TomGehFord

TomGehFord

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6 - 10 von 17
TomGehFord vor 2 Jahren 18 2
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Flakon
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Sillage
8
Haltbarkeit
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Duft
Manchmal muss es einfach einfach sein...
Bei dieser Rezension möchte ich mich bewusst kürzer fassen als sonst. Warum? Weil man Einfaches nicht wie früher im Deutschunterricht künstlich auseinandernehmen, durchkauen und unterschiedlich deuten muss.

"Montblanc Legend EDP" ist ein sogenannter "Duschgelduft".

"Duschgelduft" - wenn ich das schon lese. Ganz ehrlich, es hängt mir zum Hals raus. Was hier alles bei der kleinsten Kritik teilweise als "öder Duschgelduft" abgetan wird, ist an 1000 Fingern nicht mehr abzuzählen. Dazu kommt, dass viele Menschen ja nicht mal einen Duft tragen, geschweige denn überhaupt frisch geduscht riechen.
Auch wenn mit dem meist herabwertenden Begriff vielleicht eher die Masse an ähnlichen Düften gemeint sein sollte, so hat die Existenz ebenjener Masse doch einen Grund: Sie kommt bei den meisten Menschen nämlich verdammt gut an, und das auch deutlich häufiger als die nischigste Nahost-Oud-Rosen-Plörre, die meine Nase partout nicht mit gepflegt oder angenehm riechenden Personen asoziiert.

"Montblanc Legend EDP" ist somit westlicher Standard, männlich, höchst gefällig, durchaus auch synthetisch und dennoch sehr angenehm. Er wird an wirklich jedem hervorragend riechen der selbst halbwegs gepflegt ist, und absolut niemanden überfordern oder negative Reaktionen auslösen - noch viel weniger in der Luft, denn da riecht so gut wie jeder Duft besser. Letzten Endes soll Parfüm eines: Den Träger gut riechen lassen. Entweder nur für den Träger selbst, oder für die Mitmenschen (bzw. beide). Und nichts ist einfacher, als dieses Ziel mit einem einfachen Duft anzugehen. Ist das verwerflich? Bei dem Preis und der Leistung? Absolut nicht. Selbst mein Kollege, der sich sonst über meine stark aufgelegten Düfte aufregt, fand das "Montblanc Legend EDP" "richtig gut", auch wenn er die Duftwolke kritisiert hat, wo wir wieder bei meiner Sprühroutine wären. Mit sieben Sprühstößen wollte ich eben auf Nummer sicher gehen für den achtstündigen Arbeitstag. Das Ergebnis waren dann ca. 15 Stunden, da ich den Duft im Bett noch wahrnahm. Absolute Spitzenleistung, und genauso wie ich es mag!

Im Zweifel bzw. wenn ich mal wieder die Schnauze voll habe von all dem künstlerisch wertvollen Nischenkram, komme ich immer wieder auf die sauberen, standardmäßigen Immergeher zurück. "Montblanc Legend EDP" ist ein absolut preiswerter Kracher dieser Kategorie, und ich kann diesen aromatischen Duschgelduft jedem ans Herz legen, der einfach nur gut riechen will. Übrigens schwingt beim Riechen der eigenen Wolke manchmal, für einen Sekundenbruchteil, ein "Beau de Jour"-Vibe mit.

Fazit: Für mich einer der besten von Montblanc. Die können einfach einfach gut.
2 Antworten
TomGehFord vor 2 Jahren 25 8
8
Flakon
5
Sillage
5
Haltbarkeit
8
Duft
"Verkaufen, machen, tun!", oder: Mr. "Ich-trage-die-Kopfnote-den-ganzen-Tag"
In der Kundenberatung betreuen uns stets Außendienstler von unterschiedlichen Unternehmen (die Banker unter euch kennen es), welche für jeweils eigene Bereiche zuständig, so z. B. für Versicherungen, Privatkredite, Fonds, oder auch Bausparverträge.

