loewenherz
loewenherz’ Blog
vor 9 Jahren - 17.11.2014
6 12

Jeder Saison ihren Duft? Jedem Duft seine Saison?

'To everything - turn, turn, turn - there is a season - turn, turn, turn - and a time to every purpose under heaven.' weiß schon das Buch Kohelet zu berichten, dichtete daraufhin 1950 Pete Seeger und sangen seitdem die Byrds, sangen Marlene Dietrich und Dolly Parton und viele andere. Und dann wird aufgezählt, was im Leben alles seine Zeit hat - das Lachen und das Weinen, das Tanzen und das Klagen und das 'Steine über das Wasser schnippen'.

Bei Parfums neigen wir auch zu diesem Denkmuster - wir, die wir in einer Region mit ausgeprägten Jahreszeiten leben. Im Frühling darf es blumig sein, bei den Damen sowieso, Etros Vicolo Fiori oder Cliniques Happy, doch auch bei den Herren möglicherweise ein wenig zartes Grün. Im Sommer dann aquatisch oder südlich-tropisch, Hermès' Epice Marine und Creeds Virgin Island Water, Urlaubsdüfte. Im Herbst wird es gehaltvoll, rauer, möglicherweise gourmandig, Tom Fords und mein geliebter Tobacco Vanille oder Guerlains Tonka Impériale. Und im Winter schließlich die vollen Geschütze, kraftvoll oder auch sehr ernst, Armanis Bois d'Encens oder Lutens' Serge Noire. Und dann gibt es die Evergreens, die Klassiker, die immer gehen - Acqua di Parma Colonia, Diors Eau Sauvage, im Grunde alles von Chanel - deswegen sind sie ja Klassiker.

Ist das richtig, ist das sinnvoll, ist das klug? Oder sind wir einfach zu dogmatisch, zu bequem, zu automatisch? Kürbisse auf dem Markt = Tobacco Vanille? Tulpen auf der Fensterbank = Happy? Wobei, Tulpen gibt es jetzt ja schon zu Weihnachten, also funktioniert selbst das nicht mehr. Ich habe gestern Batucada getragen, Mojito in einer Flasche, mitten im November, und es war wunderbar. Aber Serge Noire an einem heiteren Junimorgen? Oud Wood im August an der Strandbar, in kurzen Hosen? Oftmals offenbart ja erst das Unerwartete wirkliche Schönheit, Souveränität und Stil. Aber auch die rosa Socken zum taubenblauen Anzug sind nur beim ersten Mal originell, wenn überhaupt.

Wir sollten tragen, wonach wir uns fühlen, jetzt und hier. Häufig mag das wirklich der Gourmand im Herbst sein, das zarte Pflänzchen im Mai, kulturelle Prägung und Traditionen sind schließlich nicht von jetzt auf gleich und einfach so entstanden. Aber hören wir wirklich noch in uns hinein, was wir heute, in diesem Moment wirklich möchten? Oder folgen wir doch einfach nur dem Dogma? Keine Lebkuchen im August! Kein Dune vor den Eisheiligen! Ich lese manchmal, dass Düfte wie Daunenjacken oder Badehosen nach hinten oder nach vorne geräumt werden, wenn sich die Jahreszeiten ändern. Nicht doch, tut das nicht! An neunundachtzig von neunzig Frühlings- oder Sommertagen mag der pure Gedanke an Noir de Noir, an Bois d'Encens, an Poivre Samarcande grässlich sein. Am neunzigsten Tag aber ist er herrlich und vielleicht ganz anders als 'zu seiner Zeit'. Und der Tag ist es wert!

6 Antworten

Weitere Artikel von loewenherz