TomGehFord

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TomGehFord vor 2 Jahren 12 2
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Duft
Synthbomber - einer DER Düfte unserer Zeit!
Man mag es kaum glauben, aber ich habe "Sauvage" bis vor zwei Tagen nie besessen. Zwar habe ich ihn schon relativ früh nach Erscheinen testen können (dasselbe gilt für sämtliche Flanker bis auf das "Very Cool Spray" mit der unsäglichen "Deoflasche"), jedoch war ein Kauf für mich nie wirklich erforderlich. Schließlich riecht man ihn beispielsweise in Frankfurt auch so alle 20 Sekunden an einer Ecke.

Ich erinnere mich jedoch noch an meine ersten Begegnungen (nicht jedoch die erste) mit "Sauvage", das muss so im Jahr 2016 gewesen sein. Schon damals fest entschlossen, dass "Aventus" der in sämtlichen Kategorien bestmögliche Duft aller Zeiten für den Mann ist (und auch viele weitere Jahre bleiben wird), saß ich einem Großkunden gegenüber. Er war bzw. ist einer der Kunden, die im Bauträgergeschäft tätig sind und wirklich alles leasen bzw. finanzieren, vom brandneuen Porsche Cayenne bis hin zur Nachtkommode. Nur der Einkauf beim Bäcker wird per Bankkarte bezahlt - selbstverständlich mit einem ausreichenden Dispo in Höhe von 50.000,00 EUR (blanko, also ohne Sicherheiten). Neben den (meist älteren) Privatpersonen mit hohem Barvermögen bzw. mittlerweile schuldenfreien Mieteinnahmen aus Immobilien machen diese Herrschaften die wichtigsten und größten Kunden aus. Sie dürfen im Gegensatz zum Normalo auch ohne vorherige Anmeldung am Schalter direkt die Treppe zum Berater hochrennen, reden meist so, dass man sie im ganzen Haus hört, gähnen auch mal auffällig laut in der Schalterhalle, und kommen teilweise auch mehrmals täglich ins Haus. Und da sitzt er mir nun gegenüber, in meinem Büro. Ein Duftschwall erreicht meine Nase. Ui, "Aventus"!

Wie in der Ausbildung gelernt und in der Praxis verfeinert, beginne ich standardmäßig mit dem ersten Schritt der ausgelutschten "KIV-Formel": Kontakt, Information, Verkauf. "Kontakt" steht für "Smalltalk". Ihr wisst schon, die öden Standardfragen wie es zum Beispiel der Frau geht, wie die Kreuzfahrt war, und so weiter. In dem Fall ist mein individueller Opener aber klar:

"Ist das Aventus?"
"Nein, ähm, den hat meine Frau gekauft...Ähhh...Sauvage."

Die Kontaktphase endet abrupt. Man bringt mich in der Regel mit nichts aus dem Konzept, aber in dem Fall war ich mir meiner Sache SO sicher, dass mir keine Antwort einfiel.

"Wie bitte?", dachte ich mir. Ich kenne doch "Sauvage". So riecht der Ambroxanbomber in der Luft? Ich konnte den Duft kaum von meinem "Aventus" (Info für die Aventus-Sammler: Batch "16J01" alias "Manventus", der mit fruchtigem Opening und fast schon aschiger Note im Drydown) unterscheiden. Und ich behaupte mal, dass meine Nase auch damals schon ziemlich gut trainiert war. Blasphemie hin oder her - da sieht man mal, wie anders Düfte auf der eigenen Haut als an anderen Menschen riechen. Bis auf Bergamotte und Ambergris (beim Dior in seiner höchst synthetischen Ausführung) haben die beiden Düfte eigentlich auch keinerlei Gemeinsamkeiten.
Naja, wenn man mehr als einen Liter "Aventus" zuhause gebunkert hat, braucht man den "Sauvage" nicht, dachte ich mir. Außerdem hatte ich nun für den Rest des Tages eine angenehm holzige "Sauvage"-Wolke in meinem Büro stehen. Dabei wollte ich der einzige bleiben, den man überall im Haus richen kann - auch nachdem ich bereits gegangen war. "Sauvage" war nun als "Aventus"-Klon von mir abgestempelt worden. Das war damals.

