Yatagan
Im Dschungel mit Yatagan
vor 10 Jahren - 22.06.2014
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Die Orchideen des Olymp: Duft-Avantgarde oder Härtetest?

Zunächst einmal ganz herzlichen Dank an Palonera, die mir diese Duft-Schätze von Olympic Orchids weiter leitete, nachdem sie selbst alle verfügbaren Düfte der Marke einem eingehenden, ausgesprochen akribischen Test unterzogen hatte.

Die Kommentare hatten mich durchweg sehr neugierig gemacht und ich war sehr gespannt, was mich erwarten würden.

Selten habe mich fast alle Düfte einer Marke so ratlos zurück gelassen, wie in diesem Falle; das will heißen, dass ich mich nicht festlegen mag, ob mir die Düfte gefallen oder ob ich sie für weniger interessant halte. Zumeist habe ich mich daher in der Bewertung für einen Kompromiss entschieden.

Nun, ich habe dennoch, das lässt sich zunächst einmal festhalten, bekommen, was ich erhofft hatte, nämlich experimentelle, mutig konzipierte Düfte, weitab vom Mainstream.

Ich habe hier auf Parfumo schon mehrfach und in verschiedenen Zusammenhängen betont, dass ich ein Fan ausgefallener Düfte bin, die den Versuch unternehmen, neue Wege zu gehen, neue Duftspuren zu erkunden, neue ambitionierte Kombinationen zu wagen. Es macht mir Freude, gelegentlich auch scheinbar untragbare Kompositionen zu testen, und sei es auch nur für die heimischen Räume, hinter verschlossener Türe. Wenn sich dann solche Düfte doch noch einen Rest von Tragbarkeit erhalten haben, wenn die Düfte vielleicht nicht fürs Büro, aber doch noch für die Freizeit passen, dann ist das umso besser. Als Beispiel seien die postmodernen Kreationen von Lush, Comme des Garcons, CB I Hate Perfume, Soivohle, Sweet Anthem, Kerosene, Aftelier oder Roxana genannt. Die meisten Düfte dieser Marken habe ich mit Gewinn getestet, gerne Kommentare dazu verfasst, weil es mir half, mich diesen Düften zu nähern.

Im Falle der Kompositionen von Olympic Orchids habe ich jedoch Probleme, die größere Idee hinter den Kompositionen zu verstehen - oder anders ausgedrückt: Die angedeutete Idee erschließt sich mir nicht, die Düfte führen mich gelegentlich sogar auf eine falsche Spur oder vermeiden gerade da, wo es willkommen wäre, jede Form von olfaktorischem Wohlklang. Das geht mir eine Spur zu weit, weiter sogar als die sehr viel mehr an Avantgarde orientierten Düfte von CB I Hate Perfume, die mir fast durchgängig gefallen oder die mich interessieren, und das meine ich im positiven Sinne, damit auch tragbarer sind, obwohl sie sich sehr weit von der klassischen Idee des Parfums entfernen.

Nun jeweils in Kurzform (in alphabetischer Reihenfolge aller enthaltenen Düfte) doch noch der Versuch einer Annäherung, auch wenn es mir nach fünftägigen Tests noch so schwer fällt.

Arizona: grün, krautig, Pinie im Mittelpunkt, dies jedoch mit einer blumigen Note kombiniert, die entweder bewusst oder absichtslos eine bittere Spannung erzeugt, die den Duft unharmonisch erscheinen lässt / lassen will.

Ballet Rouge: deutlich harmonischer, aber hier für mich etwas zu blumenschwanger, für Frauen sicherlich interessant, für Männer eher schwieriger; hier fällt die Annäherung allerdings leichter.

Bay Rum: Eine aus meiner Sicht vollkommen missglückte Variante des in Amerika und England so populären Bay Rum-Themas. Ich kenne viele Bay Rums, aber dieser hier überdeckt die klassische Nelkennote mit allem Möglichen. Man könnte das für interessant halten, aber ich persönlich bin eher ratlos, weil mich der Duft auf eine vollkommen unerwartete, aber keinesfalls interessante Spur führt.

Elektra / A Midsummer Day‘s Dream: Wegen der Feige eigentlich interessant, da mit grüner Herznote ausgestattet, aber leider überdeckt von Amber, Vanille und Zistrose und das ist mir bei weitem „too much“. Da wäre eine dezente Mischung viel reizvoller gewesen. Exkurs: Hier wie in vielen Düften der Marke findet sich eine geballte Ansammlung von Inhaltsstoffen in hoher Dosierung, die gelegentlich an die Powerhouse-Düfte der 80er erinnern; während diese aber auf Harmonie und Wucht setzten, findet sich bei vielen Olympic Orchids Wucht gepaart mit schrägen Tönen. Vielleicht ist es das, was mich so irritiert. Ein Beispiel: Zeitgenössische E-Musik liebe ich ebenso wie Free Jazz, aber wenn diese Musikformen groß orchestriert oder im Big Band-Sound daher kommen, wird es mir persönlich zu viel.

