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vor 7 Jahren - 18.12.2016
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Über Penhaligon's

Einer der beiden traditionsreichen britischen Hersteller von Parfum - der andere ist Floris, um knappe hundert Jahre älter, aber für mich nur der zweitbeste - ist das Haus Penhaligon's. 1870 eröffnete der kornische Barbier William Henry Penhaligon in der Londoner Jermyn Street - gleich am Piccadilly und damals wie heute die erste Adresse für Herrenschneider - sein Geschäft. Er wurde (und ist immer noch) englischer Hoflieferant und Barbier der ersten Londoner Gesellschaft. Es gibt nur kaum ein anderes Haus, dem es der Seele des britischen Empires (bzw. Großbritanniens überhaupt) dergestalt olfaktorischen Ausdruck zu geben gelang wie Penhaligon's.

Ich war und bin ein leidenschaftlicher Anhänger der Traditionen und der Parfumskunst von Penhaligon's. Ihre Düfte sind so ganz anders als etwa französische oder amerikanische - nicht alle, aber doch die meisten und besonders die älteren von ihnen, denen - ob nun zu Recht oder zu Unrecht, das möge jede(r) für sich selbst entscheiden - manchmal ein wenig Altbackenheit unterstellt wird. Ich mag dieses Penhaligon'sche sehr, das ich eher als zwanglos elegant und mitunter anrührend anachronistisch als als 'altbacken' empfinde, wenngleich Fokus und die Art und Weise, Parfum zu machen, sich in den letzten Jahren doch merklich verändert haben.

Ich werde mich bemühen, einen einigermaßen vollständigen Überblick über das bisherige Duftschaffen des Hauses Penhaligon's zu geben, wenngleich ich - anders als bei Tom Ford, bei dessen Parfums ich das zuletzt getan habe - nicht alle Düfte (gleich gut) kenne, so dass von den schon lange nicht mehr hergestellten wie von den ganz neuen einige wenige in meiner Auflistung nur namentlich genannt werden. Der Übersichtlichkeit halber habe ich die bisher knapp siebzig Düfte (die wenigen Flanker und anderen Varianten, die es gibt, werden zumeist nicht eigens gezählt) in Gruppen à jeweils rund fünf zusammengefasst. (Manche Verlinkungen zu den Düften funktionieren nicht oder nicht richtig.)

Die Oldschooler: die Seele und das Rückgrat des Hauses sind diese (Herren-)Düfte der ersten Stunde, jeder von ihnen über hundert Jahre alt. Es sind "Hammam Bouquet (Eau de Toilette)" (nach dem in der Jermyn Street seinerzeit nebenan liegenden Badehaus benannt, ein überraschend moderner Moschus), "Blenheim Bouquet (Eau de Toilette)" (Zitrus plus Nadelholz), "English Fern (Eau de Toilette)" (hinreißend englische Wiesenfrische) und "Lords" (Mitte der 80er erneut gelauncht als "Douro Eau de Portugal", leicht seifig und britisch elegant).

Die Newschooler: dies sind jüngere Herrendüfte, die jedoch in der Tradition der vorgenannten stehen. Hierzu gehören "Bayolea (Eau de Toilette)" (ein retrocooler Barbierduft), "Racquets Formula" (wunderbar sportliche Seifigkeit), "Sartorial" (leichtfüßig-metallisch wie ein Florettfechter) und "Turnbull & Asser" (zum 125jährigen Bestehen des gleichnamigen Herrenschneiders kreiert, inzwischen eingestellt). "Quercus" ist ein Frischeduft aus den 90ern, der es nie die vordere Reihe geschafft hat, aber zumindest eine wohlwollende zweite Nase wirklich verdient.

Die Blumen I: dies sind die älteren - kein bisschen alten - und daher 'klassisch' anmutenden Damendüfte des letzten Jahrhunderts, die allesamt eine einzelne Blüte deutlich in den Fokus stellen. Es sind "Bluebell" (Hasenglöckchen, eine für den englischen Frühling typische Hyazinthenart), "Elisabethan Rose" (eine frisch geschnittene Gartenrose), "Lily of the Valley" (Maiglöckchen) "Night Scented Stock" (Nachtlevkoje, ein überraschender Sommerduft) und "Ormolu" (schwermütige Blüten und bitteres Moos mit deutlichen Chypre-Anklängen).