Es vergingen die Jahre, viele weitere Düfte wurden entdeckt, probiert, und die meisten davon hoffentlich zum letzten Mal. Irgendwann kam ich zu dem Schluss, dass die ganzen Nischenstinker doch eigentlich untragbar und noch dazu viel zu teuer sind. "Naxos"? Bäh, da kann ich auch in die Shishabar. Kopfschmerzen. "Hacivat"? Möchtegern-Kopfnotenblender, der zu lange im Moos lag. "Enigma?" Cola gibt's auch im Getränkeshop für etwas günstiger. Wer zur Hölle will so riechen? Parfums sind vielleicht eine Kunst. Aber Kunst ist für mich nur, was möglichst vielen gefällt. Wenn sich aber einzelne Spezialisten einbilden müssen, dass etwas besonders sei, dann sehe ich keine Kunst, sondern nur perfekte Manipulation.
Es musste also ein anderer Designer her. Einer mit Power, der ganze Räume füllt, männlich riecht, von mir aus auch ausgelutscht. "Sauvage" kam mir nach einigem Überlegen in den Sinn. Nicht das EDP, nicht das Parfum, und erst recht nicht das Lakritz-Elixir. Nein, das klassische EDT. Denn dieses EDT ist bald das "Cool Water", oder "Green Irish Tweed", oder "Acqua di Gio", oder "CK One", oder "Zino", oder "Fierce", oder "Azzaro Pour Homme", oder "Antaeus" der heutigen Zeit. Es wird als einer DER Klassiker in die Geschichte eingehen, ob wir es wollen oder nicht. Und irgendwann wird er vermutlich auch nicht mehr von jedem getragen werden. Mark my words.

Also bin ich in die Parfümerie gegangen, und habe den "Sauvage" als Abfüllung mitgenommen und aufgesprüht. "Haha", dachte ich mir. "Wie ich den mit "Aventus" vergleichen konnte? Naja, ich lasse ihn sich erstmal etwas entwickeln." Doch nach einer Stunde bin ich verwundert. Wieso riecht der so immer dünner?
Von "Aventus" bin ich auch das leidige Thema der Anosmie mehr als gewohnt. In der Community wird das schließlich fast täglich behandelt. Nach wenigen Stunden ist der Duft scheinbar weg, aber auch nach zehn Stunden wird man noch auf seine Duftwolke angesprochen. Die Haltbarkeits- und Sillagepunkte punkte hier sind daher nicht repräsentativ. Ist es bei "Sauvage" vielleicht dasselbe? Schließlich roch ich ihn damals auch immer anderen, und nicht an mir selbst. Also habe ich etwas von der Abfüllung dem Kollegen aufgesprüht, aber... Enttäuschung machte sich breit. Das ist doch nicht das Powerhouse, das ich in Erinnerung habe!
Ich fange an zu googlen: "Dior Sauvage Reformulation". Zahlreiche Beiträge werden angezeigt, selbst ein YT-Video mit Vergleichen der einzelnen Jahre. Nach etwas Recherche und Zusammentragen der Informationen komme ich zu dem Schluss: Dior hat es wieder getan. Sie haben genau dasselbe getan, was sie auch bei der "Homme"-Reihe mehrmals taten. TROTZ gleichbleibendem Formelcode (andere aktuelle Beispiele: "Homme Original" und "Homme Intense") werden die Düfte verwässert und so abgeschwächt. Beim direkten Vergleich auf der Haut sind die Unterschiede leicht erkennbar, sowohl im Duftprofil als auch bei der Haltbarkeit. Und bei "Sauvage" ging das Trauerspiel laut den Informationen wohl um 2018 los - exakt dann, als das EDP erschien. Welch Zufall.

Also ab zu eBay, und glücklicherweise einen brandneu verpackten 2017er "Sauvage" gefunden. Beim Aufsprühen war dann alles wieder in Ordnung: Ja, das ist der mittlerweile ausgelutschte, brutal projizierende Sauvage von damals. Auch wenn "damals" noch nicht lange her ist. Im direkten Vergleich mit der 2022er-Abfüllung konnte ich nur den Kopf schütteln. Aber der 2017er "Sauvage" war anders. Den ganzen Tag über nahm ich ihn war. Er projizierte wie verrückt, stieg mir immer wieder in die Nase. Seit dem Corona-"Reset" ist meine Nase auch gefühlt etwas besser, Anosmie tatsächlich seltener der Fall. Das ist der Duft, der die ganze Ambroxanwelle ins Rollen brachte. Er ist der Trendsetter, der moderne Klassiker, den jeder trägt - wofür er aber nichts kann, und was ihn definitiv keine Punkte kosten dürfte.

