Yatagan
Im Dschungel mit Yatagan
vor 2 Jahren - 31.07.2022
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Ein Lebenszeichen aus Helgoland

Ein Lebenszeichen aus Helgoland

Einer spontanen Eingebung folgend, habe ich diesen Sommer eine Woche Urlaub auf Helgoland gebucht. Sei es, dass ich schöne Kindheitserinnerungen an die Insel hatte, sei es, dass ich ohnehin einen Faible für die raue Nordsee habe oder sei es, dass mir "Deutschlands einzige Hochseeinsel" (Eigenwerbung) etwas abenteuerlich vorkam. An die zahlreichen Parfümerien, Tabak- und Whiskygeschäfte in diesem Duty-Free-Paradies habe ich gar nicht gedacht (oder unterbewusst eben doch?). 

Zieht man sich zwischen Mittag und Nachmittag (ca. 16.00 Uhr), solange die Tagestouristen da sind, aufs Zimmer, in die einsame Natur der Nordklippen oder in ein Buch zurück, ist die Insel ruhig, beschaulich, landschaftlich und auch bauhistorisch sehr schön. Wer das nachlesen will, findet dazu eine Menge auf Wikipedia, weshalb ich mich hier darauf beschränke darauf hinzuweisen, dass nach der massiven Zerstörung der Insel im und nach dem Krieg ein Wiederaufbau im Bauhaus-Stil mit skandinavischen Akzenten folgte, der für architekturinteressierte Menschen spannend ist und für mich ein Zeichen für den demokratischen Neuanfang nach der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur darstellt.

Wenn man die Hauptstraßen der Insel (Lung Wai im Unterland und Am Falm im Oberland) entlang spaziert, kann man schon Zweifel am o.g. ästhetischen Konzept von Helgoland bekommen, denn dort reiht sich Duty-Free-Shop an Duty-Free-Shop. Natürlich kommen hier auch Whisky- und Zigarrenfreunde auf ihre Kosten, aber uns interessiert hier wohl eher der Bestand an Düften. Nach einer ersten Inspektion der wichtigsten Shops hatte ich einen Überblick: Man lässt sich offenbar gegenseitig spezielle Nischen. Während in einigen Geschäften ein Großteil der Desingermarken im Regal geparkt wird, tauchen in anderen eine ganze Menge Nischendüfte auf (Penhaligon's, Atkinson,  Bond No. 9, Floris, Etro, Creed u.v.m.) und finden sich im nächsten Laden einige Klassiker aus Italien (Acqua di Parma und Acqua dell'Elba). So weit so gut. Aber das kennen wir hier ja schon alles. Spannend ist eigentlich etwas ganz anderes: Sämtliche Parfümerien / Duty Free Shops sind quasi inhabergeführt, mehr oder weniger liebevoll bestückt, manchmal originell verstaubt, in einigen Fällen mit lustigen Einfällen transparent gemacht (die Düfte sind auch von außen durch großzügige sonnige Schaufenster bestens zu sehen, leicht verblichen und vermutlich im Hochsommer Backofentemperaturen ausgesetzt). 

Am letzten Tag habe ich mir ein wenig mehr Zeit genommen und bin schließlich im etwas abgelegeneren Oberland, wo ich auch wohnte, fündig geworden. Hier gibt es noch Läden, die ein wenig an die legendären privaten Parfümerien in Oberitalien erinnern, in denen sich noch seltene Schätze alter Vintagedüfte finden (ließen), die auf Ebay zu höchsten Preisen gehandelt werden. Wer weiß, was sich auf Helgoland noch entdecken ließe, hätte man nur noch mehr Zeit? Hier im Oberland in einer Seitenstraße, die ein wenig abseits der Touristenströme liegt, landete ich in einem Geschäft, das eher für sein Whisky-Sortiment bekannt und berühmt ist. Dort stehen in einer schattigen Ecke beachtliche Mengen von Düften und man findet auch die eine oder andere Perle: Ich entdeckte sie in Form des von mir so sehr geschätzten und nicht mehr produzierten Guerlain L'Homme Ideal Cologne (der einzige aus der großen Serie, der mich wirklich überzeugt hat), und zwar zu einem Preis, den ich im Internet nirgendwo so niedrig finden konnte. Chapeau!

Sicherlich muss man vorsichtig sein. Nicht jedes vermeintlich billige Tax-Free-Angebot ist auch wirklich preiswert. Hier war es allerdings tatsächlich der Fall. Darüber hinaus fand ich in einem anderen Laden im Oberland in einem Ständer vor dem Geschäft ein Sammelsurium von Vintage-Seifen bekannter Marken aus den 80ern und 90ern. Darunter auch den Designklassiker Captain Molyneux von 1975 in Seifenform, so schön, dass man sie nie aufbrauchen möchte. 

Warum werde ich wieder nach Helgoland fahren? Sicherlich nicht wegen der Parfümeriewaren, sondern wegen der spektakulären Natur, der Klippen, der "Langen Anna" (s. Wikipedia) oder wegen der Vogelkolonien, vielleicht auch wegen der Architektur, aber den einen oder anderen netten Fund kann man dann doch auch ganz gerne mitnehmen. 

Aktualisiert am 01.08.2022 - 11:11 Uhr
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