Meine Blindkäufe - von undenkbar zu einfach einfacher

Lange Zeit lag dieser Text schon angefangen unter meinen Notizen, lange wollte ich ihn beenden, mehr Gedanken hinzufügen, meine persönlichen Entscheidungen seit meinem Einstieg in die Welt der Düfte und später der daraus resultierenden Leidenschaft und Veränderung von Entscheidungen, sowie Inspiration für andere in Textform bringen.

Angemeldet bin ich hier seit 2020 und resultierend daraus, dass mir stummes Beobachten nicht mehr reichte und mir diese Plattform insbesondere in den ersten Pandemiemonaten eine riesige Bereicherung war.

In einer Zeit lange vor Covid-19 habe ich sogar mal Parfum verkauft und war mit Online Exclusives konfrontiert, die mich reizten. Getraut habe ich mich nie. Zu groß das Risiko, zu hoch der Preis während meiner Ausbildung damals, zu gering das Interesse am Tragen von Düften. Zumal meine Kleidung ohnehin pauschal den typischen LUSH-Duft hatte. Später wollte ich im Alltag so neutral wie möglich riechen.

Rund fünf Jahre nach meiner Zeit bei LUSH sorgte dann ein spontaner Besuch bei Douglas und das Entdecken von Tom Ford für eine Änderung in dieser Haltung, zumal ich meine Ausbildung abgeschlossen hatte und nicht mehr den dauerhaften LUSH-Duft mit mir zog. Und oh boy, was ist dann alles passiert. Tatsächlich traute ich mich dann im Herbst 2017 zu ersten Blindkäufen. Bei LUSH und den ominösen online exklusiven Düften, die ich vorhin erwähnte. Keine andere Marke kannte ich so gut.

Immer mal wieder fand ich mich in den einschlägigen Läden und suchte was Schweres, Holziges, Außergewöhnliches. Das bis dato schwerste Werk, das ich kannte, war #oud wood. Das bis dato außergewöhnlichste Werk #smell of weather turning. Bei Douglas war man überfordert und schickte mich in eine kleine Boutique. Mein erster Kontakt mit Nischendüften.
Dort begab ich mich dann auf die Suche nach einem Duft, der ähnlich einem sein sollte, den LUSH einmalig in einem limitierten Produkt nutzte. Daraus wurde dann eine grundlegende Aufgabe auf meiner Erkundung neuer Düfte. Gefunden habe ich weder damals, noch heute etwas, auch wenn ich zeitweise kurz davor war. Mittlerweile kann ich den Duft auch nicht mehr in meiner Erinnerung wahrnehmen. Vielleicht läuft er mir mal über den Weg.

Bald als Stammkunde in der neu entdeckten Parfümerie, sowie einer weiteren Parfümerie mit ähnlich geartetem Sortiment in Frankfurt, probierte ich fröhlich und über Stunden Düfte aus. Mal nahm ich was mit, mal nicht. Mal war ich enttäuscht. Bei Rituals gab es damals noch Miniaturen und auch die nahm ich mit wenig Angst einfach mit. Sie waren nicht teuer und nicht zu groß, ich konnte also recht gefahrenlos ausprobieren. Dann kam die nicht so liebe Pandemie und alles wurde anders.
Ich traute mich nach langer Begutachtung zu einem Blindkauf von Rhinoceros und gönnte mir gleichzeitig eine ganze Menge Proben als Abfüllung. Ab hier wurde dann alles anders. Zum einen war ich schockverliebt in diesen genialen Duft und habe auch heute noch Angst, dass er leer wird, da es nur ein halbes Jahr später durch eine neue Komposition ausgetauscht wurde. Als Koala auf den Markt kam, bestellte ich direkt aus Kanada, denn er sollte ein online Exclusive werden und die Noten klangen verlockend. Dass er später auch ins reguläre Sortiment kommen sollte… naja. Auf jeden Fall war mein Hang zu Zoologist entstanden. 

Auch als die Geschäfte nicht so wirklich offen waren, traute ich mich dort zu ersten Blindkäufen, lernte neue Marken kennen und lieben, versank komplett in Kompositionen, die ich früher für unmöglich hielt.

Ich lernte den Souk kennen. Gönnte mir neue Schätze und tauschte blind mit anderen Nutzer:innen Flakons und Proben. Beim Tausch war ich bisher mit den größten Enttäuschungen konfrontiert. Da gab ich etwas weg, das ich zwar nicht so wirklich mochte, weil ich es nicht häufig nutzte oder eher stiefmütterlich behandelte aber immerhin selbst entdeckt hatte und bekam an anderer Stelle aber etwas, mit dem ich so gar nichts anfangen konnte. Besonders negativ kommen mir da Black Iris, Black Gemstone und Angel’s Share in den Kopf, weil die so überhaupt nicht das erfüllen konnten, was sie versprachen und was mir von meinen Tauschpartner:innen mitgeteilt wurde.

