Zerotonin

Zerotonin

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1 - 5 von 25
Zerotonin vor 11 Monaten 23 17
7
Flakon
6
Sillage
7
Haltbarkeit
7.5
Duft
Eine mittelgroße Tüte Überraschung, bitte!
Eine Probe eines Dufts, den ich vermutlich nie hätte testen wollen, hätte ich die Pyramide gekannt, fand seinen Weg zu mir. Als liebe Beigabe.
Es ist nun nicht so, als müsste ich gleich bei jedem Test die Parfumoseite aufrufen und parallel zum Schnüffeln die Noten studieren, aber einen Anhaltspunkt habe ich meist doch gerne. Bei vielen Düften, die man sich ertauscht und aufgrund der Noten unbedingt testen (gehen) muss, hat man den ja schon - eben weil man die Pyramide studiert hat. Oder man kennt den Namen bereits, hat darüber gelesen, Assoziationen und Vorstellungen gehabt. Bei zufälligen, beigelegten Proben habe ich mir vor Kurzem abgewöhnt, vorher nachzusehen.
Gut so! Sonst wäre ich sicher sehr voreingenommen an diesen Test herangegangen.
Funfair Evening versprach mir vom Namen her Süßes. Zucker. Klebrig.
Umso überraschter war ich von dem schönen Duft, den ich in der ersten Sekunde unter exotisch-orientalisch eingeordnet habe. Süß durchaus, aber erträglich. Meine geliebte Orangenblüte konnte ich direkt ausmachen, ebenso wie einen fruchtigen Shisha-Apfel zu Beginn. Karamellig ist er definitiv auch. Aber irgendeine wunderschöne, mysteriöse Note wollte mir ihr Gesicht nicht zeigen. Immer weiter und länger habe ich im Hinterstübchen überlegt, welche orientalische Zutat das sein könnte, die mir so gefällt. Und kam einfach nicht drauf. Als ich dann nachschaute, begriff ich zuerst gar nicht.
Anis.
Anis?
Ich hasse Anis!
Dachte ich zumindest. Nochmal neu aufgesprüht, gerochen und erkannt: es ist tatsächlich Anis, der mir hier so gut gefällt! In Verbindung mit der Süße und den frischen Weißblühern entwickelt er sich zu einem Träumchen für meine Nase.

Leider wird genau diese Note zum Ende schwächer, und Karamell siegt dann doch. Die Fruchtnoten hätte ich außerdem nicht gebraucht.
Insgesamt dennoch ein entzückender Duft, der mehr ist als nur Kirmes und Popcorn und - zumindest für mich - eine ganz schöne Überraschung bereithielt. Dem Anis-Phänomen werde ich nun weiter auf den Grund gehen, vielleicht habe ich bisher nur die falschen Düfte getestet?
17 Antworten
Zerotonin vor 12 Monaten 41 18
7
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft
Ue o muite arukō
Ue o muite arukō
Ich schaue beim Gehen nach oben

Namida ga kobore nai youni
Damit die Tränen nicht fallen

Omoidasu haruno hi
Erinnere mich an die Frühlingstage

Hitoribotchi no yoru
Aber heute Abend bin ich ganz allein

Und während er so nach oben schauend spazieren geht, sieht er über sich, verschwommen durch die Tränen, den schönsten aller Fliederbäume. Er kneift die Augen mehrmals zusammen, um ihn klarer sehen zu können.
Üppige, weiße Fliederblüten unter strahlend blauem Himmel. Die Luft ist erfüllt vom cremigen Fliederduft.

Und während er steht und bewundert und tief einatmet, landet ein Regentropfen auf seiner Nasenspitze. Der Erste von vielen.
Warmer Frühsommerregen befeuchtet die Natur und lässt alle Blumen und Hölzer ihren Geruch entfalten.
Mineralisch-frische Luft umhüllt ihn, als er das erste Mal den Kopf wieder etwas senkt.
Die Sonne scheint nach wie vor und lässt einen wunderschönen Regenbogen entstehen.

Und während die Regentropfen die Tränen in seinem Gesicht ersetzen, erkennt er, dass es eigentlich gar keinen Grund zum Traurigsein gibt.
18 Antworten
Zerotonin vor 1 Jahr 41 28
9
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
10
Duft
Aus den Tiefen
Stell dir vor, du bist gestorben. Vor einigen Wochen schon. Deinen Körper, so wie er einmal war, gibt es nicht mehr. Alles Äußerliche hat sich verändert.
Aber tot bist du nicht. Du weißt es nur noch nicht.

