
Risotto: der Pilz-Blog
Nachdem ich mich durch so ziemlich alle einigermaßen verfügbaren Pilzdüfte getestet habe (s. meine Sammlung "Pilze": derzeit 90 mir bekannte Pilzdüfte), wird es Zeit für den versprochenen Pilz-Blog, allerdings unter Auslassung von Trüffel-Düften, da dieser Geruch häufig synthetisch erzeugt wird und eine andere Richtung definiert.
Dabei stellt sich zunächst die Frage, ob Pilze einen Duft charakteristisch prägen oder formen: sicherlich nicht so wie Oud, Vetiver, Jasmin oder konzeptionelle Kompositionen wie Chypre oder Fougère, aber doch immerhin so, dass der Eindruck bleibt, Pilzaromen hätten einen gewissen Wiedererkennungswert. Da finden sich erdige, dezent animalische, körperliche, manchmal auch cremige Noten. Gelegentlich empfinde ich deshalb eine Verwandtschaft mit Patchouli, auch wenn man beide Komponenten im direkten Vergleich leicht unterscheiden kann. Die Spannweite reicht von hellem und moderat aromatischem Pilzaroma von Champignons über fein erdige Pfifferlinge bis hin zu getrockneten und in Wasser geweichten Steinpilzen mit ihrem leicht animalischen Geruch. Wer schon bei der Zubereitung eines Pilzrisottos zurückschreckt, ist hier also falsch verlinkt und kann zurück scrollen.
Ein Beispiel für den hellen und etwas cremigen Geruch von Wiesenchampignons ist La Superba - Rovo Nero, bei dem der Geruch frischer Champignons nur ein minimaler, aber wahrnehmbarer Akzent in einer eher komplexen, grün würzigen und erdigen Komposition ist.
Wenig wahrnehmbar sind die Pilze auch in den Alkemia-Düften Baccante,
Feuillemort und
In a Northern Wood. Alkemia arbeitet ohnehin mit vielen grünen, holzigen, erdigen und hell harzigen Tönen, die Assoziationen an Wald, Wiese und Kräuterbeet hervorrufen und die Pilze eher integrieren als herausstellen. Zudem darf man von der Marke keine Wunder erwarten, sind die kleinen charakteristischen Apotheker-Fläschchen doch eher mittelpreisige Ware.
Gelegentlich stehen auch erkennbar andere Noten im Vordergrund, so bei Imp, der ein süßer, nicht ganz überzeugender Geißblatt-Duft ist. Den versprochenen Fliegenpilz muss man sich mit Hilfe halluzinogener Pilze einbilden.
Ein gelungener Vertreter postmoderner Nischenparfümerie ist für mich Magic Mushrooms, der einer meiner Favoriten im Jahr 2024 war und den ich empfehle, eine gewisse perverse Vorliebe für Plakatives vorausgesetzt. In eine ähnlich zeitgemäße Richtung tendiert der in Deutschland bisher kaum bekannte
Wilder Land, bei dem der Pilz, ähnlich wie im erstgenannten Beispiel in dieser Rubrik, lediglich eine pilzig-erdig-cremige Note beisteuert, die dem Duft den richtigen Kick gibt.
Geradezu begeistert bin ich von denjenigen Pilzdüften, die eine etwas körperlich animalische Note verströmen, wie sie Steinpilzen eigen ist. Diese findet sich dann auch besonders häufig in postmodernen Artisan-Kompositionen, die einen Schritt weitergehen und Pilze nicht nur als additive Komponente einsetzen, sondern als mitprägenden Akzent. Dazu gehören die folgenden Vertreter:
Cepes and Tuberose und
Sepia: Aftelier gehörte mit diesen Düften zu den ersten Marken, die einen Versuch mit Steinpilzaromen unternahmen und mich bereits vor annähernd zehn Jahren überzeugten.
Nigredo: Ein hochkomplexer Duft, bei dem man fast glauben möchte, all die vielen Inhaltsstoffe identifizieren oder plausibel nachvollziehen zu können, wenn man sich nur lange genug mit ihnen beschäftigt.
