Yatagan
Im Dschungel mit Yatagan
vor 4 Monaten - 25.12.2023
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Jahresrückblick 2023: Der Dschungel wird dichter!

Jahresrückblick 2023: Der Dschungel wird dichter!

Wie jedes Jahr schlage ich kurz vor dem Jahresende eine Schneise in den Dschungel: nur geeignet für Liebhaber:innen klassischer Düfte. Hier gibt es wenig Nische und viele traditionelle Namen. Wie immer liste ich nur Düfte auf, die ich wenigstens mit 8,0 bewertet habe.

Meine erste Beobachtung: Der Dschungel wird dichter! Die Zahl der Neuerscheinungen erreicht ungeahnte Rekordwerte und ist kaum noch überschaubar. Parfumo listet bis heute 4246 Parfums, die im Jahre 2023 erschienen sind. Es mögen noch deutlich mehr sein. Duft scheint nach wie vor das große Geschäft zu versprechen, gleichgültig ob es sich um massenhaft produzierte Designer- oder Drogerieware handelt oder um exorbitant teuere Nischendüfte, bei denen die Gewinnspannen weit über der anderer Marken liegt und die über hohe Preise niedrigere Verkaufszahlen nonchalant kompensieren - oder um die sogenannten Artisan-Marken, die Düfte in Kleinstauflagen, oft mit unübersichtlich großem Portfolio an ein treues Publikum verkaufen. Das alles ist legitim und nur eine Beschreibung unterschiedlicher Ansätze. Hier nun meine Rubriken:

GUERLAIN: Ich beginne mit meiner ewigen Lieblingsmarke, die mich immer öfter enttäuscht. Wie könnte es auch anders sein, veröffentlich doch (auch) Guerlain in inflationärer Weise neue Düfte in immer schnellerem Takt. Trotzdem finden sich einige Perlen:

L'Homme Idéal Platine PrivéL'Homme Idéal Platine Privé : Erinnert mich stark an L'Homme Idéal CologneL'Homme Idéal Cologne , den einzigen Duft der Idéal-Reihe, der mich je überzeugen konnte, während mir alle anderen zu süß waren. Hier stimmen noch Ecken und Kanten.

Aqua Allegoria Forte Nerolia VetiverAqua Allegoria Forte Nerolia Vetiver und Aqua Allegoria Harvest Nerolia VetiverAqua Allegoria Harvest Nerolia Vetiver , wenngleich beide nur Nachkommen des bereits 2022 lancierten Aqua Allegoria Nerolia VetiverAqua Allegoria Nerolia Vetiver sein mögen: schön sind sie doch! Und das obwohl mir nur wenige aus der Aqua-Allegoria-Reihe je wirklich gut gefallen haben. Meist sind es solide Alltagsdüfte für den Sommer; nicht mehr. Hier IST mehr: Neroli und Vetiver in charmanter Balance.

MGO DUFTANKER: Vielleicht die Marke des Jahres, denn kaum einer anderen Manufaktur gelingen so viele hochwertige Veröffentlichungen. Hier eine kleine Auswahl der Düfte des Jahres 2023, die mir am besten gefielen:

Oud SublimeOud Sublime , Majestic SaffronMajestic Saffron , Oud MukhallatOud Mukhallat und der eigenwillig schöne Sunshine OudSunshine Oud , der Oud mit Hesperidien und kräutergrünen Tönen kombiniert und dabei jederzeit tragbar ist.

SISLEY: Hat nichts mit der preiswerten Modemarke gleichen Namens zu tun, sondern ist ein französisches Traditionsunternehmen, das sich auf klassische Chypre-Düfte spezialisiert hat, von denen es still und unbemerkt fast jedes Jahr neue Perlen auf den Markt kullern lässt: L'Eau Rêvée d'EliyaL'Eau Rêvée d'Eliya , L'Eau Rêvée d'IsaL'Eau Rêvée d'Isa , L'Eau Rêvée d'AriaL'Eau Rêvée d'Aria und L'Eau Rêvée d'IkarL'Eau Rêvée d'Ikar sollte man eigentlich alle mal probiert haben, Liebe zur Chypre-Tradition allerdings vorausgesetzt.