Eines Abends, als deine Zeit reif war, bist du deinem Instinkt gefolgt und in die Erde gegangen. Mit dem Gedanken, dass alles vorbei wäre. Ein letztes Mal hast du deine Haut abgestreift und plötzlich wurde alles ganz dunkel und steif um dich herum.
Im Stillen lagst du da, unbeweglich. Während sich in deiner Schutzhülle alles an dir veränderte.
Doch nun, nach Wochen, vielleicht sogar Monaten, erwacht dein Körper plötzlich.

Du lebst!

Aber alles ist so eng, du kannst dich kaum bewegen. Unter größter Mühe zappelst du in deinem Kokon hin und her bis endlich, endlich die Hülle bricht. Erschöpft hälst du kurz inne. Eine kleine Pause, bevor du dich aus deinem Sarg in der Erde an die Oberfläche kämpfen musst.
Vielleicht hat es ein, zwei Stunden gedauert, aber du hast es geschafft. Ungläubig nimmst du die Wärme um dich herum wahr, die Sonnenstrahlen und Pflanzen. Direkt am ersten Halm kletterst du empor und schaust dich um.
Dir war gar nicht bewusst, dass an jenem Abend, an dem alles enden sollte, du dir einen Platz mitten zwischen Chrysanthemen und Weihrauchpflanzen ausgesucht hast. Wie wunderschön sie duften!
Du kletterst höher. Einige Verwandte und Bekannte sind bereits länger aktiv, sie wuseln und fliegen schon. Du suchst dir einen Platz in der Sonne, und du weißt ganz intuitiv, dass du erstmal Pause machen musst. Damit sich etwas entfalten kann...
...Flügel! Du hast Flügel bekommen! Vielleicht sind sie bunt, vielleicht auch braun oder knallgelb. Vielleicht hast du sogar einen Pelz. Aber das alles ist unwichtig. Denn du hast deinen Tod überlebt und bist stärker denn je aus den Tiefen wieder auferstanden.
Mit den Beinen streifst du dir die letzten Erdklumpen ab, deren Duft sich mit der Frühlingsluft, den Chrysanthemen und Weihrauchpflanzen mischt. Entfernt riechst du auch einige Lavendelbüsche. Vermutlich dein erstes Ziel, nachdem du abheben kannst.

Vielleicht wirst du nur ein paar Tage noch leben, vielleicht sogar ein paar Wochen. Aber auch das ist unwichtig, denn richtig gelebt kann das eine schöne Ewigkeit werden.
Noch einmal nimmst du die Luft auf, die mit so viel Wehmut über dein altes Ich und so viel Glück über dein neues Leben verbunden ist und lässt dich vom Wind in die Zukunft tragen.
28 Antworten
Zerotonin vor 1 Jahr 23 16
10
Flakon
9
Sillage
9
Haltbarkeit
9.5
Duft
Eine olfaktorische Reise in die Traumwelt
Es ist Nacht und ich irre allein durch die dunklen Straßen. Ich stolpere über eine alte Bibliothek, die nur von wenigen Kerzen erleuchtet ist. Ich betrete das Gebäude und werde von einem mysteriösen Duft von Räucherwerk und alten Büchern empfangen. Ich bin fasziniert von der düsteren Atmosphäre und dem Gefühl, in eine andere Welt eingetaucht zu sein. Meine Schritte hallen an den kalten Steinwänden wider. Kerzen am Boden weisen den Weg durch die alten, hölzernen Bücherregale. Es ist staubig, verlassen, so als wäre seit Jahrhunderten kein Mensch hier gewesen.
Der Weg führt mich zu einer Tür, die in einen Garten führt. Der Räucherwerk-Duft wird stärker, während Glühwürmchen um meinen Kopf schwirren. Im Dunklen sehe ich die Umrisse einer alten Frau, die ruhig mit einem großen Holzlöffel in einem Kessel rührt. Das brennende Holz darunter vermischt sich mit dem würzigen Duft des Kesselinhalts und dem Räucherwerk. Mit gekonnter Hand fügt sie Gewürznelke, Muskat und Pfeffer zum Gebräu hinzu. Meine Anwesenheit scheint sie gar nicht zur Kenntnis zu nehmen. Ich schaue mich um. Über mir funkeln die Sterne heller, als ich sie je sah, trotz des Feuerrauchs, der in den Nachthimmel zieht. Ich höre das Blubbern des Kessels, das knackende Feuer, sanftes Rauschen in den Bäumen. Ganz in der Nähe ruft ein Uhu.
Vorsichtig nähere ich mich der alten Frau und erhasche einen Blick in den Kessel. Schwarz wie Teer ist der Inhalt darin. Kurz überlege ich, davon zu probieren, oder diesen betörenden Duft zumindest näher an mir zu haben. Wie in Zeitlupe sehe ich meinen Arm nach vorne greifen.
Aus einem Lederbeutel an der Hüfte nimmt Baba Yaga ein Pulver, dreht sich blitzschnell zu mir und pustet es mir ins Gesicht. ,,Du darfst hier nicht sein!", sind die letzten Wörter, die ich höre, bevor ich erwache, und der Geruch von feinem Leder liegt mir noch in der Nase.