Decadence Eau de Parfum: Die schwedische Parfümeurin, eher bekannt für ihre preiswerteren Dark-Tales-Düfte, hat hier Kakao und Kaffee als kongeniale Begleiter von Pilzen erkannt und ästhetisch umgesetzt.
Mushroom Hunting Perfume Oil: ein waschechter Pilzgeruch mit Geosmin, Wald und Lagerfeuer der sympathischen Kleinstmarke Botica Botanica, die ich generell den Entdeckern empfehle.
Pangea: ein teures, aber durchaus testenswertes Exemplar markanter Pilzdüfte. Hier brauchte es schon etwas mehr Toleranz für kräftigen Impact.
Sombrio Eau de Parfum: Nicht nur dieser Duft, sondern die ganze Marke hat mich 2024 besonders überzeugt und gerade Sombrio gehört zu den schönsten Düften (nicht Gerüchen) von Flore. Hier haben wir es, ähnlich wie bei der o.g. Arina Franzén, mit echter Parfumkultur zu tun, die weit über Raumdüfte, Aromaöle und Naturgerüche hinausgeht.
Soliloquy Eau de Parfum: Bei Soliloquy kann ich auf meine aktuelle Rezension zum Duft verweisen. Kamila Aubre hat sich für mich zu einer meiner liebsten Parfümeurinnen und sogar zu meiner liebsten Marke in diesem Jahr entwickelt. Da kommen Innovation, Alltagstauglichkeit und Naturduftkonzept zusammen und überzeugen durchweg. Weitere Pilzdüfte der sympathischen Duftmagierin sind
Ella and Lil Eau de Parfum (*in allen Duftkonzentrationen) und
Gloire de Dijon Eau de Parfum (*), zu dem ich auch schon eine Rezension beim EdP verfassen konnte.
Olympic Rainforest: Seit meinen ersten Tests haben mich die Düfte von Ellen Covey nicht mehr losgelassen, und einer ihrer ganz besonderen Geruchserfahrungen ist dieser Duft, der neben einem Rundgang durch erdige und pflanzliche Botanik auch Pilzgeruch clever integriert. Mit
DEV #3: The Inevitable hat Ellen noch einen weiteren Duft mit Pilzakzenten im Programm.
Chypre Mousse (2013): Fast schon kurios, dass dieser Duft eher in den erweiterten Nischenmarkt gehört (Neo-Klassiker) und dennoch mit markantem Pilzaroma aufwartet. Dieses Mousse polarisiert, wird abgelehnt oder heiß geliebt. Ein Test vor vorschnellem Urteil ist Pflicht!
Lavender Noir Perfume: Wenn meine Lieblingsduftnote 'Lavendel' mit dunklen, erdigen und dezent pilzigen Aromen kombiniert wird, muss es gut werden. Ein wunderschöner, aber nicht ganz billiger Cocktail!
Funerie: Natürlich darf beim Wald- und Wiesenschrat Pineward ein Pilzduft nicht fehlen und Funerie präsentiert Morchel nicht ganz jugendfrei markant; daneben findet sich mit
Coastal Veil auch einer der mainstreamigen Pinewards mit Pilzakzenten (Austern-Seitling), bei dem es viel Phantasie braucht, um diesen wahrzunehmen.
Ahuizotl: Wenn Prin richtig zuschlägt, bleibt kein Auge trocken. Das hier ist eindeutig einer der schwierigeren Aufgaben, die uns der südostasiatische Meisterparfümeur stellt. Auch
Homa ist beim ersten Kontakt etwas kompliziert und bleibt den Animalikfreunden vorbehalten. Aus einem seiner vielen Seitenprogramme (hier: Strangers) stammt dann übrigens noch
Cachouli, der Patchouli mit Pilzen verbindet und damit neue, aber naheliegende Wege betritt. Auch bei der Submarke Prissana finden sich Pilzdüfte.
