Yatagan
Im Dschungel mit Yatagan
vor 4 Jahren - 30.11.2019
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Im Dschungel mit Yatagan - Jahresabschluss 2019: completed!

Im vergangenen Jahr hatte ich erstmals und angesichts der schieren Masse von Neuerscheinungen (auch in diesem Jahr sind es schon wieder deutlich mehr als 3000) eine Führung durch den Dschungel der Duftneuheiten angeboten. Ich teste bei Weitem mehr als die meisten und habe deshalb recht viele Vergleichsmöglichkeiten. Natürlich folgt ihr beim Lesen nun meinem Geschmack. Wer das nicht will, kann hier aufhören zu lesen.

Zunächst: Es war ein Jahr der Enttäuschungen. Auch wenn man mir vorwerfen kann, dass ich ein alter Grummler bin, streng bewerte und mit wenig zufrieden bin, gab es 2019 wirklich Grund zur Klage. Wer noch mal in meinen Blog im letzten Jahr hineinschauen mag, wird feststellen, dass dort viel mehr Spannendes übrig blieb. In diesem Jahr konnte ich noch keinen Duft mit 9.0 oder besser bewerten. Lest selbst, ob das zu kritisch ist.

Da wir ja noch nicht am Ende des Jahres angelangt sind, wird dieser Blog bis zum Jahresende fortgesetzt und erweitert. Man / frau kann also gelegentlich hier vorbei schauen. Ich werde die Ergänzungen deutlich markieren.

Ich bin zwar kein großer Freund von Mainstreammarken, aber immer interessiert, was da so geboten wird, und meist finde ich dann auch das eine oder andere, das mir gefällt. Leider war das in diesem Jahr sehr schwierig.

Highlight war für mich in diesem Falle Guerlains "Embruns d'Ylang". Eine originelle Kombination aus Ylang und Salzwassernoten (Alge, sehr dezent). Das war mal etwas Neues. Um gleich bei Guerlain zu bleiben: Gut gefielen mir auch die Neuerscheinungen aus der Mon Guerlain-Reihe (die ich sonst nicht so mag): "Mon Guerlain Extrait" und "Mon Guerlain Eau De Parfum Intense". Deutlich abgeschlagen: "L'Homme Idéal Cool". Immerhin ein schwacher Trost für alle, die wie ich dem grandiosen Idéal Cologne nachtrauern, das letztes Jahr eingestellt wurde. Wer es besonders exklusiv mag, bekam 2019 noch "Shalimar Souffle d'Oranger" serviert. Sehr lecker! Und für die Grooming-Fans gibt es bei Guerlain auch immer mal was Feines. In diesem Jahr "Eau de Bain".

Bei 4711 häufen sich die Neuerscheinungen, aber denen kann ich nicht böse sein. Das Haus ist grundsympathisch und besonders gut gefiel mir "Remix Cologne Edition 2019", weil in diesem Falle mein geliebter Lavendel verwurstet wurde.

Bei Gucci gab es in der überkandidelten Luxusreihe einen Lichtblick: "Tears of Iris" - und das sage ich als Irisverächter. Mindestens ebenso einen Test wert: "The Voice of the Snake" und "The Virgin Violet".

Etwas skurril war der Kurzauftritt von Tars, die mit drei Colognes den Markt enterten und ebenso schnell wieder von Bord gingen, wie mir Mitarbeiter*innen in einer Drogerie versicherten. "Tars Herr Mann" war sicherlich einer der besten Drogeriedüfte der letzten Jahre. Leute! Produziert das weiter!

Da ich gerade einen Kommentar zur Vintage Miss Dior veröffentlich habe, möchte ich noch darauf verweisen, dass das alte Mädchen von Dior ganz passabel geliftet wurde: "Miss Dior (2019)" ist immerhin gelungen.

Wenden wir uns dem Nischenmarkt zu. Meine Hauptempfehlung lautet nach zahlreichen Tests: Spart euch euer Geld, überlasst die Rojas, Xerjoffs, Marlys, Clive Christians, Widians, Amouages und Boadiceas der Jeunesse dorée und wendet euch den wirklichen Werten (NICHT den Geldwerten) zu.

Ob man nun Floris in die Nische oder ins Luxussegment des Mainstreams einordnen will, ist mir egal, aber "Neroli Voyage" war richtig gut!