Vor einigen Jahren, als mal wieder der Kandidat für die letzte Kategorie ausgewechselt wurde, wurde uns aber ein ganz besonderer Kerl zugeteilt. Naturgemäß gibt es auch hier die unterschiedlichsten Arten von Menschen: prollige Angeber, welche alle sechs Monate einen neuen AMG als fahrbaren Untersatz gestellt kriegen, Dauerdepressive, Schlaftabletten, Burnout-Dauerkandidaten, aber selten wirklich gute Betreuer - was übrigens am Job liegt, da er einfach unmenschlich ist. Mal zum Vergleich: der derzeitige Kollege schafft täglich von früh morgens bis mindestens Mitternacht, hat seine Kinder vermutlich vor einem halben Jahr das letzte Mal im nicht schlafenden Zustand gesehen, und dürfte auch bald das Handtuch werfen.

Doch da war einer, ein ganz besonderer, auf dem damals die ganze Hoffnung lag. Er sollte die Macht wieder ins Glei.... ääh, falsches Thema. Er sollte massig Bausparverträge verkaufen. Vorgestellt wurde er uns als hochmotivierter, ehemaliger Wertpapierprofi, welcher an der Frankfurter Börse gearbeitet hatte. Diese Information hätte man sich auch sparen können, denn ihm kam dieser unfassbar klischeehafte Vibe aus jeder Pore. Hektisch, schnell, unruhig, aufgedunsen vom Koks. Beim Warten auf den Kunden, scharf planend und hochzentriert mit einer Hand am Kinn, im Kundenbereich auf- und ablaufend, unglaublich forsch und fordernd (obwohl er uns nur unterstützen sollte, und niemand ihm unterstellt war), und natürlich geradezu lächerlich übermotiviert.
Wenn er die Geschäftsräume betrat, rief er mit vermutlich frisch gepuderter Nase "Morgen, hi, hallo, Moin, Morgen!". Beim Abschied sagte er nicht einfach "Tschüss!", sondern er klopfte völlig aufgedreht auf den Tisch und rief "So! Ciao, tschüss, ciao! Und verkaufen, machen, tun, ne?", bevor er fast rausrannte. Überhaupt redete er unglaublich schnell, knapp und zielgerichtet. Er war kein "normaler" Berater, sondern die reinste Karikatur eines solchen. Versteht mich bitte nicht falsch, ich ziehe nicht über ihn her. Ich erfreue mich einfach immer noch an meinen irgendwie schon kultverdächtigen Erinnerungen an ihn. Jede seiner Eigenheiten war filmreif. Keine meiner Ausführungen ist übertrieben!

Eines seiner Hauptmerkmale war auch, dass er ca. alle 15 Minuten ans Auto ging. Man weiß nicht, was er dort noch so alles machte (es dürfte häufiger in seinem Auto "geschneit" haben), doch eins war uns allen bewusst: Gleich wird der Sprühkopf seines Flakons wieder betätigt! Wir erlebten ihn nur mit der Kopfnote dieses unglaublich männlichen, gefälligen, irgendwie sportlichen und metallischen Geruchs. Niemand kannte je die Herz-, geschweige denn die Basisnote. Die Sillage war enorm, und durch das viertelstündliche Nachsprühen rochen die Büros auch nach zwei Stunden noch nach dem Duft. Das ganze Puder dürfte seine Nase ohnehin deutlich geschädigt haben, und durch das ständige Auflegen des Wässerchens muss der Gute völlig duftblind gewesen sein.

Irgendwann rang ich mich dazu durch, ihn nach dem Duft zu fragen.
"Äh, Montblanc, ja", sagte er, während er parallel am Laptop weiterarbeitete und mit dem Bein zappelte. "Ok, riecht gut" antwortete ich, und ging zurück in mein Büro, da er mich in diesem Moment wohl schon als unnötige Ablenkung von seiner Arbeit ausgeblendet hätte. Allein der Anblick dieses Verkaufsroboters konnte einem schon den ersten Herzinfarkt näherbringen.

