügt über einen gewissen Charme.

Am Ende ist dieser Duft dann doch eher ein harmlos-netter Kinderreim und kein literarisches Schwergewicht wie "1984".
4 Antworten
136 - 140 von 143