"Sauvage" riecht gut, metallisch, eindeutig männlich, holzig, und einfach "rund". Er ist ein Kind seiner Zeit - oder besser gesagt, er hat die Zeit mitgeprägt. Schade nur um den Formelschwindel von Dior. Wer einen von 2015 bis ca. 2017 besitzt: Mehr als drei Sprüher sind nicht nötig!
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TomGehFord vor 2 Jahren 8 1
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Duft
Ist älter immer besser? Silver Stem vs. Black Stem
Reformulierungen sind das gefürchtetste Thema überhaupt bei Düften. Es ist fast so sicher wie das Amen in der Kirche, dass ein erfolgreicher Duft, ganz egal ob Nische oder Designer, früher oder später reformuliert wird. Schuld daran sind nicht nur die Geldgier der Unternehmen nachdem die Stammkundschaft geködert wurde und das Produkt nun ein Selbstläufer in den Verkaufslisten ist, sondern beispielsweise auch neue Vorschriften, weil irgendein Wichtigtuer mal Hautausschlag von dem Wässerchen bekommen hat.
Auch "Dior Homme (2005)", welcher eine neue, sehr erfolgreiche, "metrosexuelle" und zudem ungewohnt pudrige Art von Herrendüften einführte, sollte im Jahr 2011 das Schicksal der Reformulierung ereilen, allerdings (vermutlich?) aufgrund eines Parfumeurwechsels. Diese Rezension verfasse ich als jemand, der zuerst die 2011er Variante entdeckt hat und somit beide Formulierungen vergleichen kann. Dafür musste ich vor kurzem (mal wieder aus dem Ausland) einen brandneuen 100 ml-Flakon eines 2008er Vintage Batches bestellen - in der sicheren Annahme, dass älter gleich besser ist.

"Dior Homme" (2005) startet deutlich lavendellastiger als die 2011er Variante. Es riecht eher wie von der alten Schule, klassischer, harscher, ja - sogar etwas männlicher. Dadurch entsteht meiner Meinung nach aber auch ein eher krautiges und tatsächlich unrunderes Opening.
"Dior Homme (2011)" dagegen beginnt eher smooth, mit einer perfekt in die Pudrigkeit eingebetteten, cremigeren Bergamotte. Vom Lavendel ist nicht viel wahrzunehmen, was ich auch begrüße. Alles riecht runder, und die Pudrigkeit kommt von Anfang mehr zur Geltung.

Wenn sich beide der Basis nähern, gleichen sie sich einander an. Beide werden pudriger, wobei bei "Dior Homme (2005)" der Lavendel noch wahrnehmbar bleibt. "Dior Homme (2011)" hingegen wird besonders weich, gefühlt etwas wärmer und vielleicht auch süßer, aber keinesfalls stickig-süß. Überhaupt würde ich beide Formulierungen nicht als "süß" bezeichnen, denn in dieser Kategorie fallen mir deutlich klebrigere Düfte ein.

Was die Performance angeht, so sind sich beide sehr ähnlich. Keine der beiden Formulierungen projiziert massiv, jedoch sind sie den ganzen Arbeitstag über wahrnehmbar, ohne zu nerven. Ich habe das Gefühl, dass "Dior Homme (2005)" vielleicht etwas leiser sein könnte - es kann aber auch meiner Nase liegen. Die Unterschiede sind wirklich marginal in dieser Hinsicht. Beide Varianten performen super für ein Eau De Toilette.
Die brutalen Ausmaße von "Dior Homme Intense (2007 / 2011)" nimmt das Ganze ohnehin nie an, wodurch "Dior Homme (2005 / 2011)" auch auf der Arbeit gut tragbar bleibt. Aufgrund des Dior-typischen, einem Feuerwehrschlauch gleichenden Sprühkopf genügen auch drei volle Sprühstöße, um einen durch den Tag zu bringen.