Fleur de Glace: Wie mir scheint, der avantgardistischste Duft der Marke, aber mit einem so heftigen Aufeinanderprall von blumigen, harzigen und Fougère-Noten, das man lange braucht, um sich an den Duft zu gewöhnen. Ich würde ihm gerne mit einigem Abstand noch mal eine Chance geben, weil ich Potential wittere, aber das Röhrchen ist leer. Dann soll es eben nicht sein.

Golden Cattleya: starke Honignote und damit für mich ein Ausschlusskriterium; wer das aber mag, könnte hier einen der interessanteren OO finden.

Gujarat: In den Kommentaren von Ergoproxy und Palonera fiel das Stichwort Bollywood. Tatsächlich riecht es hier nach indischem Curry und auch hier gilt: wer das mag, findet einen sehr ordentlichen Duft unter Schwaden von Gewürzen. Für mich ist das allerdings nicht so geeignet, weil ich Gewürzbomben nicht mag; ich esse auch keine Spekulatius...

Kingston Ferry: Dieser Duft wird besonders geschmäht, mir aber gefällt er gar nicht so schlecht. Meine Bewertung würde allerdings besser ausfallen, wenn die fast fäkale Note (die hier offenbar mal nicht von Oud herrührt) nicht wäre. Durch die muss man aber hindurch; das hast fast etwas von einer Katharsis, einladend ist das aber nicht. Wann hätte ich Lust, auf die recht gelungene Basisnote (krautig-aquatisch) zu warten?

Kyphi: ...ist tatsächlich ein Schlag mit dem Dufthammer. In den Kommentaren wurde genug gesagt. Zugestehen muss man aber auch hier den ambitionierten Versuch, etwas wirklich Neues zu erschaffen. Das mag intellektuell gelungen sein, aber auf der affektiven Ebene kann ich es nicht nachvollziehen.

Little Stars: rätselhaft, da mit einer fast metallischen Note ausgestattet; man beachte die Duftnoten: Zitrone, Oud, Ylang Ylang, Gewürznelke... Das ist wahrhaft kühn komponiert.

Olympic Rainforest: Die Inhaltsstoffe lesen sich, als müsste es mein Duft sein: Moos, Wildblumen, Zeder, Pilze (sic! Ich mag das)... Diesem Duft werde ich noch mal mehr Aufmerksamkeit widmen, denn bisher konnte er mich trotz der spannenden Komposition auch nicht so recht überzeugen. Für mich aber vielleicht der beste OO. Die Zeit wird es zeigen.

Osafume: Der Versuch von Ellen Covey einen harmonischen Frauenduft zu komponieren. Deutlich zugänglicher als andere OO‘s, dafür aber auch etwas mehr Mainstream, wie mir scheint. Da ich aber kein Damenduftspezialist bin, sage ich nicht, was ich denke, nämlich dass es in diesem Segment (weiße Blüten und Vanille-Moschus-Basis) m.E. Besseres gibt.

Salamanca: sehr, sehr, sehr heftig, vor allem wohl wegen der Heu- und Strohblumennote, die hier sehr stark betont wurde, dazu noch das von mir geliebte grasig-holzig-modrige Vetiver und fertig ist ein extremer Vertreter dieser Richtung. Und wenn ICH extrem sage, meine ich es so. Dass er mir letztlich nicht gefällt, liegt wohl auch an der Mimose, die ich nicht mag und die hier wieder in eine schwierige Kombination eingebettet wurde.

Alles in allem kommen die Düfte bei mir nicht über die 70%-Marke hinaus, oftmals nicht einmal über 50%. Ich behalte mir aber vor, die Düfte noch ein wenig bei mir zu behalten und intensiver zu testen, dann hier vielleicht auch das eine oder andere zu korrigieren.

Die Marke hat Potential, verlangt aber auch eine extrem geduldige Annäherung. Das gehört sicherlich nicht zu meinen Stärken. Hier kann ich es lernen. Das allein fasziniert mich schon.

...

Nachtrag vom 26.06.2014: Heute erreichten mich weitere vier OO-Düfte, die mir Florblanca leihweise zur Verfügung gestellt hat. Dafür schon einmal ganz herzlichen Dank!

Olympic Amber: ein durch und durch solider Amberduft, weniger experimentell als graduell Bekanntes auslotend.

Red Cattleya: anfangs fruchtig, später recht süß und damit in der Herz- und Basisnote schwächer als im Auftakt.

Siam Proun: wieder ein Amberduft, diesmal aber mit krautigen Akzenten als Variation; wiederum solide.

Javanica: auch hier ein wenig spektakulärer, dafür aber unkomplizierter Duft mit Weihrauchbasis.

Die vier ergänzten Düfte sind eine kleine Überraschung, weil sie in ihrem Charakter recht deutlich von den experimentelleren Geschwistern aus dem ersten Teil abweichen. Vermutlich waren deshalb im mir zur Verfügung stehenden Set die Probenröhrchen dieser Düfte bereits aufgebraucht. Alle vier bewerte ich mit 70%. Sie wissen zu gefallen, vermeiden jedoch Überraschungen. Schade einerseits wegen der fehlenden Spannung, gut andererseits für die Tragbarkeit.

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