Undine

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1 - 5 von 30
Undine vor 11 Jahren 5
8
Duft
Duftgruß aus Urgroßmutters Zeit oder: Das Leichte, das so schwer ist
Als ich vor einigen Wochen ein Pröbchen dieses Duftes in den USA bestellte, trieb mich allgemeine Neugierde. Ich ahnte nicht, dass ich zwischenzeitlich einen Rosenduft für mich entdecken würde (siehe Kommentar zu "Rose Etoile de Hollande" von Mona di Orio). Nun, da das Pröbchen da ist, stehe ich Nicht-Rosenresli verblüfft vor zweifacher Rosenlust: Ja, auch "Guerlarose" würde ich tragen, sogar sehr gerne. Wenn der Duft denn zu haben wäre.

"Würde" und "wäre" bedeuten hier etwas, das die deutsche Grammatik nicht kennt: den Irrealis. Den Duft, 1930 erschienen, gibt es nicht mehr, er ist nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr produziert worden. Das Extrait, von dem das Phiölchen auf meinem Schreibtisch einen Viertelmilliliter enthält, ist also 70, 80 Jahre alt, ein Gruß aus Urgroßmutters Zeit.

Die Antiquität hat die Zeit erstaunlich gut überstanden. Die Flüssigkeit ist hell, und sie riecht klar und rein. Nichts ist gekippt, kein "Kopfnote kaputt"-Eindruck stellt sich ein, und der Verlauf wirkt harmonisch von Anfang bis Ende; kein Ungleichgewicht, kein Bruch, kein Über-die-Stränge-Schlagen einzelner Komponenten, wie man es bei schlecht gealterten Düften findet. Nur ist das Ganze sehr verhalten; ein so schüchternes Stimmchen dürfte das Parfum zu seiner Zeit nicht gehabt haben ;-).

Die Rose ist eine Damaszenerin, mit aller Fülle, die dazugehört. Trotzdem erscheint sie leicht und luftig – Duftmagier Jacques Guerlain hat ihr die schwere Süße weggezaubert, mit Zutaten, die ich nicht mit Gewissheit identifizieren kann (zumal der Duft sich ja insgesamt nicht sehr deutlich zu erkennen gibt, ich muss schon Arm und Nase nah zusammenbringen, um sein Wispern zu vernehmen).

Helle, unsüße Blüten sind dabei, ein Teelöffel voll. Dazu ein halber Teelöffel Grün. Später folgen Würziges und Holziges, eine Messerspitze Vanille (kaum süßes Mark, mehr herbe schwarze Schote), zwei Messerspitzen Sandelholz (milde Sorte, Mysore, cremig-milchig, nicht der heute häufige Hallo-Wach-Typ). Vermutlich eine Messerspitze Vetiver. Eine Prise Pikantes, eine Prise Harzig-Balsamisches (Styrax? Benzoe? Amber?). Das Ergebnis ist eine frische, natürliche, junge Rose auf wunderbar weichem, warmem Grund, "très Guerlain", traditionell und doch zeitlos. Für die Trägerinnen sicher weniger herausfordernd als, beispielsweise, "Sous le vent" oder "Vol de Nuit", eher dekoratives Sens-bon. Und für den Parfümeur vielleicht nur eine Fingerübung. Aber er hat sie sorgsam und liebevoll absolviert – und das Leichte, das so schwer ist, ist ihm aufs Glücklichste geraten.

"Guerlarose" gibt es nicht mehr. Nur als Antiquität ist das Parfum noch hie und da zu haben, zu Antiquitätenpreisen :-(. Und mag ein Duft noch so gut erhalten sein, die Jahrzehnte gehen nicht spurlos über ihn dahin – wir Heutigen riechen nur mehr einen Schatten des Originals...

Doch auch dieser Schatten ist schön. Die letzten ein, zwei Tröpfchen aus meiner Phiole werde ich in den nächsten Tagen genießen. Mit Vergnügen, ohne Trauer. Habe ich "meinen" Rosenduft doch schon woanders gefunden :-).