Baba Yaga ist wie eine echte Begegnung mit der titelgebenden Figur (die ja meist als Hexe in der slawischen Mythologie bekannt ist) - der Duft erweckt das Gefühl, in eine Welt voller Mysterien eingetaucht zu sein, in der alles möglich scheint; eine surreale Traumwelt, in der man zusammen mit Baba Yaga am Hexenkessel steht und Zauber wirkt.
16 Antworten
Zerotonin vor 1 Jahr 20 10
7
Flakon
9
Sillage
10
Haltbarkeit
9.5
Duft
Gut Ding will Weile haben - Die Kunst des Wartens
Ungefähr acht Jahre ist es her, seit ich diesen Duft, in Form einer Beigaben-Probe, zum ersten Mal unter der Nase hatte. Und es war eigentlich Liebe auf den ersten Riecher. Ich war ganz neu auf Parfumo und hatte nun wirklich nicht viel Ahnung. Weder von Duftnoten, noch von Richtungen - nicht einmal von dem, was ich eigentlich mögen könnte. Ich habe nur gewusst, dass mir das hier gefällt. Was mir nicht gefallen hat, war die Tatsache, dass ich mich mit dem Duft so gar nicht identifizieren konnte. Ich sah eine gestandene, selbstbewusste Frau vor mir, jenseits meines damaligen Altersbereichs. Das war damals noch ungewohnt. Entsprechende Rückmeldungen habe ich auch bekommen, während ich die Probe leerte: ,Du riechst ja interessant' (aufgrund des Gesichtsausdrucks definitiv kein Kompliment ;-) oder, meine Mutter: ,das riecht nach Pipi'. Sowas hat mich damals noch gejuckt. Auf die Wunschliste habe ich ihn trotzdem gepackt, für 'irgendwann mal'.
Mit der Zeit verblasste jedoch jede Erinnerung an diese Schönheit, die mich einen Test und zweimal tragen begleitet hat. Und so kam es in acht ganzen Jahren nie dazu, dass ich ihn gekauft habe. Trotzdem hatte ich ihn immer im Hinterkopf, eben für 'irgendwann mal'.

Irgendwann mal war vor ein paar Tagen, als ich die Chance auf einen Tausch ergriff. Vorgestern kam er an. Und ich liebe ihn noch immer, heiß und innig! Wie könnte ich auch nicht, wo er doch alles vereint, was ich liebe. Da ist Jasmin, viel davon, leicht indolisch, animalisch (oder wie meine Mutter und sicher auch viele Andere sagen würden: urinös). Da kuscheln cremiges Sandelholz und Amber, und durch den gesamten Verlauf zieht sich ein traumhafter Gewürzfluss aus Nelken, Zimt, Kardamom.
Was ich persönlich nicht unterschreiben kann und so ganz anders wahrnehme, ist die Einordnung in Gourmand. Essbar ist hier für mich nichts, mir entzieht sich auch völlig die von Einigen wahrgenommene Schokolade oder gar Ananas. Mehr oder weniger süß finde ich Courtesan jedoch schon.
Und nun, nach all den Jahren Entzug, freue ich mich tierisch darauf, diesen Schatz endlich gebührend genießen zu können und 'uriniere' fröhlich vor mich hin ;-)
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