23.02.2023 - 10:32 Uhr
NuiWhakakore
96 Rezensionen
NuiWhakakore
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58
Erinnerungsgenerator
Ein sonniger Morgen, Anfang September. Die Luft ist noch kühl. Ich stehe vor den erdgeschossigen Bauten, in denen die ersten Klassen untergebracht sind. 1964. Also die Bauten, jetzt ist es 1979. Oder 1977? Es ist nicht ganz klar, so um den Dreh. Ich stehe jedenfalls da, fein rausgeputzt, Breitcordhose, Lodenjanker, so in der Art der Zeit. Die Schultüte in der Hand. Sie ist aus Filz, hellgrün, mit einer zitronengelben Schleife oben. Die Schultasche aus hellem Leder auf den Schultern. Sie ist schon etwas älter, das Schicksal, wenn man ältere Brüder hat. Das Leder kann man nur noch riechen, wenn man die Nase tief reinsteckt, ganz leicht. Sie ist noch ziemlich leer, bis auf das Federmäppchen ist nicht viel drin. Das ist auch aus Cord. Es waren sehr cordige Zeiten. Buntstifte sind drin und ein Füller. Geha, das ist wichtig, prägt fürs Leben. Die meisten haben Pelikan.
Aber stimmt das auch alles? Zweifel machen sich breit. Waren die Farben damals nicht viel kräftiger? Ein dunkles Grün und war die Schleife nicht rot? Erinnerungen sind trügerische Gebilde. Objektiv betrachtet sind sie bestenfalls subjektiv. Man sollte ihnen nicht trauen, vor allem nicht den eigenen.
Grauton Pour Homme ist ein klein wenig magisch. Magisch in dem Sinne, dass es bei mir Erinnerungen an eine Zeit weckt, die ich nicht mit Parfum verbinde. Meine Erinnerung an Parfum startet erst langsam in den 80ern, davor hatte ich keine großen Berührungspunkte und wenn doch nur unterbewusst. Trotzdem sind die Erinnerungen da; helle und freundliche Erinnerungen, andere würde nicht zum Duft passen.
Pour Homme startet würzig und frisch und vor allem aldehyde-grün. Die Zitrusfrüchte sind präsent, allerdings eher als Unterstützung für die Kräuter, den Kreuzkümmel und eben vor allem den Aldehyden. Die ganze Mischung ist sehr dicht und man hat schon das Gefühl, in den 70ern zu sein. Es erinnert mich etwas an Aramis Devon (1977) ist jedoch etwas zurückhaltender und leichter, jedoch durchaus kein Leichtgewicht. Fougère würde ich dazu nicht sagen, da sind mir die Kräuter und vor allem der Kreuzkümmel nicht ausgeprägt genug. Letzterer bringt nur eine leicht warme Note.
Der Lavendel macht sich als nächstes bemerkbar, trocken und würzig. Ein paar Blumen spielen auch mit rein, ich erkenne sie nicht einzeln. Und Galbanum. Die Grundstimmung bleibt gleich, frisch-würzig und hellgrün. Zedernholz bringt eine leichte Limonen-Note. Man könnte in dieser Phase von einem klassischen Männer-Chypre sprechen, wobei bald auch eine leichte Leder-Note mitschwingt, was mich eher an den Aramis von 1964 denken lässt, zumal der Duft auch ein klein wenig süßer wird, als wäre etwas Harz enthalten.
Zur Basis hin gibt es dann Moos, richtig viel Moos, zuerst etwas seifig, später dann trockener (das Moos könnte so auch von Rogue sein, Tabac Vert oder Mousse Illuminée fallen ein). Vetiver bringt einen frischen Ton, Sandelholz und Moschus runden ab. Das ganze bleibt auch in der Basis frisch-würzig und das unterscheidet Pour Homme dann doch etwas von dem genannten Aramis, der in der Basis ins holzig-ambrierte geht und auch vom Devin, der in der Basis auch wärmer und harziger wird. Erst recht spät, nach ca. 7 Stunden, wird auch Pour Homme holziger und leicht harzig, und so klingt er dann aus.
Martin Fuhs sagt selbst über Pour Homme, er sei eine Hommage an die Düfte der 70er und 80er und da stimme ich gerne zu, wobei ich eher zu den 70ern tendieren würde (plus minus ein paar Jahre). Die oben genannten Düfte von Aramis sind mir in den Sinn gekommen, da ich die Marke kenne und schätzte, ein Titel für diesen Text hätte auch sein können ‚der Aramis, den es nie gab‘ (was als Kompliment zu verstehen ist). Man kann aber sicher auch andere Düfte der Zeit heranziehen, Pour Homme ist eine (gelungene) Hommage an eine Duftära, nicht an einen einzelnen Duft. Es ist jedenfalls ein trockener, ernster, jedoch niemals spaßbefreiter Duft, fest in der Vergangenheit verankert, aber moderner in der Anmutung (feiner gezeichnet und leichter komponiert).
