Parco Palladiano V: Lauro 2016

MajorTom
13.09.2021 - 03:55 Uhr
19
Top Rezension
5
Preis
9
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
10
Duft

Der Volltreffer

Mein erster Duft war Mitte der 80er das gute altehrwürdige Boss. Ein einfach gehaltener Flakon, schnörkellos und trotzdem ein Duft, den ich nie vergessen werde. Seitdem habe ich - ich weiß nicht wieviele - Düfte getestet, gekauft und versprüht, aber ja länger ich das mache, umso schwieriger wird die Suche nach wirklich Neuem. Gefühlt/gerochen war alles schon mal da.

Klar, auch die Branche selbst kann das Rad ja nicht neu erfinden. Es gibt zig Ingredienzen, diese lassen sich unterschiedlich mixen, aber irgendwann sind alle Möglichkeiten erschöpft und neue Kreationen gleichen zwangsweise immer irgendwo einem Duft, den es halt in zumindest ähnlicher Form schon gibt oder gab. Es gibt sicherlich Modeerscheinungen, wie das Oud in den letzten Jahren, welches nahezu jeder Hersteller in seinen 14. Flanker einbaute, aber ansonsten…?

Mit zunehmenden Alter suche ich auch nicht mehr die Art von Düften, die wie ein Lautsprecher durch die Gegend rennen und alles links und rechts zusammenschreien. Sillage gerne, Haltbarkeit auch, aber zwischen aufdringlich und subtil ist dann doch noch ein feiner Unterschied.

Und so bin ich letztlich über die Parco Palladiano Linie von Bottega Veneta gestolpert. Bereits vor zwei Jahren hat mich der Flakon fasziniert, weil er aussieht, wie ein Glas, in das zahlreiche Prismen eingeschliffenen wurden. Ein optisches Highlight, zweifellos. Der Preis hat mich damals derart abgeschreckt, dass es nicht einmal zu einem Test reichte. Diesmal - und wie gesagt, auf der Suche nach etwas Speziellem - habe ich mich zu einem Blindkauf verleiten lassen, der bis zur Lieferung eine Mischung aus ungutem Gefühl und Vorfreude erzeugte.

Das unboxing selbst ist unspektakulär, für den Preis habe ich aber anderes erwartet als einen schnöden Karton. Wenngleich ich mir aus Samtschatullen nichts mache, ich haue das eine wie das andere direkt in die Tonne. Trotzdem wäre ein bisschen Wertschätzung gegenüber dem Konsumenten schön gewesen.

Der Flakon, ja, wie bereits erwähnt, sehr ansehnlich, dennoch auch hier ein Kritikpunkt: Der Verschluss. Optisch zwar an den Flakon angepasst, aber das Abziehen und Aufstecken passt einfach nicht zum Preis. Zu streng, zu schwer, man muss mit Nachdruck zu Werke gehen. Ein Magnetverschluss würde hier auch dem eigenen Anspruch von Bottega Veneta klar gerechter. Dafür macht der Sprüher einen guten Job und entlässt den Inhalt mit Nachdruck in die Freiheit. Kurz warten, setzen lassen und dann einen kräftigen Atemzug nehmen.

Als würzig-grün ist der Duft schubladisiert, ich würde holzig ggf. noch hinzusetzen, anfänglich vielleicht sogar noch leicht frisch, auf jeden Fall angenehm und zwar super angenehm. Ein Nasenschmeichler par excellence. Das angekündigte Rosmarin erschnüffelt meine Nase nicht. Salbei kann, wenn zu prominent, schnell nervig werden (wie z.B. in Halsbonbons), hier aber fein dosiert und in Verbindung mit dem Lorbeer eine fantastische Komposition. Grüne Düfte sind oft gefährlich, weil sie gerne mal ins Muffige abdriften, aber hier, das sei vorweggenommen, passiert das auch nach Stunden nicht.
Auf mich wirkt der Duft wohltuend beruhigend. Kein Waldspaziergang im üblichen Sinne, dafür zu wenig dunkel, sondern mit der vorhin angesprochenen „Frische“, vielleicht besser ausgedrückt „Leichtigkeit“. PP V Lauro erdrückt dich nicht im Dickicht und auch nicht im Moos, trotz des grünen Charakters schwingt Energie mit.

Ich ertappe mich immer wieder, wie gerne ich den Duft wahrnehme. Wenn ich mich setze, schwappt mir eine kleine Prise aus meinem offenen Hemd in die Nase. Lauro ist klassisch, ohne langweilig zu sein. Sehr natürlich wirkend im Vergleich zu vielen Syntheten. Omnipräsent, aber nie aufdringlich oder laut. Ein Statement, ohne den ganz großen Auftritt zu zelebrieren. Dass muss der Duft nicht, er wirkt auch so. Im Vorbeigehen an anderen hinterlässt er einen feinen Eindruck, ohne die Mitmenschen zu erschlagen. Er setzt ganz einfach eine Marke. Sehr sehr edel, sehr gelungen.

Im Laufe des Tages weicht die Leichtigkeit einem etwas verstärkten Grün, die von Beginn vorhandenen holzigen Anklänge treten etwas stärker hervor und betonen den maskulinen Charakter. Lauro bringt mich durch den Tag und ist auch beim Abendessen noch mein Begleiter.

Am Anfang hatte ich erwähnt, dass mehr oder jeder Duft so oder ähnlich schon mal da war. Und ja, natürlich gibt es etliche Grünlinge anderer Marken, dennoch ist dieser hier etwas Besonderes. Weil das komplette Arrangement für mich nahezu perfekt ist. Großes Kino. Der Duft erreicht bei mir volle Punktzahl, ich finde schlichtweg keinen Kritikpunkt.

Sillage und Haltbarkeit sind je nach Wunsch über die Dosierung individuell hochfahrbar. Allerdings entspricht eine Überdosierung im Sinne von Einnebeln nicht dem Charakter von Lauro. Im Normalfall 10 Stunden, also ordentlich.

Über den Flakon hatte ich mich bereits ausgelassen.

Der Preis, darüber müssen wir reden. Okay, der Flakon ist nicht einer von der Stange, aber die Leute von Bottega Veneta langen zu nach dem Motto „nimm’s von den Lebenden, die Toten zahlen nicht mehr“. 170 Hämmer für 50ml ist absolute Schmerzgrenze. Ja, auch andere Nischenprodukte laufen mit einem ähnlichen Preisschild durch die Gegend, und ja, Luxus läuft immer. Dennoch sollte man die Geduld und die Kaufbereitschaft von Konsumenten nicht bis aufs letzte Ausreizen, denn wenn einmal überzogen ist, hat man den Kunden verloren.

Ein Duft mit Alleinstellungsmerkmal, den ich sicher sehr gerne im Herbst und Winter tragen werde!
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