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30.11.2019 - 19:10 Uhr
Parfümlein
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Parfümlein
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Ich habe, als wirklicher, echter Tuberose-Anhänger, nach einem frühlingshaften Tuberose-Duft gesucht. Beziehungsweise: Ich wusste eigentlich von vornherein, dass ich Jo Malone wollte, als ich die Nischenparfümerie meines Vertrauens betrat. Doch allein, um C. erzählen zu hören, stellte ich mich ratlos. Tuberose für den Frühling - gibt es das denn eigentlich? Ist nicht jede Tuberose so erschlagend, dass sie in den Winter gehört, an festliche Abende mit Geschenken und Creme brulée? "Nein", sagte C. "Überhaupt nicht". Ich schnupperte an Love Tuberose. Leider zu teuer, aber sehr interessant, das mit Oman. Ich schnupperte an Jeueuse Tubereuse - heiter, wirklich, aber irgendwie nicht frühlingsgrün. "Dann haben wir noch", sagte C. begeistert, "einen absolut wunderbaren Duft. Die Parfumeurin erzählte, sie sei auf einem Rockkonzert gewesen. Es sei so aufregend gewesen - die Musik viel zu laut, die Kabel angeschmort, überall abgestandenes Bier und zwischendurch ein Hauch von Parfum in der Luft... Das sei es, sagte sie, was am allerbesten auf der Welt rieche. Und so habe sie 'Sónar' kreiert." (Wieso überhaupt die Parfümeurin? Ist die ganze Geschichte nur ausgedacht? Das Parfum ist doch von eine Mann?) Ich war neugierig und skeptisch zugleich. Dann zuckte ich sofort zurück. Das ist ein Parfum?, fragte ich ungläubig. "Oh ja, und das läuft wirklich sehr, sehr gut!"
Es war schön bei C. Ich kenne keinen begnadeteren Erzähler als ihn, und im Grunde genommen ist es eine Verzerrung der Kunst, wenn ich ihn so prosaisch zitiere. Er liebt die Düfte und die Geschichten, die er mit ihnen verbindet. Aber Sónar? Muss ich diesen Duft bewundern, nur weil er ein Nischenduft ist?
Nun, ich fand ihn zumindest faszinierend. Fantasievoll. Aber - auch widerlich. Ja, ganz offen gesagt: Ich fand ihn abstoßend hässlich.
Ein paar Tage später erzählte ich einem Menschen, der mir sehr nahesteht, davon, und heute gingen wir während eines Adventsbummels in der hektischen Innenstadt erneut zu C. Meine Begleiterin schnupperte lange und schweigsam. Dann ihr Urteil: "Ich mag ihn. Er riecht eindeutig gut." Du bist jung, sagte ich; es wundert mich nicht, dass Du offen bist für diese nervenzerrende Explosion. Aber: Es wunderte mich sehr. Es wunderte mich ganz außerordentlich. Und meine Verwunderung fand letztlich Befriedigung: Nach einer Viertelstunde sagte sie, sie habe sich geirrt. Die Autoreifen seien zu stark, zu grob, wie eine Wand, die sich auf sie zuschiebe.
Was soll ich sagen. Ich nehme wenig Bier in dem Duft wahr. Ich erahne Blumen, doch welche, ist mir unklar. Alles, jede Chance auf eine Komposition wird überlagert von diesem unglaublich harten Geruch nach verkohltem Gummi. So, wie ein ganz neues Auto nach einer schnellen Fahrt manchmal riecht. Unerträglich.
Ich für meinen Teil habe immer wieder viel mit Wein zu tun. Ich habe einige Sensorik-Seminare besucht, bis ich genervt, nein: angewidert war von dem leeren Gerede, dem aufgeblähten Gefasel. Dem unglaublichen Stolz, einen Hauch von Geißblatt in der Riesling Spätlese entdeckt zu haben. Ich liebe Wein, und ich liebe qualitativ hochwertigen Wein. Aber ich bin mir ab einem gewissen Punkt der akribischen Analyse einfach zu schade dafür, mich an sich ständig weiter hochschaukelnde Oberflächlichkeiten zu verausgaben, während dem Rest der Welt Bomben um die Ohren fliegen oder ein Virus zu schaffen macht. Ich rette die Welt nicht, wenn ich Wein in mich hineinkippe, anstatt seinen handwerklichen Wert adäquat zu würdigen. Aber ich möchte mich darüber auch nicht definieren. Ich möchte mich ganz einfach nicht dafür schämen müssen, den Konsum über jede Vernunft zu stellen und mich als so hohl zu outen, dass ich jeden noch so oberflächlichen Blödsinn automatisch anbete, weil er neu und von Berühmtheiten ist. Deshalb habe ich nie Orange wine getrunken. Und deshalb mag ich Sónar nicht nur in keinster Weise. Sondern ich lehne es darüber hinaus ab, mich überhaupt damit zu beschäftigen, ich lehne es ab, auch nur eine einzige weitere Minute mit Düften dieser Art zu verbringen, nur weil sie das Etikett "Nische" tragen.