Ich persönlich nehme kein Leder in "Dior Homme (2005)" wahr, jedenfalls kein "typisches". Es ist vermutlich in geringer Dosierung perfekt eingebettet in den Gesamtduft, was natürlich für die tolle Qualität des Produkts spricht. Der Duft riecht überhaupt sehr hochwertig, und könnte auch als Nischenduft für das Dreifache verkauft werden.

Doch ist "Dior Homme (2005)" durch die Reformulierung in 2011 verschlechtert worden?
Nach mehrmaligem Ausprobieren lautet meine Antwort auf diese Frage ganz klar: Nein.
Demachy hat nach Übernahme des Labors den Duft nicht verwässert, sondern verbessert. Er riecht einfach runder, mindestens genauso stark und edel, und sogar kuscheliger, ohne dabei seine Tragbarkeit zu verlieren.

Natürlich hat "Dior Homme (2005) aufgrund seines berühmten "silver stem" (dem silbernen Röhrchen) einen Vintage-Bonus, jedoch habe ich mir dennoch nur von der 2011er Formulierung eine Reserve auf Lebenszeit angelegt, da diese einfach eher meinem Geschmack entspricht.

Fazit: Reformulation done right - jedenfalls für meine Nase. Ich verstehe dennoch sehr gut, wenn für viele Fans der ersten Stunde der rauere Charakter des Duftes mit Demachys Formel verloren gegangen ist. Manchmal ist eben wie in der Filmwelt: Der zweite Teil übertrifft das Original sogar noch - auch wenn sich die Meinungen in solchen Fällen dennoch selten zu 100% einig sind.

Info am Rande: "Dior Homme Original (2020)", welches angeblich identisch mit der 2011er Variante sein soll, ist eben nicht derselbe Duft. Es ist noch cremiger, etwas leiser, mit noch weniger Ecken und Kanten, und weist auch nicht mehr eine ganz so starke Performance auf - selbes Spiel wie bei "Dior Homme Intense (2020)" mit dem neuen Design auch.
Fans: Ab zu eBay, und spätestens jetzt Backups zulegen!
Mein "Dior Homme (2005)" mit dem "silver stem" wird vermutlich auch wieder verkauft.
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TomGehFord vor 2 Jahren 15
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Duft
Es kann nur einen geben
Wenn man mal die Wahnsinnsgeschichten rund um die angeblich seit Jahrhunderten treue, royale Kundschaft und unglaublichen Weltreisen des Familienpatriarchen voller olfaktorischer Inspiritationen ignoriert, kann das Traditionshaus Creed mit einigen Klassikern im Portfolio aufwarten, welche sich auch heute noch super verkaufen.

Ihr Klassiker der 80er Jahre dürfte zweifelsfrei "Green Irish Tweed" sein.
Als erster (für heutige Verhältnisse meiner Meinung nach dennoch eher leicht) maritimer Duft kam er zu Zeiten von "Miami Vice" & Co. genau richtig. Dennoch sollte man nicht den Fehler machen, ihn nur mit Sonnenschein, urbaner Umgebung und "style over substance" zu assoziieren.

"Green Irish Tweed" riecht nämlich nicht nur blau, sondern eher grün - wer hätte es bei dem Namen auch gedacht? Er riecht britisch, erinnert einen an die irischen Wiesen oder schottischen Highlands nach dem Regen, vielleicht sogar an einen Wald, in dem gerade ein britischer Lord spazieren geht - selbstverständlich im Tweed-Sakko . Er riecht aber zu keiner Zeit schmutzig oder dreckig wie z. B. manche Aventus-Batches, welche eine starke Patchouli-Note aufweisen, wie z. B. "16E21".
Die damals revolutionäre Formel, deren Nachwirkungen man bis heute spürt, ist tatsächlich so zeitlos wie es nur geht. Viele Düfte der 80er Jahre riechen heute altbacken, vor allem für jüngere Nasen. Nicht so "Green Irish Tweed". Natürlich "riecht" man ihm sein Alter durchaus an. Allerdings lässt er den altherrenmäßigen, für manche schon vermoderten Dachboden-Vibe von anderen Klassikern wie z. B. "Bois du Portugal" (mit dem sich der große kleine Napoleon natürlich im Jahre 1987 noch eindieselte) vermissen.