P.S. Schade, dass man bei der Tortengrafik rechts unten nicht gewichten kann. "Blumig" ist bei diesem Duft der absolut dominierende Eindruck, nichts macht der Rose die Herrschaft streitig. Doch was man sonst noch riecht, soll ja auch nicht verschwiegen sein ;-).
5 Antworten
Undine vor 11 Jahren 14
10
Flakon
5
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft
Ein Rosenleben
Rosen, zum Ersten:
Juni. Morgens vor der Arbeit durch den Garten streifen und die Nase in Blüten stecken. Hier volle, satte Damaszener-Süße, da tiefer, dunkler Rose-Rouge-Duft, dort die eigenwillige Myrrhe-Note englischer Rosen; woanders – bei gelben, zartrosafarbenen oder weißen Blüten – leichte, frische Aromen mit fruchtigen Beiklängen, reife Banane, weißer Pfirsich, süßwürziger Apfel, etwas Orange.

Nach Feierabend in die Handschuhe schlüpfen, ellbogenlang, stacheldicht. Die Schere her, Welkes abschneiden. Nach getaner Tat die nach Leder und Grünem riechenden Hände eintauchen in den Eimer voller Blütenblätter, Düfte aufwirbeln. Rosen, Rosen, Rosen, nun unterlegt mit einem Hauch von Erde und Heu, trockener als am Morgen, zerbrechlicher, hinfälliger.

Juni-Besuch in einem fremden Garten. Im Rosenbeet wachsen Kräuter. Nicht nur Lavendel, der Rosen gern zugesellt wird, sondern auch Thymian, Majoran, Ysop, Bohnenkraut, Rosmarin. Absicht, sagt die Gärtnerin: Rosenduft pur ermüde mit seiner Lieblichkeit; im Kontrast zur herben Bitterkeit drumrum nehme man ihn viel intensiver wahr.

Rosen, zum Zweiten:
Sie ist eine berühmte Unbekannte, die Kletterrose 'Etoile de Hollande', die Modell gestanden hat für Mona di Orios olfaktorisches Pflanzenporträt (ein Exemplar davon, so heißt es auf der Firmen-Website, habe die Parfümeurin kennengelernt an der Wand des Hauses im provençalischen Cabris, in dem sie lange gearbeitet hat). Vielen Rosenliebhabern ist die Sorte dem Namen nach geläufig. Doch in kaum einem Garten ist sie zu finden, kaum jemand – ich auch nicht – kennt mehr von ihr als Beschreibung und Bilder in der Datenbank www.helpmefind.com. Denn Liebhaber mit Sammler-Tendenz sind Snobs ;-): Kostbaren Gartenplatz (und davon braucht eine Kletterrose viel) ausgeben für eine gewöhnliche Teehybride in noch gewöhnlicherem Scharlachrot? Och nö, Rarissima sollen es sein, halb vergessene Sorten, päppelbedürftige Sensibelchen. Und ausgefallene Farben, Mauve, Bläulichviolett, Milchkaffeebraun, fast schwarzes Rot.

Rosen, zum Dritten:
Rosenparfums? Für mich Dauerfrust. Schwer, zuckrig, seifig, synthetisch, stechend, auftrumpfend, (vor)laut, vulgär, überwürzt, gestelzt, banal, brav, zum Gähnen bieder, mädchenhaft niedlich bis zum Fürchten neckisch – alles, was ich partout nicht leiden kann, war über die Jahrzehnte dabei. Nie Rosenduft, wie ich ihn liebe. Die Suche danach hatte ich längst aufgegeben, skeptisch nahm ich das Pröbchen zur Hand.

Und dann die Überraschung: Das ist es.