Was soll ich sagen, frage ich noch einmal. Ich trage im Moment Scandal, wie die wenigsten hier. Sagt das etwas über meine Moral aus? Oder über meine Individualität? Meine Intelligenz? Jedem das Seine. Das wollte ich einfach nur mal gesagt haben. Ach ja, und ich habe natürlich Jo Malone gekauft. Und mir die passende Körpercreme dazu geleistet.
Es war schön bei C. Ich kenne keinen begnadeteren Erzähler als ihn, und im Grunde genommen ist es eine Verzerrung der Kunst, wenn ich ihn so prosaisch zitiere. Er liebt die Düfte und die Geschichten, die er mit ihnen verbindet. Aber Sónar? Muss ich diesen Duft bewundern, nur weil er ein Nischenduft ist?
Nun, ich fand ihn zumindest faszinierend. Fantasievoll. Aber - auch widerlich. Ja, ganz offen gesagt: Ich fand ihn abstoßend hässlich.
Ein paar Tage später erzählte ich einem Menschen, der mir sehr nahesteht, davon, und heute gingen wir während eines Adventsbummels in der hektischen Innenstadt erneut zu C. Meine Begleiterin schnupperte lange und schweigsam. Dann ihr Urteil: "Ich mag ihn. Er riecht eindeutig gut." Du bist jung, sagte ich; es wundert mich nicht, dass Du offen bist für diese nervenzerrende Explosion. Aber: Es wunderte mich sehr. Es wunderte mich ganz außerordentlich. Und meine Verwunderung fand letztlich Befriedigung: Nach einer Viertelstunde sagte sie, sie habe sich geirrt. Die Autoreifen seien zu stark, zu grob, wie eine Wand, die sich auf sie zuschiebe.
Was soll ich sagen. Ich nehme wenig Bier in dem Duft wahr. Ich erahne Blumen, doch welche, ist mir unklar. Alles, jede Chance auf eine Komposition wird überlagert von diesem unglaublich harten Geruch nach verkohltem Gummi. So, wie ein ganz neues Auto nach einer schnellen Fahrt manchmal riecht. Unerträglich.
Ich für meinen Teil habe immer wieder viel mit Wein zu tun. Ich habe einige Sensorik-Seminare besucht, bis ich genervt, nein: angewidert war von dem leeren Gerede, dem aufgeblähten Gefasel. Dem unglaublichen Stolz, einen Hauch von Geißblatt in der Riesling Spätlese entdeckt zu haben. Ich liebe Wein, und ich liebe qualitativ hochwertigen Wein. Aber ich bin mir ab einem gewissen Punkt der akribischen Analyse einfach zu schade dafür, mich an sich ständig weiter hochschaukelnde Oberflächlichkeiten zu verausgaben, während dem Rest der Welt Bomben um die Ohren fliegen oder ein Virus zu schaffen macht. Ich rette die Welt nicht, wenn ich Wein in mich hineinkippe, anstatt seinen handwerklichen Wert adäquat zu würdigen. Aber ich möchte mich darüber auch nicht definieren. Ich möchte mich ganz einfach nicht dafür schämen müssen, den Konsum über jede Vernunft zu stellen und mich als so hohl zu outen, dass ich jeden noch so oberflächlichen Blödsinn automatisch anbete, weil er neu und von Berühmtheiten ist. Deshalb habe ich nie Orange wine getrunken. Und deshalb mag ich Sónar nicht nur in keinster Weise. Sondern ich lehne es darüber hinaus ab, mich überhaupt damit zu beschäftigen, ich lehne es ab, auch nur eine einzige weitere Minute mit Düften dieser Art zu verbringen, nur weil sie das Etikett "Nische" tragen.
Was soll ich sagen, frage ich noch einmal. Ich trage im Moment Scandal, wie die wenigsten hier. Sagt das etwas über meine Moral aus? Oder über meine Individualität? Meine Intelligenz? Jedem das Seine. Das wollte ich einfach nur mal gesagt haben. Ach ja, und ich habe natürlich Jo Malone gekauft. Und mir die passende Körpercreme dazu geleistet.
3 Antworten
Ergoproxy
Katyes
SonarID
Jennytammy
Bellemorte