Zwar wurde "Green Irish Tweed" einige Jahre vom selben Parfümeur mit "Cool Water" ziemlich deutlich (aber natürlich dennoch mit Qualitätsabstrichen) kopiert und die Duftformel so endgültig legendär, jedoch wurden beide Düfte mit der Zeit reformuliert und zunehmend verwässert, so dass keiner von beiden noch die damalige Klasse aufweisen kann.
Gerade bei Creed-Düften ist man sich natürlich der Wichtigkeit der Jahrgänge und seiner Batches bewusst. Vor allem mir als leidenschaftlichem Creed-Sammler war es daher wichtig, "Green Irish Tweed" in seiner vollen Pracht zu finden.

Gestern habe ich endlich einen noch brandneuen und ungesprühten Vintage-Flakon aus Argentinien erhalten, welcher noch nicht einmal einen Batchcode vorweisen kann. Der (im übrigen wunderschöne) Flakon sollte demnach ca. von 1998-2003 sein. Und was soll ich sagen - er riecht einfach unglaublich edel, natürlich, edel, zeitlos, britisch, edel, edel, klassisch, schön, und natürlich männlich. Direkt beim ersten Sprühstoß wird man in eine bessere Zeit versetzt. Die Unterschiede zu neuen Batches sind für mich, wie so oft, enorm.

Im Verlauf entwickelt sich der Duft zu einem herrlich natürlichen Ambergris-Erlebnis (hat man damals noch echte Walkotze benutzt?), welches von der Creed-typischen Moschus-Basis getragen wird und den Duft sauber ausklingen lässt. In Sachen Natürlichkeit kann man den damaligen Creeds einfach nichts vormachen. Die Haltbarkeit lässt ebenfalls nicht zu wünschen übrig und hält locker einen ganzen Arbeitstag durch, die Sillage ist eher moderat und genau richtig. Empfehlenswert ist der Duft eher für gestandene Männer ab 30, welche noch zu ihren Prinzipien stehen und sich auch heute nicht versch... lassen.

Natürlich darf bei meiner Rezension zu diesem mächtigen Klassiker der Bezug zur Filmwelt ebenfalls nicht fehlen. Mit welchem Film assoziiert man denn nun einen Duft, wenn er einen u. a. an die Highlands erinnert? Ist doch klar: An den Klassiker aus demselben Jahr, welcher mit Silberblick, Queen-Mucke ("Who wants to live forever") und rollenden Köpfen ebenfalls zur Legende wurde: "Highlander"!

Es kann eben nur einen geben, und für sehr viele Nasen dürfte "Green Irish Tweed" DER EINE Duft aus den 80ern sein. Ich würde zwar keinesfalls forever leben wollen, aber dafür gerne mal wenigstens einen Tag in diesem Jahrzehnt, das mich so sehr fasziniert. Es erklärt sich von selbst, dass ich an Nachschub in Vintageform nachdenke...
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TomGehFord vor 2 Jahren 24 6
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Duft
Königlicher als andere Creeds
Creed ist eine meiner liebsten Duftmanufakturen, obwohl der Verkauf an BlackRock (die Haupteigentümer des Planeten Erde) natürlich den Ruf ordentlich geschädigt hat, von den zahlreichen Reformulierungen und nach wie vor dreist kommunizierten Lügengeschichten zur Firmenhistorie ganz zu schweigen. Klar, ohne zwielichtige Machenschaften kommt man selten zu viel Geld. So funktioniert das Business nun mal. Man muss daher immer das Produkt von den dahinterstehenden Personen trennen können. Ein Beispiel hierfür wären diverse Filmklassiker, bei denen Harvey Weinstein als Produzent fungierte. Man kann sich zwar eine Meinung zu Weinstein bilden, aber muss die Filme als etwas Alleinstehendes betrachten.
Ein Lesetipp am Rande: Das (in englisch verfasste) Buch "The Ghost Perfumer" von Gabe Oppenheimer, welches die Entstehungsgeschichte von "Aventus" (des meiner Meinung nach besten und perfektesten Männerduftes aller Zeiten), dessen möglicherweise bewusst geschaffene Batchvariationen, sowie die totale Ausbeutung Christophe Heraults als tatsächlichem (Ghost-)Parfümeur durch Olivier Creed beleuchtet, ist sehr interessant. Ja, "Aventus" wurde tatsächlich von Christophe Herault kreiert, und nicht von Olivier Creed oder dessem Sprössling mit dem stark französischen Akzent.
Unabhängig von diesen Stories hat Creed schon einige Meisterwerke geschaffen. Man denkt hier neben "Aventus" zum Beispiel an "Green Irish Tweed", welcher (angeblich) auch heute noch u. a. von Sylvester Stallone und Prince Charles getragen wird, oder "Millesime Imperial", der (ebenfalls angeblich) für einen Sultan kreiert wurde, welcher die Creeds in Gold bezahlte - daher auch das Flakondesign.