LAVENDEL: Die Rubrik Lavendel darf auch dieses Jahr nicht fehlen und da gab es durchaus Hoffnungsvolles zu vermelden. Immer mehr Marken besinnen sich auf klassischen, traditionellen Lavendel (nicht als süße Komponente im Duschgel) und dazu gehört auch Armani Privé - Rondò ArmanianoArmani Privé - Rondò Armaniano , der gut gelungen ist, auch wenn er an den Klassiker der Lavendel-Vanille-Düfte, Pour Un Homme de Caron (1934) (Eau de Toilette)Pour Un Homme de Caron (1934) Eau de Toilette nicht ganz heranreicht. Vor allem ist Letztgenannter viel preiswerter. Darüber hinaus gefiel mir Lavande NoireLavande Noire , denn dunkel getönter Lavendel, der trotzdem seine Natürlichkeit bewahrt, ist selten zu finden.

COLOGNE: Noch so eine Rubrik, ohne die es bei mir nicht geht. Gut gefallen hat mir ein neuer Duft einer meiner Lieblingsmarken: Santa Maria Novelle: BizzarriaBizzarria . Bizarr ist da eigentlich gar nichts, dahinter steckt nur der Name einer ungewöhnlichen Zitrusfrucht, nämlich Citrus Bizzarria, über die es sich bei Wikipedia nachzulesen lohnt. Der Duft aber ist fein und fast betörend. Auch sehr fein ist daneben Eau de Gloire CologneEau de Gloire Cologne , das mir bedeutend besser gefällt als die Vorgängervariante ohne den Zusatz "Cologne". Überhaupt ist das ja eine Marke, die man gut im Blick behalten sollte. Ein Höhepunkt des vergangenen Jahres findet sich auch in dieser - scheinbar unauffälligen - Rubrik: Cologne OfficinaleCologne Officinale der sympathischen Marke Heeley, der Cologne-Tugendenden mit krautiggrünen Tönen verwebt. Das war mir dann sogar eine 9.0 wert.

VETIVER: Früher war ich ein großer Vetiver-Liebhaber, bis mich die immer gleichen Variationen zu langweilen begannen, denn Vetiver kann Düfte schnell dominieren und andere Akzente überdecken. Wem in der Vergangenheit die Tom-Fort-Grey-Vetiver-Varianten gefielen, der kann allerdings bedenkenlos auch Grey Vetiver ParfumGrey Vetiver Parfum testen, auch wenn dieser hier bei vielen nicht ganz so gut ankam wie die Vorgänger.

NEOKLASSIKER: In dieser Rubrik versammele ich klassische Duftkonzepte wie Fougère und Chypre, die diese Muster ins Heute übersetzen: Zunächst fiel mir eine schöne Fougère-Variante auf: Ambre des AbyssesAmbre des Abysses . Houbigant ist immer wieder für Überraschungen gut und das ist so eine. Wer Iris-Düfte mag, der sollte unbedingt den neuen L'Iris de Fath (Eau de Parfum)L'Iris de Fath Eau de Parfum probieren, denn der gefällt sogar mir und ich habe wirklich keinen Vertrag mit Iriswurzel & Co. Amüsant finde ich übrigens das schlechte Abschneiden des neuen Creed: Millésime 1849 (2023)Millésime 1849 (2023) . Die Aventus- und Viking-Jünger fühlen sich hier düpiert und nehmen den Duft wahrscheinlich als altbacken wahr: tatsächlich jedoch ein wunderbares Chypre-Konzept, auch wenn man für so etwas eigentlich nicht so viel Geld ausgeben muss: immerhin hat er einen tollen Retro-Charme!

ARTISAN: Hier gäbe es Berufenere, die etwas zu diesen Düften schreiben könnten, aber ich wähle mal einen aus, der mich beeindruckt hat: Le BoucanierLe Boucanier . Kleinstauflage, hochkomplex, animalisch, krautig, Tabakaromen und - natürlich - Rum, wenn er schon so heißt. Gut!

DUFT 2023: Der Duft des Jahres ist für mich Pour HommePour Homme , der stark an Düfte der 70er erinnert und damit noch mal einen Schritt weitergeht als andere Parfums mit Retrovibes, die ihre Anleihen häufiger aus den 80ern beziehen. Mich erinnert er ein wenig an Equipage, trägt aber auch melancholische Erinnerungen an viele weitere Klassiker der damaligen Zeit in sich, insbesondere auch Fougère-Akzente mit Lavendel, Rosengeranie, Bergamotte und Eichenmoos, ohne je zum Barbershop-Duft zu werden. Verschränkt ist dieses Konzept mit Chypre-Tupfern, denn der Dreiklang Bergamotte (Kopfnote) - Rose und Jasmin (Herznote) - Eichenmoos (Basisnote) ist ebenfalls enthalten. Chapeau!

Ich wünsche allen Leser:innen hier auf Parfumo ein gutes neues Jahr 2024!

Yatagan

Aktualisiert am 25.12.2023 - 08:05 Uhr
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