Rose. Lieblichkeit ohne Süße, Kraft ohne Schwere. Frisch-fruchtige Noten mischen mit, doch ganz leise – die Farb-Frage ist sofort geklärt: kein Damaszener-Tiefrosa, kein schwarzer Samt, kein Weiß, kein Gelb, diese Rose blüht leuchtend dunkelrot. Zu Anfang kann sie sich noch nicht ganz durchsetzen, spielt nur eine von zwei (oder drei?) Hauptrollen, neben Erde und taufeuchtem Grün. Rasch wird das Blütenaroma deutlicher, ohne seine Transparenz zu verlieren. Zugleich erwacht Würziges, wie man es aus anderen Mona di Orio-Düften kennt (da ist sie, die Gärtnerinnenweisheit, dass herbe Kontrast-Aromen dem Rosenduft gut tun ;-)...). Auch in der Folge bleibt die Rose nie allein, sie hat immer Begleiter. Die einzeln zu identifizieren, fällt mir freilich schwer, sie sind stets innig miteinander und mit dem Rosenduft verschränkt zum Gesamt"bild". Zu Beginn empfinde ich "Junimorgen", siehe oben; ein paar Stunden später ist es "Juniabend", ebenfalls siehe oben. Zwischendrin und danach sind da eine mittagsglühende Bruchstein-Mauer, kalkig staubend; dichtes Gezweig mit Gewitterschauertropfen drauf; Laub am Boden, erdig, modrig; lange Schatten im Licht der sinkenden Sonne; und schließlich eine milde Sommernacht, in die die hinreißend weiche, warme Basis regelrecht einzumünden scheint, immer noch rosig, aber nun nicht mehr "pflanzlich" getönt, sondern harzig-balsamisch.
Über den gesamten – langen! – Verlauf ist der Duft aufs Delikateste ausbalanciert. Perfekt. Jedoch nicht im Sinne kalter, steriler Floristenrosen-Perfektion. Mona di Orios olfaktorische Rose hat Macken, hier ein Blattläuschen, dort ein Insektenfraßloch, da eine bereits vergangene Blüte. Sei's drum, morgen werden sich neue Knospen öffnen. Und übermorgen, nächste Woche, nächstes Jahr...

Von "verwobenem Stoff" hat Louce in ihrem Kommentar zu Mona di Orios Oud-Duft gesprochen. Und davon, dass die in der Pyramide gelisteten Duftnoten nicht für sich selber wichtig sind, sondern nur als Begleiter der Hauptnote, als deren "Fassung". So ähnlich ist es auch hier. Wobei mir ein musikalischer Vergleich treffender vorkommt. Denn der Duft ist nicht statisch, sondern fortwährend in Bewegung, ein Prozess in der Zeit: Die "Begleiter"-Noten orchestrieren die Zentralnote und entwickeln sie dabei – eine kleine Motivzelle wächst zum Thema, dessen Ausdrucks- und Klangpotenzial entfaltet und ausgelotet wird. (In farbenreicher, aber kleiner Besetzung, Kammerorchester: Der Duft ist zwar deutlich vernehmbar, doch er bleibt körpernah.)

Ein Rosenparfum? Nein. Mehr.
Der Duft erzählt ein Rosenleben. Ein Leben. Leben.

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Gleichzeitig mit der Duftbestellung habe ich eine zweite Bestellung auf den Weg gebracht – für die Rose 'Etoile de Hollande'. Der Flakon ist längst da, mit der Pflanze wird es noch dauern: Bei Rosenschulen beginnt die Ernte frühestens Mitte Oktober. Bis dahin werde ich einen passenden Platz im Garten gefunden haben. Und im nächsten Sommer werde ich wissen, ob Mona di Orios Rosen-Porträt eher naturalistisch ist oder eher abstrakt ;-).
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Nachtrag 31.10.13:
Heute habe ich sie gepflanzt, die Rose 'Etoile de Hollande'. Möge sie gut durch den Winter kommen und dann im Juni duuuften :-).
14 Antworten
Undine vor 11 Jahren 13
7.5
Flakon
5
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft
Lockruf der Ferne oder: Seliges Vergessen
Nach Tagen auf See, unter südlicher Sonne, endlich Land in Sicht. Wie heißt das Eiland, vor dem wir ankern? Wer sind seine Bewohner? Am Strand, dem wir im kleinen Beiboot zurudern, haben sich Menschen versammelt. Sie sprechen zu uns; aber was sagen sie? Wir versuchen es in allen Sprachen, von denen wir ein paar Brocken beherrschen, doch mit Worten können wir einander nicht erreichen. Allgemeines Schulterzucken. Dann allgemeines Gelächter. Eine Frau tritt auf uns zu, braune Haut, dunkle Locken, blitzende schwarze Augen, und bietet uns Obst an. Wir danken mit Gesten, beißen mutig in die unbekannten, duftenden Früchte, Saft tropft uns aufs Kinn. Köstliches Aroma, das wir noch nie geschmeckt haben, belebt uns: etwas Süße, ein bisschen Säure, eine Prise Bitterkeit – erfrischender könnte die Mischung nicht sein.