"Royal Oud" hingegen, welcher 2011 erschienen ist, fristet fast ein Schattendasein - auch wenn er nicht ganz unbekannt ist.
Inspiriert wurde Olivier Creed (angeblich...) von dem Holz, Leder, Marmor und Gold der Saadabad-Palastanlage in Teheran. Unglaublich, wo der Oli (angeblich) so verkehrt. Ein Teil der Einnahmen dieses Parfums werden (ähem... angeblich) der Kinderhilfe in Indien gespendet. Die Finanzelite und ihre Vorliebe für Kinder. Schwamm drüber.

Man kann "Royal Oud" als eine tolle Mischung klassischer und moderner Duftnoten beschreiben, weder zu altherrenmäßiger, noch zu jugendlicher Charakteristik, weder schwacher, noch zu übertriebener Präsenz. Er riecht tatsächlich königlich, und wartet fast regelrecht auf ein royales Event, bei dem er eher durch leichte Zurückhaltung punkten kann. Dabei ist "Royal Oud" das absolute Gegenteil eines Kopfnoten-Blenders, da er im Verlauf immer schöner, runder und angenehmer wird. Der pfeffrig-zitrische Beginn, welcher von der harschen Libanonzeder begleitet wird, weicht dabei immer mehr einer weichen Sandelholznote. Für diesen Creed gilt: "In der Ruhe liegt die Kraft". Er projiziert zu Beginn leicht, ist aber nach kurzer Zeit schon hautnah, das allerdings für viele Stunden. Ich rieche ihn auch nach 12 Stunden noch in seinem für Creed typischen, saften Moschus-Drydown. Das titelgebende Oud ist dabei tatsächlich eher schwierig auszumachen, so dass "Royal Cedar" als Name treffender gewesen wäre. Aber das soll uns nicht weiter stören. Natürlich taugt der Duft auch als täglicher Begleiter, auch im Büro. Aber er schreit geradezu nach edlen, schicken Anlässen in entsprechenden Outfits. Vor allem im Herbst passt er Meinung nach perfekt. Beim Tragen dieses royalen Duftes sind Verwechslungen möglich. Ich wurde aufgrund meines Duftschweifs im Supermarkt für den Ayatollah höchstpersönlich gehalten, meine Einkaufstüten von Anzug tragenden Leibwächtern mit Goldbarren aufgefüllt, und ich mit dem Maybach nach Hause gefahren. Ein Ereignis, welches leider nur von Olivier Creed auf der Suche nach besonders hochwertigem Bio-Obst im Discounter beobachtet wurde.

In meinem Besitz befinden sich ein 75 ml-Tester des Batches 14A01 aus den USA (mit dem brutalen Vintage-Zerstäuber bzw. eher Wasserschlauch), welcher hier auch rezensiert wird, sowie ein 16L01 als 100 ml-Backup mit dem derzeit bekannten Sprühkopf.
Von den Batches nach 2019 sollte Abstand genommen werden, da das Fehlen des Lyrals einen seltsam trockenen, besonders harschen und flachen Duft bewirkt. Ich habe zuerst eine solche Charge getestet und bin froh, der Vintage-Variante blind eine Chance gegeben zu haben.
Es sind natürlich auch Creed-typisch einige professionelle Fakes (oft als Batch 19P01 oder 19P11) im Umlauf, vor allem auf eBay. Vorsicht ist also geboten. Ein Blick unter den Sprühkopf ist bei Zweifeln an der Legitimität eines Creeds immer empfehlenswert. Fans kennen den berühmten "Atomizer-Ring", nachdem man Ausschau halten muss. Ansonsten gilt wie immer: Eine Creed-Verpackung hat keine weißen Ränder, die Schriftart des Batchcodes am Flakon bzw. an der Packung muss passen, und der Sprühkopf sollte auch nicht "bearbeitet" aussehen, da sich viele (leider nicht nur bei eBay - ICH SEHE EUCH!) mit Refills einen lukrativen Nebenverdienst aufgebaut haben.