Auch bei Acqua di Parma kann man da ja nicht so sicher sein, aber auch hier gefiel mir einer, weil ich Yuzu mag, und der heißt schlicht und ergreifend natürlich "Yuzu@Acqua di Parma".

Zur gleichen Kategorie des Semi-Mainstreams oder Noch-Nische gehört Miller Harris. Testet hier "Dance Amongst The Lace".

Für die Lavendel-Fans: Tom Fords teurer, aber guter "Lavender Extreme"

Eine meiner liebsten Marken ist Comme des Garcons und bei denen commen (haha!) gerade einige Neuerscheinungen, von denen ich vier hier bald nachtragen werde. Besonders mag ich die sog. Monocle-Serie, bei der "Monocle Scent Four: Yoyogi" neu erschien und rundum gefiel.

Bei Andrea Maack bin ich ja meist skeptisch, weil die so arg synthetisch sind, aber "Cornucopia" ist allemal gelungen.

Ein bisschen schwer tue ich mir auch mit den Neuerscheinungen von Tauer (während ich die alten Sachen alle sehr schätze), aber die beiden neuesten versöhnen mich: "Les Années 25 Bis" und "L'Air des Alpes Suisses", auch wenn es keine Highlights sind. Zum Test aber nachdrücklich empfohlen!

Wir nähern uns nun immer mehr den kleineren Manufakturen, die den Markt in den letzten Jahren positiv erfrischten und erneuern halfen. Erstmal eine größere von den Kleinen: Zoologist. Da gab es mit "Dodo@Zoologist" und "Chameleon@Zoologist" Feines und Originelles zu entdecken. "Squid@Zoologist" wollte ich beinahe verschweigen, denn das ist ein synthetisches Machwerk, ABER originell immerhin.

Die von mir immer schon mal gelobte Marke Une Nuit Nomade brachte auch wieder einige Neuerscheinungen, von denen mir "Jardins de Misfah" gut gefiel.

Zum neuen Star der Kleinmanufakturen mausert sich Francesca Bianchi. Besonders erwähnenswert erscheinen mir "Sex and The Sea Neroli" und "Freefall - Etruscan Water". Die anderen neuen von FB fielen für mich ein klein wenig ab, waren aber auch noch besser als der Durchschnitt.

Die hochgelobte Sylvaine Delacourte behagt mir nicht immer, aber mit "Oranzo" hat sie einen Orangenblüten-Kracher lanciert. Kompliment!

Und nun wird es ganz exotisch: Von Marc-Antoine Barrois hat mich der sehr an alten, aromatischen Herrendüften orientierte "Ganymede" beeindruckt. Und unser Haus- und Hofparfümeur auf Parfumo, Hans Georg Staudt, legt mit "Pour Homme@MGO Duftmanufaktur" endlich SEINEN Männerduft vor. Das hast Du wieder toll gemacht!

Zum vorläufigen Abschluss muss ich nun noch von meiner neuesten Entdeckung in der hintersten Nische der Kleinstmanufakturen und selbsternannten Parfümeure berichten. Neben etlichen Scharlatanen gibt es da auch richtige Könner. So einer ist meiner Meinung nach Miguel Matos aus Portugal. Sehr exzentrisch (erst Proben anfordern, keine Blindkäufe wagen, so lautet meine Empfehlung), aber wirklich stark.

Die könntet ihr testen: "Germaine", "Miracle of Roses", "Silver Stone" und "Sailor Stories". Einer schöner als der andere, finde ich.

Und weiter geht es, sobald ich die Neuerscheinungen aus dem Dezember auch noch getestet habe.

So! To be continued!

Ergänzung 1 (10.12.2019): Experimentierfreudigen Parfumos sei die neue Clash-Reihe von Comme des Garcon empfohlen. Der wildeste ist sicherlich "Series 10: Clash - Radish x Vetiver". Er riecht..., ja doch: nach Rettich! Der tragbarste und zugleich spannendste ist "Series 10: Clash - Celluloid x Galbanum" für unsere Filmfreunde da draußen. Etwas angepasster und eigentlich unspektakulär, aber dennoch nicht schlecht präsentiert sich "Series 10: Clash - Chlorophyll x Gardenia". Gleichzeitig erschien ein neuer Duft aus der Comme des Garcons-Odeur-Reihe: "Odeur du Théâtre du Châtelet - Acte I". Ein artifizieller, nach warmem Metall und (vielleicht) Theaterstaub riechender Duft mit Ambrettesamen, Rosenoxid, Kaffee (unsüß), Moschus und was man sonst noch so für Kunst braucht. Noch nicht ganz sicher bin ich mir beim neuen CdG der Mainstream-Serie: "Copper". Ist das stilvoll oder kann das weg?