Die Einheimischen dirigieren uns zu einem Weg. Bäume säumen ihn, an denen wir die Begrüßungsfrüchte entdecken. Und zugleich bizarre Blüten, fremdartig duftend – nicht süß, nicht betäubend, sondern mild, sanft, weich. Von ferne weht Rauch herüber, ein balsamischer Hauch. Die Inselbewohner haben uns gastfreundlich ihren Kreis geöffnet, wir sitzen auf dem Boden, im "Gespräch" mit Händen und Füßen. Längst ist die Mittagshitze gewichen, die Sonne sinkt, die Schatten werden länger und tiefer, doch angenehme Wärme bleibt. Leichter Wind bringt Abenddüfte mit, fremdartig auch sie – verlockend… Wir Reisenden schauen uns an, wir sind uns ohne Worte einig: Wir sind neugierig auf das Innere der Insel. Wir möchten es erkunden, erleben, erfahren, mit allen Sinnen. Wir möchten verweilen. Lange.

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Natürlich kann man sich diesem Duft auch anders nähern. Kann beispielsweise – mit Anstrengung – der Duftpyramide nachspüren. Aber wozu? In der Kopfnote führen Ananas, Galbanum und Orange kein Eigenleben: Patricia de Nicolaï hat die vertrauten Noten so vermischt und verwoben, dass daraus Neues, Unbekanntes entsteht. Auch in der Herznote sticht nichts Einzelnes heraus, selbst die sonst oft vorlaute Tuberose singt brav im (nie gehörten!) Blüten-Chor. Die Basis rundet, vollendet, steigert die Stimmung: Noch nie ist mir ein Parfum begegnet, das den Lockruf der Ferne, des Reisens so plastisch, so kraftvoll in Duft "übersetzt".

Wobei man hier ohne Reiseleitung unterwegs ist, ohne Rundum-sorglos-Garantie, ohne klimatisiertes Quartier. Ohne GPS, mit nur ungefähren Karten – diese Reise führt ins Unbekannte. Das bedeutet Mühsal, Risiken, Gefahren. Doch es bedeutet auch den Reiz des Abenteuers, das Glück des Entdeckens, den Reichtum des Neu-Erfahrens, die hellwache Lebendigkeit des "Zum ersten Mal". Alexander von Humboldt und Aimé Bonpland mögen so durch Südamerika gereist sein, Maria Sibylla Merian durch Surinam, Carl Peter Thunberg durch Südafrika und Japan.

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Der Name des Parfums ließ mir keine Ruhe. Was ist so Besonderes an der Syrtenküste? Die Geografie half mir nicht weiter; eine Fährte fand ich erst beim Blick in die Literatur. Nach jahrzehntelanger Forschungsarbeit haben Altphilologen und Archäologen es geschafft, den Stationen der homerischen Odyssee konkrete Orte zuzuordnen. Am Syrtenufer (beziehungsweise auf der nahen Insel Djerba), da sind die Forscher sicher, begegneten Odysseus und seine Gefährten den Lotophagen, einem freundlichen Volk, das die Fremden mit "Lotos"-Früchten bewirtete. Und kaum hatten die Gäste gegessen, lebten sie nur mehr im Hier und Jetzt, wollten bleiben und nicht zurück aufs Schiff; sie wussten nicht mehr, wer sie waren und was ihr Ziel war, seliges Vergessen umfing sie. "Seliges Vergessen", samt Risiken und Nebenwirkungen: Auch das ist "Le Rivage des Syrtes".