Ob die epischen Hintergrundgeschichten zu den jeweiligen Duftkreationen des Hauses Creed stimmen oder nicht, sie passen oft wie die Faust aufs Auge. Noch bevor ich die Inspiration zu diesem Parfum las, bezeichnete ich es schon als "flüssiges Gold", und das nicht nur wegen der Farbe des Inhalts, sondern tatsächlich auch wegen des Duftes - als hätte ich jemals flüssiges Gold gerochen. Aber genau so stelle ich es mir vor.

"Aventus" mag für viele, so auch für mich, der "King" sein. Doch eigentlich ist "Royal Oud" der reife, dabei aber nicht wirklich alte König, welcher die Eskapaden seines wilden Prinzen "Aventus" erträgt, seine Ruhe will, und daher lieber im Hintergrund bleibt.

Um die für meine Rezensionen übliche Brücke zur Filmwelt zu spannen, fällt mir sofort die allseits bekannte Ausgangssituation in den Filmen unseres liebsten italienischen Filmduos ein: Terence Hill ("Aventus") zieht laut die Aufmerksamkeit auf sich und provoziert mal wieder eine Schlägerei, in welche der sich eigentlich nur nach Ruhe und Bohnen mit Speck sehnende Bud Spencer ("Royal Oud") entgegen seines Willens hineingezogen sieht.
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TomGehFord vor 2 Jahren 24 6
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Sillage
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Haltbarkeit
8.5
Duft
Der kompromisslose T-800 im stillgelegten, verregneten Stahlwerk verteilt ordentlich Blei
Keine vier Jahre hat "TF NA" auf dem Markt überlebt. So kurzlebig sind Parfums selten; noch seltener aber hochwertige. Auch Honorine Blanc als Parfümeurin ist nicht gerade ein unbeschriebenes Blatt, und hat hier ein Statement in einem metallisch anmutenden, kalten, und doch wie die Faust aufs Auge passenden Flakon geschaffen. Schon bei Erscheinen habe ich ihn gerochen und Gefallen an ihm gefunden, aber irgendwie kam es nie zum Kauf. Ich habe gezögert, und als ich ihn kaufen wollte, war er schon eingestellt worden. Also ab zu eBay, und einen brandneu verpackten 100 ml-Flakon aus Griechenland bestellt.

"TF NA" ist ein Parfum mit extremer Botschaft. Man kann es natürlich auch einfach nur als Duft sehen (was es eigentlich ja auch ist), oder aber mit einer Message verbinden, um es für sich selbst zu etwas Besonderem zu machen. Wäre dieser Duft einige Jahre früher auf den Markt gekommen, hätte er sich womöglich sogar sehr gut verkauft. Das Problem ist hauptsächlich seine sehr einseitige, kompromisslose, spaßfreie, leider aus der Zeit gefallene Aura. Ganz egal, welche Gedanken einem beim Riechen dieses Duftwassers in den Kopf schießen - es sind keine fröhlichen, einladenden Gedanken, in denen rosa Wölkchen, Kuschelatmosphäre oder so etwas wie Wärme vorkommen. Die Überschrift dieser Rezension ist dabei nur eine von vielen Deutungsmöglichkeiten.