Lange gewartet hatte ich auf den neuen Parfum d'Empire, denn diese Marke gefällt mir zwar nicht immer, aber sie lässt den unvoreingenommenen Tester nie kalt: kühne und doch (meist) tragbare Kompositionen. Man könnte sagen, dass klassische Parfumkunst neu definiert wird. "Acqua di Scandola" war lange angekündigt, erschien lange nicht und kann nun endlich getestet werden. Auch hier macht es der Duft niemandem leicht, aber er fasziniert trotz gewisser Schwächen.

Und nun auch hier wieder zum Mainstream: Dass das gut gehen kann, zeigt "Vetiver & Grapefruit" von Molton Brown. Sicherlich hat da einer zwar den Aromachemiebaukasten dabei gehabt, aber die Grapefruit ist schön fett, Vetiver eher zurückhaltend und die Kunstholzbasis glänzt makellos. Das aromatische Gesamtbild erinnert mich sogar an Herrendüfte der 70er. Ich mag den!

Ergänzungen 2 (31.12.2019): Zu einer meiner Lieblingsmarken hat sich Parfum d'Empire gemausert und die (will heißen Marc-Antoine Corticchiato) bringen kurz vor dem Silvesterabend noch mal zwei wirklich schöne Neuheiten: "Salute !" und "Immortelle Corse". Beide gehören für mich zum Besten, was 2019 erschienen ist. Echt jetzt! Und nicht nur, weil ich dringend kurz vor Schluss noch mal was "Gscheits" brauche.

Ich bin ja wirklich kein Amber- / Ambre-Fan und außer dem legendären Ambre Sultan habe ich mich noch von keinem dieser Düfte zu Höchstnoten verleiten lassen, aber ich muss zugeben, dass "Les Exceptions - Ambre Redoutable" richtig gut gelungen ist. Heller als Ambre Sultan, aber nicht minder elegant.

Kylesa (DANKE!) hat mich in diesem Jahr schon zweimal auf die Düfte von Teone Reinthal aufmerksam gemacht. Das sind Naturdüfte, die zwar sehr teuer, aber auch sehr gut sind. In mancherlei Hinsicht ähneln sie den hervorragenden Düften von Annette Neuffer, von der ich in diesem Jahr keine Neuheiten testen konnte: balsamisch, harzig, recht schwer, dennoch nicht orientalisch, sondern mit europäischer Handschrift, um da mal den Versuch einer Kurzbeschreibung zu unternehmen. Von Teone Reinthal gibt es viele gute, aber stellvertretend nenne ich den einzigen mir bekannten im Jahr 2019 erschienenen Duft, nämlich "Nefertum@Teone Reinthal Natural Perfume".

Ich freue mich immer über Neuerscheinungen bei englischen Manufakturen, und damit meine ich nicht die Marken Penhaligon's, Atkinsons (ohnehin nicht - mehr - britisch) & Co., die sich mit ihrem Dauerausstoß leider bald selbst disqualifiziert haben: Ich trauere da den alten Zeiten nach. Vielmehr meine ich die kleinen Klassiker Geo F. Trumper (dieses Jahr nicht in Erscheinung getreten) und D. R. Harris. Von Letzteren kam jüngst "No̱ 14", das ein schlankes, ziemlich simples Zitrus-Vetiver-Wasser ist: charmant und gut aber allemal.

Zu guter Letzt freue ich mich noch sehr über die alte Tante Grès, die in den letzten Jahren eher durch Ramschangebote von sich reden machte, als nachhaltig zu überzeugen wusste. Umso besser nun die beiden neuen (sehr gut reformulierten) Varianten von Cabochard (als EdT und EdP). Wegen seiner gelungenen Anknüpfung an das alte, klassische Cabochard könnte das der Duft des Jahres 2019 sein:

https://www.parfumo.de/Parfums/Gres/Cabochard_2019...

Ein gutes und gesundes neues Jahr wünscht

Yatagan

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