Jedenfalls bin ich mit der mir zur Verfügung stehenden Information alsbald zur Parfümerie gegangen, um sämtliche damals (das war noch vor dem Release des "Explorer") verfügbaren Montblancs zu testen. Ich blieb schließlich erfolgreich beim "Legend Spirit" stehen, und realisierte an diesem Tag zum ersten Mal, dass Düfte auf der eigenen Haut bzw. "mit der Nase am Arm" nie so riechen wie in der Luft - denn da riechen sie immer besser!
Fruchtig, frisch, sauber, männlich, universell einsetzbar und garantiert jedem gefallend. Keine unnötigen Spielchen oder extravaganten Duftnoten. Der "legendäre Geist" riecht einfach wie "auf den Punkt". Er hat nur ein Ziel: dich gut riechen ubzw. ankommen zu lassen. Manchmal, wenn man all den Nischenkram satt hat, hilft ein Griff zum weißen Flakon, und man fühlt sich sofort wie frisch gekokst, äh, geduscht.

"Montblanc Legend Spirit" braucht keine ausufernde Beschreibung. Er ist simpel, und gut darin. Als Parfumliebhaber mag man vielleicht Düfte mit oudiger Toffeenote, die gewürzt sind mit Zimt, geschärft mit Ingwer, und haltbarer gemacht mit Hundekot, künstlerisch wertvoller finden. Aber sprüh da mal alle 15 Minuten nach - lange machste das nicht mit!

Nein, manchmal muss es simpel sein. Manchmal, wenn man zum Beispiel einen Bausparvertrag abschließen wollte und gefrustet ist, weil "leider alle Bausparverträge unter 10.000,- EUR derzeit ausverkauft sind", dann kann man zum Abreagieren auch einfach den Sprühkopf dieses unspektakulären Düftchens bearbeiten, und an Herrn N. denken.

So, tschüss, ciao, tschüss! Montblanc Legend Spirit kaufen, sprühen, tun! Invictus Aqua 2016 ausverkauft! Machen! TUN!
8 Antworten
TomGehFord vor 2 Jahren 1
9
Flakon
8
Haltbarkeit
7.5
Duft
"Verwässerung" mal auf die richtige Art
Eins muss man Dior lassen: Wie sie die Verwässerungen ihrer Düfte mit weiterhin identischen und dadurch teilweise völlig sinnfreien Formelcodes vertuschen, ist höchst verwerflich, aber businesstechnisch absolute Weltklasse. Da ich aber dennoch der Meinung bin, dass die Leute von Dior neben Chanel und Tom Ford mit die besten Designer in Sachen Düften sind, gebe ich ihnen immer wieder eine Chance. Aufgrund der Reformulierungen beschränkt sich meine Suche jedoch nicht selten auf ältere Batches und manchmal sogar eingestellte Düfte dieser Häuser.

Den "Dior Homme Eau for Men" ereilte leider gleich ein doppelt schwieriges Schicksal: 2014 auf den Markt gebracht, später verwässert um die Gewinnmarge zu vergrößern, und kurz darauf eingestellt worden. Er hatte seine Fanbase, und vermutlich hat er sie auch heute noch, auch wenn er stets im Schatten der übermächtigen Brüder stand. Da die "Dior Homme"-Linie für mich zu den außergewöhnlichsten und stärksten Designerlinien überhaupt gehört, musste ich nach "Dior Homme", "Dior Homme Intense" und "Dior Homme Parfum" irgendwann auch den "Eau for Men" probieren. Also habe ich vor einigen Monaten, kurz vor Beginn der warmen Jahreszeit, einen brandneu verpackten Batch aus 2015 gekauft, welcher noch nicht reformuliert ist, und das Ensemble für ebenjene wärmeren Monate ergänzen sollte.

Ich war etwas erschrocken, wie sehr die Packung nach Entfernen des Zellophans nach muffiger, nasser Pappe roch (das tut sie im Übrigen immer noch - möglicherweise durch die Lagerung des Vorbesitzers). Es war jedenfalls weder etwas von der Flüssigkeit abgelaufen, noch der Duft gekippt, oder die Verpackung mal nass gewesen.
Dior-Fans wissen bereits, dass die ersten Sprühstöße immer etwas schwach riechen. Nach ca. zehn Sprühstößen und einigen Tagen ändert sich das jedoch, so dass die Düfte ihre Tiefe entfalten, wenn auch nicht im creed'schen Ausmaß, wo Düfte nach einem Jahr der Geduld endlich viel tiefer und stärker riechen (du bist gemeint, Aventus) und deswegen nicht selten von Fans "zweimal gesprüht" verkauft werden.