Die Blumen II: vier weitere Blumendüfte aus dem letzten Fünftel des 20. Jahrhunderts - "Eau de Primrose" (wohl Primel, kann ich aus meiner vagen Erinnerung weder bestreiten noch bestätigen), "Victorian Posy" (ein wirklich altmodisch arrangierter Blütenduft und deswegen wirklich schon wieder retroschick), "Violetta" (Veilchen, mit aller gebotenen Zurückgenommenheit und einer leichten, nicht uncharmanten Tantigkeit) und - der jüngste von diesen vieren - "Cornubia" (Freesie und Orangenblüte, durch Heliotrop und Vanille beinahe gourmandig arrangiert).

Die Blumen III: weil Blumen zumindest im Damenbereich so etwas wie das Markenzeichen des Hauses geworden sind, erschienen auch im 21. Jahrhundert zahlreiche weitere Blumendüfte - "Artemisia" (pudriges Maiglöckchen meets unschwitzigen Moschus), "Ellenisia" (Jasmin und Tuberose dominieren, dafür ist er erstaunlich unschwülstig arrangiert), "Iris Prima" (Iris, streng und kontrolliert), "Lily & Spice" (ganz deutlich eher Lily als Spice), "Ostara" (im Zentrum eine erstaunlich unaasige Narzisse) und "Peoneve" (eine lebhaft opulente Pfingstrose).

Die Anthology-Collection: unter diesem Namen relaunchte Penhaligon's Anfang der 2010er Jahre fünf ehemals bereits eingestellte Düfte, die aber schon seinerzeit keine Gassenhauer waren, nämlich "Eau Sans Pareil" (herb-floral, aber doch eher floral als herb), "Esprit du Roi" (lebhaft grün und frisch, ein 'verkannter Schöner' in der zweiten Reihe), "Gardenia" (ein kapriziöser und dandyhafter Gardeniensoliflor), "Jubilee Bouquet" (zu Elizabeths 25. Thronjubiläum erschaffen, ein weicher, traditioneller Blumenduft) und "Zizonia" (balsamisches Holz trifft auf Orangenschale).

Frisch und gender-independent: Penhaligon's hat insgesamt ziemlich wenige 'echte' Unisex-Parfums herausgebracht; zumeist werden die Düfte deutlich als Damen- oder Herrenduft eingeordnet. Natürlich muss man dem nicht folgen, gerade die sehr floralen Parfums sind - selbstbewusst getragen - an Männern wunderbar. Echt britische, frisch-freundliche Tagesdüfte für Ladies ebenso wie Lords sind "Castile" (Bergamotte), "Eau de Verveine" (Eisenkraut), "Extract of Limes" (Limette), "Eau de Cologne" (Neroli) und "Orange Blossom" (Orangenblüte).

About Lavender: "Endymion", dem 'schönen Schläfer' (ein süßer Lavendelduft mit Gewürzen und balsamisch weichem Holz), wurde mit "Endymion Concentré" in diesem Jahr als erstem Penhaligon's-Parfum seit langem ein echter Flanker beigestellt. "Esprit de Lavande" (seit gefühlten hundert Jahren vergriffen, ergo leider nie gerochen) und "Lavandula" (süß-gefällig, beinahe ein bisschen wie "Endymion"s jüngerer Bruder) sind zwei Lavendeldüfte für zwei völlig unterschiedliche Generationen, wobei jeder von ihnen deutlich mehr als 'nur Lavendel' ist.