Ja, "TF NA" erinnert an einen Terminator im Bleihagel, einen Bleistiftspitzer in Aktion, oder einen kalten, sich gerade vom starken Regen erholenden Wald. Er riecht schwer nach Blei(stift), metallisch, kalt, abweisend, markant-männlich und vor allem kompromisslos konfrontativ. Er spielt keine Spielchen, er passt sich nicht an, er folgt keinen modernen Trends (eher verstärkt er ältere noch), und er steht unverkennbar über allem und allen. Vor allem aber verfolgt er einen knallharten Alpha-Frame. Kleiner Exkurs: Ein harter Frame (engl. "Rahmen") wird vor allem in der Persönlichkeitsentwicklung von der jeweiligen Person für sich selbst definiert, und stellt im Grunde die Zusammenfassung der eigenen Prinzipien, Ansprüche, Ansichten, Ideologien und Verhaltensweisen dar, von welchen unter keinen Umständen abgerückt wird, auch wenn diese Art des Handelns zahlreiche Verluste kosten mag. Aktionen und Reaktionen erfolgen somit immer im "Rahmen" der eigenen, klar definierten Vorstellungen. Gefälligkeit ist somit das ultimative Gegenteil eines harten Frames. Der Frame gilt daher auch allgemein als DAS kennzeichnende Merkmal des Alphamannes, auch in verschiedenen Subkategorien der Persönlichkeitsentwicklung. Unnötig zu erwähnen, dass diese Art der Selbstentfaltung heute nicht mehr gern gesehen ist.

"TF NA" ist genau dieser Frame zum Aufsprühen. Er hat keinen Bock auf seltsame, neumodische Erscheinungen, auf Softies und weichgespülten Quatsch. Er braucht klare Grenzen, eindeutige und straighte Regeln (die er selbst aufstellt), kein Wischiwaschi. Er ist knallhart und zieht sein Ding durch, bis ans Ende. Staubtrocken, unnahbar, fast schon gefühlslos, und nicht mal mit einem coolen Oneliner auf den Lippen. Ich spanne gern den Bogen zu Filmen, vor allem aber zu älteren, in denen männliche Hauptcharaktere im Fokus standen (siehe auch meine Rezension zu "Platinum Egoiste" bzw. "Egoiste Platinum", Vintage). Als Streifen fallen mir hierbei u. a. "Ein Mann sieht rot", "Django" oder eben der österreichisch-kybernetische Organismus mit lebendem Gewebe ein - natürlich allesamt ohne ihre ohnehin schon seltenen humorvollen Spitzen. Ein modernes Äquivalent wäre der Charakter des "Judge Dredd" (insbesondere aus der 2012 Variante "Dredd" und natürlich den Comics), welcher in einer dreckigen, schwer kriminellen Sci-Fi-Großstadt Polizist, Richter UND Henker in einem ist.
"TF NA" liest einem beim Vorbeigehen quasi die Rechte vor, richtet einen bei Nichtgefallen sofort hin, und schießt sicherheitshalber noch fünfmal nach, bevor er einem die Handschellen anlegt. Man könnte ja sonst mit letzter Kraft noch zu "One Million" zu greifen versuchen.

Natürlich spielt nicht selten die eigene Laune und Gefühlslage eine maßgebliche Rolle bei der Parfumwahl (ich gehe hierbei von mir aus). Für das Auftragen dieses Duftes empfehle ich ein Mindset auf Konfrontationskurs. Zur abendlichen Beruhigung bedarf es bei mir oft eines entspannteren, kuscheligeren Dufts, z. B. "Dior Homme Intense", sonst kann ich nicht einschlafen. Nur aufgrund dieses durchgängig nicht zur Ruhe kommenden, aggressiven Charakters, welcher wenig "Spaß" macht, bleibt "TF NA" die volle Punktzahl verwehrt.

Kernig, hart, kompromisslos, keine Gefangenen machend. Das ist "TF NA", und genau das war wohl auch sein verkaufstechnischer Niedergang. Ich finde ihn geil, und da zwei bis drei Sprüher wirklich mehr als ausreichen, wird er mir hoffentlich auch sehr lange erhalten bleiben. Tragbar bei Knastschlägereien zwischen Gittern und Stahltüren, auf der Flucht vor einem Terminator, oder beim Vorstellungsgespräch, wenn sich der zukünftige Arbeitgeber bettelnd auf die Knie begeben soll. Welch Ironie, dass ausgerechnet dieser kernige Duft von einer Frau kreiert wurde!
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