"Dior Homme Eau for Men" erinnert mich an eine sommerliche Variante des "Dior Homme". Er ist ziemlich einzigartig unter frischen Düften, dabei aber meiner Meinung nach auch nicht der hitzetauglichste. Dafür eignen sich auch andere Diors eher, z. B. das "Dior Homme Cologne". "Dior Homme Eau for Men" ist im Frühling bis ca. 25 Grad am besten aufgehoben, da er immer noch etwas pudrig daherkommt. Die Frische ist hier keinesfalls aquatisch. Ein klein wenig kann man in der Herznote sogar "Millesime Imperial" mit seiner salzigen, ganz leichten Irisnote wiedererkennen, allerdings gehört auch schon etwas Konzentration dazu. Im Grunde erinnert mich "Dior Homme Eau for Men" an den großen Bruder "Dior Homme", welchen man bewusst stark verwässert, und dafür mit einigen frischeren Noten versehen hat. Die Überschrift bezieht sich daher im positiven Sinne auf diese "Verwässerung", was der Begriff "Eau" (franz. "Wasser") auch ziemlich treffend beschreibt.

In Sachen Performance ist der Duft übrigens etwas seltsam. Auf der Haut nehme ich ihn aufgrund seiner Leichtigkeit und vermutlich auch etwas anosmiebedingt schnell nicht mehr wahr, zwischendurch erfassen meine Geruchsnerven ihn aber dennoch. Auf der Kleidung jedoch sieht das Ganze anders aus. Auch nach einigen Tagen ist der Duft beim Anziehen des jeweiligen Kleidungsstücks eindeutig wahrnehmbar. Wie genau sich die Sillage gestaltet, kann man ohnehin nur bei sehr starken Düften selbst beurteilen. Aussagen wie "man riecht den Duft bis auf eine Armlänge / 25 cm weit" sind für mich daher völlig irrelevant und regen eher zum Schmunzeln an, da man dies selbst nicht so genau feststellen kann. Fürs Büro ist mir der "Dior Homme Eau for Men" gefühlt zu schwach und hautnah, da ich auch bei der Arbeit gerne den Raum mit meinem Duft fülle und es auch selbst so wahrnehmen möchte. Es frustriert mich, nur einen hautnahen Duft zu tragen und ihn selbst kaum zu riechen. Aber abends wenn es etwas abkühlt, ich frisch geduscht bin, und für ein paar Stunden einfach gepflegt und dennoch nicht "nur aquatisch" riechen möchte, ist "Dior Homme Eau for Men" oft die richtige Wahl.

Solltet ihr mit dem Gedanken spielen, den Duft zu kaufen, achtet am besten auf das Produktionsjahr (bei den vierstelligen Dior-Batches zählt die erste Ziffer als Jahreskennzahl). Mit der "5" (für 2015, wie bei meinem Flakon) man ihr jedenfalls nichts falsch. Wann genau die Verwässerung dieser schönen "Verwässerung" stattfand, kann ich leider nicht beurteilen - genauso wie die Frage, wieviele cm an Projektion er einbüßen musste. Aber noch leichter wahrnehmbar möchte ich ihn definitiv nicht haben.
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TomGehFord vor 2 Jahren 24 7
8
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
9
Duft
Frisch rasiert mit Vollbart
Fougère-Düfte fand ich bis vor kurzem immer altbacken. Zu sehr rochen mir viele nach Opas Kleiderschrank oder Seife, zu streng bzw. scharf durch den Lavendel, zu muffig, oder einfach zu unspektakulär. Abgesehen davon läuft doch heute kaum noch ein moderner Mann glattrasiert herum. Warum auch?