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"Le Rivage des Syrtes" ist zudem der Titel eines grandiosen Romans. Julien Gracq, ein berühmter Unbekannter der französischen Literatur, hat ihn 1951 geschrieben. (Ich hatte von dem Buch gehört, es aber nie gelesen; das habe ich nun um des Duftes willen nachgeholt – Parfumo bildet ;-)))…) Gracq schickt darin einen jungen Mann auf die Reise. Aldo, der Ich-Erzähler, gehört dem Staat Orsenna an, einer großen, aber bis zur Morbidität überalterten Zivilisation. Orsenna ist seit 300 Jahren verfeindet mit dem wilden, barbarischen Farghestan. Doch so lange Orsenna feste Regeln einhält und einer bestimmten Meereslinie an der Syrtenküste – sie bildet die Grenze – fernbleibt, bleibt der Krieg kalt. Das starre Regel-Korsett, das die gesamte Gesellschaft einzwängt, hat freilich einen hohen Preis: Das Leben in Orsenna lebt nicht. Aldo, auf der Suche nach Lebendigkeit, bricht das Tabu, überschreitet die Grenze und beschwört so einen "heißen" Krieg herauf. Was schließlich geschieht, deutet der Text nur an: Der Kampf bedeutet Orsennas Untergang – und zugleich die Rückkehr des Lebens.

Der Duft ist eine eigenwillige Hommage ans Buch. Er schickt einen auf die Reise, in helle, heitere Fernen; die düsteren, beklemmenden Momente, die der Text heraufbeschwört, kann man dabei allenfalls ahnen, als Kontrast und Kehrseite. Der Duft nimmt Partei: fürs Abenteuer, fürs Wagnis. Fürs Durchatmen. Für die Schönheit, die Lebendigkeit.

Aber ist das nicht ohnehin das, wofür Duft steht?
13 Antworten
Undine vor 11 Jahren 5
2.5
Flakon
2.5
Sillage
5
Haltbarkeit
7
Duft
Nebliger Nordsee-Lavendel
Der Bruder Etikettenkleber sollte dringend sein Symmetriegefühl trainieren. Oder aber richtig schräg und schief bappen, auf kreative Art. So wie jetzt – zwar senkrecht, aber absolut nicht mittig – ist das irgendwie halbherzig ;-).

Der Bruder Kalkulator und der Bruder Einkäufer sollten mal beratschlagen, wie sie dem 28ml-Flakönchen einen solideren Verschluss verpassen könnten als das bisherige klapprige, dünne Schraubkäppi (ein Zerstäuber würde nicht schaden). Wenn sie dann den Preis um ein paar Cent oder Pennies erhöhen müssten, nähmen es die Kunden sicher nicht übel.

Denn der Inhalt des Fläschchens verdient liebevolle Verpackung: Der Bruder Duftmischer hat einen guten Job gemacht.

Einen leichten, dezenten Duft hat er hergestellt; so gehört es sich für ein Lavendelwasser. Kein "Kraut"- Lavendel mit staubig-grauem Blätter-und-Holz-Beiklang, sondern Blütenaroma, sanft und weich. Und dabei, wie die Vorschreiber schon festgestellt haben, erstaunlich haltbar. Es ist zugleich ein sehr "britischer" Duft: kein kecker Tanz der Duftmoleküle, sondern pudrig gebändigt; kein knallblauviolettes Lavendel-Leuchten wie unter provençalischer Sommersonne, sondern blasslila Blüten hinter zartem Nebelschleier; authentisch, aber gezähmt.

Er hat was, dieser neblige Nordseeinsel-Lavendel. Nicht unbedingt als "Parfum" im klassischen Sinn. Wohl aber als entspannender Wohlgeruch zwischendurch: ein Tropfen aufs Handgelenk, eine Nasevoll Duft atmen, "aaah!" – so riecht Ruhe. Das Wässerchen verströmt Gelassenheit. Das passt zu einem Klosterprodukt.