Weihrauch, Liebes- und andere Tränke: "Elixir" und "Opus 1870" sind zwei ruhige und würdevolle Weihrauchdüfte, jeweils einer für die Damen und die Herren, was wie so oft höchstens eine Empfehlung ist. "Love Potion No.9 for Ladies" und "LP No.9 for Men", typische Orientalen der späten 90er, haben sowohl die blödesten Namen wie auch Etiketten. "Malabah" (ein spröder Teeduft mit gerade nicht zu viel Gewürz) hingegen sowie "Amaranthine" (Kardamom ohne allzu weihnachtliche Anmutung) tragen schon deutlich die Zeichen der 00er Jahre.

Die Trade Routes-Collection: sechs Mal die Hommage an eine berühmte Handelsstraße - "Trade Routes Collection - Oud de Nil" fand ich nicht umwerfend, über "Trade Routes Collection - Alizarin", "Trade Routes Collection - As Sawira", "Trade Routes Collection - Empressa", "Trade Routes Collection - Halfeti", "Trade Routes Collection - Levantium" und "Trade Routes Collection - Lothair" kann ich noch nicht hinreichend urteilen. Einen ausgiebigeren Test würde ich aber jedem von ihnen jederzeit widmen, zumal ich die Idee dieser Kollektion mag.

Metallschleifen und Blasteds: des Zeitgeists ganz fette Beute sind "Juniper Sling" (kühl und etwas fahl arrangierter Gin), "Ninevah" (ein zahnwehsüßer Gourmand, exklusiv verkauft im Penhaligon's Outlet im Bicester Village - wer kreiert eigens einen Duft für ein Outlet?) und "Vaara" (Orient meets Frucht, seltsam unentschlossen), alle mit Schleifen aus Metall. Außerdem die beiden 'Sprengmeister' "Blasted Bloom" und "Blasted Heath", die zeigen, dass der reine Fokus auf 'synthetisch' für die Pengaligon'sche DNA - zumindest bei diesen beiden - für mich nicht funktioniert.

Zeitgenössische Eigenartigkeiten: Ist es bei "Tralala" (schwül-opulent, aber trotzdem kein Kopfschmerzkandidat) vor allem die Verpackung, die Traditionalisten irritieren mag - mir gefällt er - sind "No. 33" (zum 145jährigen Bestehen erschaffen, die Ingredienzen hören sich ganz anders an, als er riecht) und "Equinox Bloom" (lauter patentrechtlich geschützte Formeln aus Frankensteins Labor) beide sehr artifiziell. "Luna" (ein bitterer Rosenduft) hingegen ist zwar untypisch Penhaligon's, aber die Kombination aus Rose und Wacholder ist sehr schön.

Die Portraits-Collection: ganz neu - und leider ganz ohne die typischen kleinen Schleifen um den Flaschenhals, weder aus Seide, noch aus Metall, dafür mit drolligen kleinen Tierköpfen auf dem Deckel - sind "Portraits - Clandestine Clara", "Portraits - Much Ado About the Duke","Portraits - Roaring Radcliff", "Portraits - The Coveted Duchess Rose","Portraits - The Revenge of Lady Blanche" und "Portraits - The Tragedy of Lord George". Letzterer hat mich wirklich - endlich mal wieder - richtig überrascht und begeistert, und auch "Portraits - Much Ado About the Duke" gefällt.

Coming soon: "Savoy Steam (Eau de Cologne)" und "Savoy Steam (Eau de Parfum)". Klingen beide spannend.

Es gab da durchaus einen Bruch zwischen den altehrwürdigen Düften, an die sofort gedacht wird, wenn der Name Penhaligon's fällt (vorwiegend die Oldschooler und die älteren Blumendüfte). Doch sind in jedem Jahrzehnt bisher zwischen einigem, das austauschbar erscheint, auch immer wieder Kleinode dabei, die daran erinnern, was für ein besonderes Haus dies ist. Jedem, der leicht altmodische Düfte schätzt, der gerne Tee im Wintergarten zu kleinen Victoria Sponges mit Erdbeermarmelade oder zu Shortbread trinkt - oder einfach nur gerne Downton Abbey geschaut hat - seien die Düfte des Hauses Penhaligon's sehr ans Herz gelegt.

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