"Wag dich, den Bart wieder abzurasieren!", ermahnte mich eine extrem taffe Kollegin vor vielen Jahren, als ich mit Gesichtsmatte aus meinem dreiwöchigen Sommerurlaub zurückkehrte. "Merk dir: EINE rasierte Pussy ist für eine Frau schon genug." Bin ich vorher also eine solche für sie gewesen? Eine Träne kullerte in meinen Bart herab, und ließ ihn nur noch mehr sprießen. Spaß beiseite - wir scherzten immer auf diese Art.
Ich nahm das aber auch als eindeutiges Kompliment, und sah es selbst natürlich genauso. Ein ausgeprägteres Kinn, welches man sich zurechtrasieren kann, das Kraulen während man grübelt, oder das klassische Sich-mit-dem-Gesicht-in-den-Bart-des-Mannes-drücken-und-dabei-glücklich-grinsen von besonders nahestenden Damen bestätigen die Vorteile eines ordentlichen, gepflegten Bartes nur allzu deutlich. Was Frauen sich für andere Konturen an Farbe in die Visage klatschen müssen, wächst aus der männlichen einfach heraus. Wozu also ein Rasierschaumduft? Das ist doch wie eine sichtbare Antenne an Handys in heutigen Zeiten. "Braucht kaa Sau", würde ein Kollege sagen.

"Braucht kaa Sau" dachte ich mir auch beim ersten Testen des "Beau de Jour". Kratzig, nix besonderes. Thema abgehakt.
Durch meine uralten Flakons von "Egoiste Platinum" und "Green Irish Tweed" kam ich aber zwangsläufig irgendwann auf das Thema der klassischeren Herrendüfte und schließlich wieder auf Fougères, auch um dufttechnisch neue Statements zu setzen. Gut, es muss nach wie vor nichts übertrieben Animalisches wie "Antaeus" sein. Noch nicht? Vielleicht. Jedenfalls hatte ich Gefallen an einigen Klassikern gefunden, und wollte nun die Brücke zur Moderne schlagen. Es bot sich "Masculin Pluriel" an, welchen ich rein vom Duft her toll fand. Ich stand sogar schon kurz vor der Bestellung. Allerdings war die Performance beim mehrmaligen Testen grottig (ca. vier Stunden), und irgendwann ging mir auch das minimalistisch-eintönige Prinzip des Duftes auf den Keks. Ich will Statements setzen, und mich nicht durch Understatements unter dem Tisch verkriechen. Ich will immer und überall, dass mein Duft wahrgenommen wird - bestenfalls schon bevor man mich sieht. Mir egal, ob im Büro, im Club, auf dem Klo, oder daheim. Ja, ich bin einer dieser Raumfüller, die niemals nur zwei Sprühstöße nehmen. "Sieben bis zehn, und sie werden auf die Knie geh'n!". Und beschwert sich irgendwann doch mal ein nerviges Sensibelchen, so kann man davon ausgehen, dass ich am nächsten Tag aus Prinzip elf Sprühstöße nehme, bis auch bei besagter Person die vollständige Anosmie einsetzt. "Nimmste elf, und gibst voll auf die zwölf!" Ich finde es aber natürlich auch toll, wenn andere stark nach Parfum riechen, vor allem Frauen. Bitte, sprüht alle mehr. Danke.

Jedenfalls hatte ich durch "Masculin Pluriel" die ungefähre, moderne Fougère-Richtung für mich entdeckt. Irgendwann kam ich durch meine Recherchen wieder auf "Beau de Jour", welchem ich beim Testen spontan eine zweite Chance gab, obwohl sonst nicht mal Menschen diese von mir bekommen. "Beau de Jour" wusste diese außerordentliche Chance auch gleich zu schätzen, so dass er mich unerwarteterweise umhaute. Ich konnte meine Nase nicht von meinem Handrücken nehmen. Zwar kaufe ich meine Düfte grundsätzlich nicht in deutschen Parfümerien, sondern nur in manchen französischen oder belgischen Online-Dufthäusern wo die Preise trotz fehlendem Rabatt meist um die 25% günstiger (!) und die Beigaben dennoch hochwertiger und teurer (!!!) ausfallen, doch den "Beau de Jour" hätte ich wohl trotzdem gleich mitgenommen, wenn nicht nur ein Tester im Regal gestanden hätte. Das war aber vermutlich ein Zeichen dafür, dass ich grundsätzlich keine Ausnahmen machen soll. Zeichen wahrgenommen. Von der preislichen Differenz kann man schließlich ein 250 gr-Steak essen gehen.