Ein geschätzter Parfumo meinte kürzlich, es könnte ja sein, dass solche Düfte einen neuen Trend auslösen, weg von den derzeit oft vorherrschenden breiigen, holzig-harzig-süßen Breitwand-Tapeten, hin zu eher klassischen Düften. Ich würde es mir wünschen.
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Influenza Disclosure
Martin hat mir die Probe zu Pour Homme unaufgefordert und unentgeltlich zur Verfügung gestellt, wofür ich sehr dankbar bin. Etwas dazu zu schreiben war nie Bedingung und ist meine Entscheidung, da ich den Duft sehr, sehr gut finde. Das heißt jetzt nicht, dass ich nicht prinzipiell käuflich wäre, Angebote bitte per PN.
Aber stimmt das auch alles? Zweifel machen sich breit. Waren die Farben damals nicht viel kräftiger? Ein dunkles Grün und war die Schleife nicht rot? Erinnerungen sind trügerische Gebilde. Objektiv betrachtet sind sie bestenfalls subjektiv. Man sollte ihnen nicht trauen, vor allem nicht den eigenen.
Grauton Pour Homme ist ein klein wenig magisch. Magisch in dem Sinne, dass es bei mir Erinnerungen an eine Zeit weckt, die ich nicht mit Parfum verbinde. Meine Erinnerung an Parfum startet erst langsam in den 80ern, davor hatte ich keine großen Berührungspunkte und wenn doch nur unterbewusst. Trotzdem sind die Erinnerungen da; helle und freundliche Erinnerungen, andere würde nicht zum Duft passen.
Pour Homme startet würzig und frisch und vor allem aldehyde-grün. Die Zitrusfrüchte sind präsent, allerdings eher als Unterstützung für die Kräuter, den Kreuzkümmel und eben vor allem den Aldehyden. Die ganze Mischung ist sehr dicht und man hat schon das Gefühl, in den 70ern zu sein. Es erinnert mich etwas an Aramis Devon (1977) ist jedoch etwas zurückhaltender und leichter, jedoch durchaus kein Leichtgewicht. Fougère würde ich dazu nicht sagen, da sind mir die Kräuter und vor allem der Kreuzkümmel nicht ausgeprägt genug. Letzterer bringt nur eine leicht warme Note.
Der Lavendel macht sich als nächstes bemerkbar, trocken und würzig. Ein paar Blumen spielen auch mit rein, ich erkenne sie nicht einzeln. Und Galbanum. Die Grundstimmung bleibt gleich, frisch-würzig und hellgrün. Zedernholz bringt eine leichte Limonen-Note. Man könnte in dieser Phase von einem klassischen Männer-Chypre sprechen, wobei bald auch eine leichte Leder-Note mitschwingt, was mich eher an den Aramis von 1964 denken lässt, zumal der Duft auch ein klein wenig süßer wird, als wäre etwas Harz enthalten.
Zur Basis hin gibt es dann Moos, richtig viel Moos, zuerst etwas seifig, später dann trockener (das Moos könnte so auch von Rogue sein, Tabac Vert oder Mousse Illuminée fallen ein). Vetiver bringt einen frischen Ton, Sandelholz und Moschus runden ab. Das ganze bleibt auch in der Basis frisch-würzig und das unterscheidet Pour Homme dann doch etwas von dem genannten Aramis, der in der Basis ins holzig-ambrierte geht und auch vom Devin, der in der Basis auch wärmer und harziger wird. Erst recht spät, nach ca. 7 Stunden, wird auch Pour Homme holziger und leicht harzig, und so klingt er dann aus.
Martin Fuhs sagt selbst über Pour Homme, er sei eine Hommage an die Düfte der 70er und 80er und da stimme ich gerne zu, wobei ich eher zu den 70ern tendieren würde (plus minus ein paar Jahre). Die oben genannten Düfte von Aramis sind mir in den Sinn gekommen, da ich die Marke kenne und schätzte, ein Titel für diesen Text hätte auch sein können ‚der Aramis, den es nie gab‘ (was als Kompliment zu verstehen ist). Man kann aber sicher auch andere Düfte der Zeit heranziehen, Pour Homme ist eine (gelungene) Hommage an eine Duftära, nicht an einen einzelnen Duft. Es ist jedenfalls ein trockener, ernster, jedoch niemals spaßbefreiter Duft, fest in der Vergangenheit verankert, aber moderner in der Anmutung (feiner gezeichnet und leichter komponiert).
Ein geschätzter Parfumo meinte kürzlich, es könnte ja sein, dass solche Düfte einen neuen Trend auslösen, weg von den derzeit oft vorherrschenden breiigen, holzig-harzig-süßen Breitwand-Tapeten, hin zu eher klassischen Düften. Ich würde es mir wünschen.
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Influenza Disclosure
Martin hat mir die Probe zu Pour Homme unaufgefordert und unentgeltlich zur Verfügung gestellt, wofür ich sehr dankbar bin. Etwas dazu zu schreiben war nie Bedingung und ist meine Entscheidung, da ich den Duft sehr, sehr gut finde. Das heißt jetzt nicht, dass ich nicht prinzipiell käuflich wäre, Angebote bitte per PN.
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