Rauque: Wo gehört Roberto Greco mit seinen wilden und doch runden Kompositionen eigentlich hin: Ist es Artisan, Nische oder Neo-Klassik? Ganz egal, denn eigentlich sind alle seine limitierten Kompositionen Meisterwerke und das gilt besonders für Rauque, vielleicht aber auch für
Œillères, beide mit hauchfeinen Pilzakzenten, insgesamt dennoch markant und mit Charakter
Scent 02 Eau de Parfum: Wer asiatische Ästhetik mit deutscher Herkunft im Artisan Bereich sucht, kommt an Ryoko nicht vorbei, und alle Düfte eint ihre distinguierte, sehr zarte Aura, so auch der zweite dieser edlen Reihe, der Pilze eigentlich nur ahnen lässt und damit eine ganz schüchtern liebenswerte Ausprägung zeigt - und mit dem ich die Reihe beschließen möchte.
Wer sich für weitere Pilzdüfte interessiert, findet nahezu alle verfügbaren in meiner Sammlung "Pilze", natürlich allesamt verlinkt und somit mit meinen Statements, Rezensionen oder Wertungen versehen:
https://www.parfumo.de/Benutzer/Yatagan/Sammlung/1924
Ein frohes und gesundes neues Jahr wünscht Yatagan!
Pizza, belegt mit Popcorn und erntefrischen Champigons … VOR dem Backen ^^ .
Vielen Dank dafür und alles Gute fürs Neue Jahr!
wieder ein aufregender und außergewöhnlicher Beitrag aus Deiner Feder.
Ich kenne bisher tatsächlich nur die beiden von Dir zitierten Greco Düfte sowie den wunderbaren Chypre Mousse…. Vielen Dank für die neuen Inspirationen und Dir einen guten Rutsch ins neue Jahr! Ich freue mich auf weitere spannende Beiträge von Dir.
Liebe Grüße rheinaufwärts
Markus
Ich wünsche Dir ein sehr gutes neues Jahr 2025
und freue mich auf weitere spannende Blogbeiträge.
Hab einen gemütlichen Restabend
Renate
Sehr gern gelesen und jetzt Lust auf neue Düfte. 😁
In einem Risotto stört mich der Reis :)
Einen guten Rutsch und ein glückliches 2025!
Danke auch für den 50. Pokal! 🏆 🙏
Noch nie habe ich ein Duft mit Pilz Note gerochen., muss ich unbedingt nachholen.
Guten Rutsch ins neue Jahr 🥂😘
Happy New Year!
mag auch Pilze im Duft
Pilze in Düften mag ich ja auch gerne.🍄🍄🟫 werd von Zeit zu Zeit neugierig gucken was du in Zukunft deinem Ordner zufügen wirst.
Ein ziemlicher Brocken da oben. [Das tolle Foto]
Meine Meinung zu Pilz im Parföng kennst Du ja hinreichend (tue ich sie ja immer wieder unverhohlen kund 😁).
Von den aufgezählten Düften kenne ich nur sehr wenige. Ausgesprochen gut gefallen hat mir davon lediglich Rauque. Aber da roch ich keine Pilze raus 😅
Ein leckeres Risotto täte ich aber gern nehmen 🍄🟫
Tatsächlich habe ich bis auf Rouge Avignon von Phaedon noch keinen einzigen Duft mit Pilzen, hier allerdings Trüffel, getestet.
Das muss ich unbedingt ändern, denn den Duft von frischen Pilzen, besonders Steinpilzen, mag ich sehr und Steinpilzrisotto liebe ich.
Ich habe mich bereits in deiner "Pilzliste" umgesehen, sehr ergiebig und interessant, danke.
Auch dir ein wunderbares, glückliches Jahr 2025 und noch viele Neuentdeckungen,
herzlichst Opalmond
Es ist mir bislang jedenfalls noch in keiner der mir bekannten Duftpyramiden aufgefallen, aber ich werde jetzt mal bewusster hinschauen. 👀
Auch Dir alles, alles Liebe und Gute für ein gesegnetes und friedvolles neues Jahr! 💫