Mit meiner Nase an meinem Handrücken fragte ich mich: "Wie konnte ich diesen Duft mal nicht besonders finden?" Es war doch noch gar nicht so lange her, dass ich ihn das erste Mal getestet hatte. Er ist alles, was "Masculin Pluriel" auch ist, aber mit mehr Dimension und Tiefe. Übrigens vergleiche ich die beiden, weil die Lavendelnoten sich sehr ähnlich sind. Nur fehlt dem "Masculin Pluriel" einfach das Drumherum des "Beau de Jour". Eigentlich müsste er statt "Pluriel" im Vergleich eher "Singulier" heißen.
"Beau de Jour" riecht wie frisch aufgetragener Rasierschaum, den man den ganzen Tag über riecht. Männlich, herb, leicht krautig, und durch die unterschwellige Süße einfach perfekt ausbalanciert. Ich kann mir einfach keinen besseren Fougère mit modernem Twist vorstellen. "Beau de Jour" ist DIE Kreation in dieser Hinsicht. Weitersuchen? Nicht nötig! Ich weiß es einfach. Und diese Haltbarkeit erst! "Sieben bis zehn, und du wirst am nächsten Morgen mit dem Beau aufsteh'n. Und der "Pluriel"? Der musste schon kurz nach Beginn der Party völlig feddisch heimgeh'n."

Falls jemanden die Komplimente interessieren (mich eher weniger, sind sie für mich doch eher ein netter, unwichtiger Bonus): Ich wurde direkt beim ersten Tragen im Restaurant positiv bemerkt, als ein Herr am Nebentisch meinte: "Oh, hier riecht es auf einmal so gut!", woraufhin seine Begleitung antwortete: "Der junge Mann da kam ebengerade."

Zwar kommt der Bart auch jetzt nicht ab, aber "Beau de Jour" ist endlich ein Fougère mit moderdem Twist, welchem der Bart (oder umgekehrt) perfekt steht. Natürlich wurde nach Erhalt des ersten Flakons auch gleich ein zweiter nachbestellt - man weiß ja nie, was die wieder reformulieren. Und bevor sich der Beau irgendwann dem Pluriel angleicht, gehe ich lieber auf Nummer sicher.

Nachtrag: Nun, nach exakt acht Stunden seit dem Aufsprühen (sieben Sprühstöße natürlich), spricht mich zufällig eine Kollegin an: "Wer riecht hier denn den ganzen Tag schon so gut? Das riecht wie Opium, und ist überall." Ich weiß nicht, ob sie die Droge oder den Duft meint, aber hey - es riecht gut, und es füllt die Räume, genauso wie ich es mag. Das ist ein Büroduft! Nicht dieser weichgespülte, hautnahe Kram.
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TomGehFord vor 2 Jahren 34 4
8
Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft
Intermezzo
In den 80er Jahren, als mein Vater noch in seinen Zwanzigern war, gab es wenige Orte weiter ein Tanzlokal namens "Tanzbar Intermezzo". Im Internet finde ich nur noch ein einziges S/W-Foto des Gebäudes, welches schon vor vielen Jahren umfunktioniert (oder vielleicht sogar abgerissen?) wurde. Das "Intermezzo" war sozusagen das "Odyssey 2001" aus "Saturday Night Fever", das legendäre "Studio 54" im Kleinformat ums Eck, der "Babylon Club" aus "Scarface." Jedenfalls war es das für mich, denn auch ich, 32 Jahre alt, kenne dieses Lokal - nämlich aus den Erzählungen meines Vaters, zufälligerweise auch ein wenig aus den Storys des Vaters meines besten Freundes, und somit einzig aus meinen Vorstellungen. Eine "Erinnerung" der etwas anderen Art sozusagen.

"Die hatten am Eingang sogar einen Tiger angekettet, bis das Amt was dagegen unternahm."
"Das Koks lag nur so auf den Tischen aus."
"Solche offenen Frauen werdet ihr leider nie mehr erleben."
"Es gab regelmäßig Razzien."
Die letzte Story gibt es zum Schluss - nicht schummeln!

Den Wahrheitsgehalt dieser Erzählungen kann man natürlich hinterfragen, dennoch ist es sehr schwierig herauszufinden, ob hier nicht doch eine dezente Romantisierung mitschwingt. Sei's drum - meine "Erinnerungen" an das 80er Jahre-Nachtleben sind maßgeblich von dieser Romantisierung beeinflusst worden. Vieles von damals ist heute sowieso gar nicht mehr vorstellbar, für damals aber sehr wohl. Das mit dem Tiger ist aber schon eine Nummer für sich, muss ich zugeben.