Deshalb tausche ich sehr ungern oder würde es nur noch mit Leuten tun, deren Geschmack ich sehr gut einschätzen kann und der mit meinem kompatibel ist. Dürfte nicht so viele geben. Wieso das so ist? Kommt jetzt.

Mit der Zeit verschwand ich immer und immer tiefer in kleineren und schwerer zu bekommenden Marken. Weit nicht so tief, wie einige liebe Parfumos, denen ich gerne folge und ihre Reise mitverfolge. Dennoch tief genug, um eher schwer an Proben oder (angebrochene) Flakons zu kommen. Weder in (für mich leicht zu erreichenden) Geschäften, noch hier im Souk. Und so passierte es immer und immer häufiger, dass ich mir einfach gleich einen Flakon zulegte, statt der Anstrengung nachzugeben und mich um Proben zu bemühen.
Irgendwie tut es mir sogar weniger weh. Klar kann ich eine Abfüllung besorgen oder bei einem Sharing mitmachen. Sagt mir der Duft hinterher nicht zu, liegt der Zerstäuber dann in einer Kiste und wird nicht genutzt und auch nicht bedacht. Die Abfüllung ist einfach da. Der Flakon bringt mir mehr Freude. Ich packe aus, stelle hin, habe etwas haptisch vor mir. Im schlimmsten Fall schaue ich mir den Flakon an, erfreue mich an seiner Optik und schnuppere ab und an daran. Im besseren Fall biete ich ab und an Abfüllungen an oder gebe dem Flakon ein zweites und hoffentlich besseres Leben bei einem anderen Duftverrückten.

Darunter vor allem Düfte, die einfach nicht das waren, was ich erhofft hatte, welche, die an mir einfach quasi nicht vorhanden waren beziehungsweise gerne mal nach einer halben Stunde komplett verschwunden waren, aber auch Düfte, an denen ich mich einfach sattgerochen hatte oder bei denen mir die Marke im Allgemeinen nicht mehr zusagte, sodass ich sie mit einem guten Gefühl hätte tragen können.

Und deswegen ist es für mich immer sehr gefährlich, eine neue Marke zu entdecken. Gefällt mir ein Duft, bin ich noch sicher. Bei zweien wird es kritisch. Aber bei dreien ist vorbei. Dann will ich mehr. Und ich meine MEHR!
Wenn dann noch Sonderangebote dazukommen oder jemand gerade seine Sammlung ausdünnt, werde ich schwach und zack… vier Urban Scents und drei Farmacia SS. Annunziata waren auf dem Weg zu mir. So tatsächlich geschehen damals im Januar 2023, als ich diesen Text ursprünglich schrieb. Seither sind weitere Marken bei mir eingezogen. Davon blind Kajal, Goutal und Simone Andreoli im Frühjahr 2023, Apoteker Tepe dann im Spätherbst und nach langem Beobachten und Zögern, sowie überraschten Feststellen, dass ich recht leicht an Mendittorosa komme, flott vorm Jahreswechsel noch was aus dem Haus und zuletzt war mir das eBay-Glück hold und es kam noch Olympic Orchids dazu. Und zumindest von Mendittorosa bin ich so begeistert, dass ich sie vermutlich alle will. Schlimm sowas.

Manchmal gehe ich mit mal mehr, mal weniger langer Liste in Parfümerien, die allerdings oft weiter weg sind. Manchmal gehe ich unvorbereitet in näherliegende Läden.
Auch heute frage ich dann noch gern  nach dem schwersten, holzigsten, ledrigsten, rauchigsten, harzigsten Duft, den der Laden zu bieten hat. Und diese Frage zwingt weiterhin die meisten Verkäufer:innen in die Knie. Allerdings auch mit Liste und konkreten Wünschen bringe ich sie oft an die Grenzen.

Aber auch für mich ist es anstrengend. Ich habe zwar hinterher eine ganze Menge mehr ausprobiert oder ausprobieren können, als wenn ich blind Flakons bestelle, aber ich muss zu den Geschäften, bekomme zusätzlich Vorschläge, mit denen ich nichts anfangen kann und die mich auch nicht unbedingt bereichern. Es sind Erfahrungen, mit denen ich rückblickend betrachtet nichts anfangen kann. 

Wo lässt mich das am Ende?
Hey, Duft ist unser Hobby. Unsere Leidenschaft. Für die eine gehört viel Planung und Ausprobieren dazu, für den anderen geht’s spontan beim Stadtbummel um eine Entdeckung und bei mir darf‘s eben auch ganz spontan ein Blindkauf sein, der mich total vom Hocker haut.
Und wie ist es für dich?