(Auf der Website der Caldey Abbey gibt es ein Gruppenbild der Mönche. Wer mag da wohl wer sein?)
5 Antworten
Undine vor 11 Jahren 3
10
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
6
Duft
Schwelbrand in der Bibliothek?
Der erste Duftsprüher schaltet das Kopfkino ein. Und was für eins! Ich bin – im Kino. Oder im Lesesessel? Jedenfalls mittendrin in Umberto Ecos "Der Name der Rose". Im labyrinthischen Treppenhaus des Klosterturms steige ich vom Skriptorium empor zur Bibliothek – und es riecht alarmierend. Rauchig. Zwar nicht nach dem Rauch eines lichterloh lodernden Feuers. Aber den dunklen hölzernen Regalen, den schweren Folianten aus handgeschöpftem Papier, den ledernen Bucheinbänden, den betagten Pergamenten, den Papyrusrollen aus uralter Zeit ist offenbar heiß, viel zu heiß. Da schmort was. Schnell, rettet die Bücher, die Schriften, das kollektive Gedächtnis, die Kultur!

Das Mobiltelefon fliegt mir regelrecht in die Hand, mit bebenden Fingern wähle ich die 112: "Schwelbrand in der Bibliothek, beeilen Sie sich bitte!" – "Unsere Leute sind schon da", antwortet der Feuerwehrmann, "aber nur vorsichtshalber. Der Bibliothekar hat vor ein paar Minuten Bescheid gesagt, dass er den Klimatechniker gerufen hat; wahrscheinlich spinnt wieder die Klimaanlage." Eine halbe Stunde später – der Rauchgeruch ist immer noch unverkennbar – kommt der Spezialist aus dem Keller: "Die Automatik hatte irrigerweise aufs 'Wassergefahr'-Programm umgeschaltet: Heizen, heizen, heizen, Luft trocknen. Ist korrigiert, sollte bald alles wieder normal sein. Ich gehe mal die Sensoren checken, mindestens einer muss kaputt sein."

Ganz beruhigt bin ich noch nicht. Der Bibliothekar auch nicht. Doch der Techniker behält Recht. Die Temperatur sinkt, die Luftfeuchtigkeit steigt, eine Stunde später ist der Rauch verweht. Jetzt ledern Folianten und Pergamente milde vor sich hin. Die Wintersonne bringt Spinnweben und Staub ans Licht, auch olfaktorisch. Und sie lässt duftendes Harz aus dem frischen Holz tropfen, aus dem die Tischler neue Regale bauen wollten (der Bibliothekar hat das Billigmaterial erzürnt zurückgewiesen, die Handwerker haben es dann einfach vorm Fenster stehen lassen).

Graugrüne und dunkel-balsamische Aromen mischen sich ein. Der Bibliothekar zieht die Brauen hoch: Was ist das? Woher kommt es? Beim Kontrollgang durch den Lesesaal findet er die Quelle. Auf einem unbesetzten Tisch steht ein Metallkästchen mit Räucherkram, ein paar Vetiverblätter, ein paar Patchouli-Stengel, ein paar Krümel Zistrosenharz. Das Metall ist heiß – der Leser hat daneben seine Brille zurückgelassen, und die Wintersonne hat ihr Werk getan. Bedächtig rückt der Bibliothekar Kästchen und Brille in den Schatten...

Kopfkino aus: Ein faszinierendes Dufterlebnis. Aber allzu oft wiederholen möchte ich es nicht. Denn die erste halbe Stunde, das haben die VorschreiberInnen ja schon gesagt, ist laut, wild, zum Fürchten. Und auch die nächste Stunde will kämpferisch durchgestanden sein... Man muss, denke ich, schon ziemlich hart im Nehmen sein, um dieses Parfum zu tragen – ich bekenne: Ich bin es nicht. (Ob Jovoy mit dem wunderlich tiefstapelnden Namen "Private Label" wohl darauf hinweisen will, dass dieses Parfum nur für besonders gefestigte Naturen taugt?!?)

@Piladilibri: Ich bitte um Nachsicht, dass ich mich für meine Geschichte bei deinem Avatar bedient habe. Aber nur so – die Brille! – kriegte ich die Basisnote des Duftes mit rein ins spontane Kopfkino :-).
3 Antworten
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