Die Schnauzerkonturen perfekt an die Lippenform angepasst, das weiße T-Shirt übergezogen, das Haar eine halbe Stunde lang zurechtgeföhnt, in die scharfen Jeans geschlüpft, und zu guter Letzt natürlich den Kragen des Sakkos hochgeklappt und die Ärmel hochgekrempelt. "Kragen hoch, Hose runter" lautete das Motto wohl nicht selten, und der erste Teil des Mottos wurde bereits vor dem Clubgang erledigt. Was erledigt ist, ist erledigt. Aber etwas fehlte noch. Wie wir alle wissen, wurde damals geraucht. Stark geraucht. Überall geraucht. Für Nebelschlussleuchten gibt es heute ja kaum noch Verwendung (hat die eigentlich je irgendjemand mal angemacht?), aber in den 80ern sah das bestimmt etwas anders aus. Den Rauchschwaden der damals noch ewig brennenden und heute vermutlich reformulierten (höhö) Camel-Stängel konnte man nur mit etwas besonders Starkem, Penetranten, Ultramännlichem auf den Pelz rücken, z. B. "Chanel - Antaeus", "Guy Laroche - Drakkar Noir", und natürlich dem wenige Jahre zuvor erschienen "Azzaro - Pour Homme". Wer noch nicht alt genug war in die Disko zu gehen, für den begann das Erwachsenenalter schlagartig mit dem ersten Sprühstoß eines dieser Männlichkeitselixiere. Vater entschied sich für den "Azzaro".

Gewürze, Leder, Eichenmoos, Anis, Lavendel, Basilikum, Gewürze, TESTOSTERON. Wir reden hier von viel Testosteron, in etwa 9,80 µg/l. Soviel Testosteron, dass die Wurzeln der Brusthaare noch am Rücken zu ertasten sind. Das ist "Azzaro", bzw. das war "Azzaro". Auch heute noch ein ordentlicher Duft, ist die brutale Vintage-Variante natürlich erst recht für heutige Verhältnisse ziemlich heftig - wenn auch nicht zwangsläufig in Sachen Performance (welches ebenfalls top ist), sondern vor allem beim Duftprofil. Schwer vorstellbar, wie das "Intermezzo" damals gerochen haben muss. Schwere Damendüfte, noch schwerere Herrendüfte, Kippen, Alk, Eierschweiß, und etwas Tigerpipi. Nebenbei bemerkt: Animalische Düfte hatten damals wohl auch den Zweck, die exotischen Tierchen in den verschiedenen Lokalen etwas abzuschrecken, kann das sein?

Die ekstatischen Momente im Tanzlokal, die vielen Schulterpolster, volle Aschenbecher, Klassetypen und ebenso Klassefrauen, Fönfrisen, Musik, welche heute Klassikerstatus genießt, Barthaare im Urinal, wilde Kätzchen als Unterstützung für die Türsteher - an all das muss ich immerzu denken, wenn ich an "Azzaro Pour Homme" denke. Leider, um nun auch die versprochene letzte Story zu erzählen, enden meine "Erinnerungen" immer mit der folgenden.

Eines Nachts, die Tische und Taschen wieder voll mit allerlei "Stoff", welchen mein Vater nach eigener Aussage angeblich nie anfasste, gab es eine Razzia. Der Freund meines Vaters, nicht ganz unschuldig, ergriff die Flucht im Auto, überschlug sich, und landete im Krankenhaus. Das letzte, was mein Vater von ihm hörte war, dass er irgendwann im Gefängnis gestorben war. Ich habe vor vielen Jahren mal ein Foto dieses Freundes gesehen: schwarzes Haar (natürlich meisterlich zurechtgeföhnt), schwarzer Schnauzer, schwarzes Sakko, ich glaube ein weißes Hemd, und eine verdammt coole rote, schmale Lederkrawatte. Manchmal ist es doch ganz gut, dass man einige "Erinnerungen" nicht selbst macht.
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