23
Top Rezension
El Laberinto del Fauno
Irgendwann in den Neunzigern in der Bayreuther Eremitage…
Ich spaziere mit meinen Eltern durch die Anlagen, deren Schönheit ich heute bestenfalls behaupten, aber nicht mehr wirklich rekapitulieren kann. Umso präsenter ist mir der Moment, als uns eine reife Dame anspricht. Sie als „altes Mütterlein“ zu bezeichnen entspringt keinem Hang zum Despektierlichen: Der Begriff beschreibt – märchenhaft verbrämt – am besten die kleine grauhaarige Person, die uns da mit unsicherer, greisenhaft hoher Stimme um Hilfe bittet. Sie habe sich verlaufen, meint sie, während sie sich auf ihren Stock stützt, und finde nun den Weg zum Busbahnhof nicht mehr. Mein Vater erläutert freundlich den Weg aus der Anlage, wünscht alles Gute - und stutzt kurz. Dann blickt er sich um, beugt sich vor und flüstert eindringlich: „Aber hüten Sie sich vor dem Faun, gnädige Frau!“
Rechtschaffen verwirrt entfernt sich das Mütterlein, so rasch es ihre alten Beine erlauben. Vater grient zufrieden – der Rest der Familie blickt entweder leicht betreten zu Boden oder schüttelt den Kopf. Und Sarungal? Der kichert…
…und stellt sich vor, wie wohl dieser Faun riecht, vor dem mein Vater das Mütterlein warnte. Seit ich „L’Ombre dans L’Eau“ kenne (merci, Serafina!), habe ich eine Ahnung von seinem Duft: eine schwelgerische Mischung aus Naturaromen, ein bisschen stickig in der Anmutung, dabei durchaus grün, und im Herzen dekoriert von einer beinahe schwülstigen Rose, die als Äquivalent satyr’scher Pheromone zugleich lockt und abstößt.
Tatsächlich möchte ich ihre recht volatile Präsenz als ebenso spannende wie irritierende Naturschweißnote begreifen. Das ist es, was der Faun ausdünstet – eine leicht schmutzige, dabei durchaus authentisch süßliche Rosennote, die im Heranwehen von der Ekstase in den Büschen kündet. Dann scheint sie schon wieder verschwunden im Grün der Blätter; nur an den Rispen der Johannisbeersträucher klebt noch ein Hauch ihres Aromas, wird dort gebändigt und atmet unschuldsvolle Fruchtigkeit – oder?
Verwirrt bin ich insofern, als ich diese Rose wirklich präsenter wahrnehme als viele meiner Mitkommentatoren; bei Beck konnte ich zwischenzeitlich auch eine Nase vom Eau de Parfum nehmen, in dem die Rose tatsächlich eine gewichtigere Rolle spielt. Ob mich das sensibilisiert, gar voreingenommen hat?
Ungeachtet dessen spielen die sehr blattlastigen Johannisbeeraromen ganz unzweifelhaft die zentralere Rolle im Duftgeschehen. Eine echte Cassis-Note allerdings nehme ich nicht wahr; sie versinkt im Odem geschredderter Blätter – und wird eifersüchtig in Schach gehalten von der dornig-süßen Damaszener-Rose.
Die bringt mich zurück zu meiner schrägen Naturschweiß-Assoziation: So wie menschlicher Schweiß anziehen und irritieren kann, so spielt auch dieser Rosenhauch mit mir. In Momenten gefällt er mir, ja, hat beinahe etwas animalisch Geiles an sich – um mich im nächsten Augenblick regelrecht anzuwidern. Weil sich die ekstatisch-schwülstigen Rosenwellen aber innerhalb der ersten Stunde stark beruhigen, komme ich mich mit dem verweilenden Röschen doch noch recht gut zurecht: Unser Freund Pan riecht jetzt sittsam naturnah, noch immer recht grün, etwas johannisbeerig, aber – und das finde ich interessant – überhaupt nicht säuerlich. So ganz hergeben mag er die Rose nämlich bis zum Schluss nicht, vermutlich, weil er als Naturwesen Pheromone in einer Dosierung ausdünstet, die auch menschlichen Nasen zugänglich bleiben soll. Aber – was rede ich da… Noch bin ich keinem Faun begegnet. Ich möchte mir aber vorstellen, dass Pan so riecht. Falls ich recht habe, kann ich für nichts garantieren…
Übrigens: Ich bin kein Faun, möchte mithin also auch nicht nach Faun duften. Dieser Geruch ist mir zu ambivalent, zu bi-polar in seinem fraglos vorhandenen, dabei nicht einmal geringen Reiz. Vermutlich bin ich einfach zu schwach für die rosenschwitzige Komposition im Johannisbeerkleid. Wer sich faunischer fühlt, möge es allerdings durchaus einmal anprobieren!
Ich spaziere mit meinen Eltern durch die Anlagen, deren Schönheit ich heute bestenfalls behaupten, aber nicht mehr wirklich rekapitulieren kann. Umso präsenter ist mir der Moment, als uns eine reife Dame anspricht. Sie als „altes Mütterlein“ zu bezeichnen entspringt keinem Hang zum Despektierlichen: Der Begriff beschreibt – märchenhaft verbrämt – am besten die kleine grauhaarige Person, die uns da mit unsicherer, greisenhaft hoher Stimme um Hilfe bittet. Sie habe sich verlaufen, meint sie, während sie sich auf ihren Stock stützt, und finde nun den Weg zum Busbahnhof nicht mehr. Mein Vater erläutert freundlich den Weg aus der Anlage, wünscht alles Gute - und stutzt kurz. Dann blickt er sich um, beugt sich vor und flüstert eindringlich: „Aber hüten Sie sich vor dem Faun, gnädige Frau!“
Rechtschaffen verwirrt entfernt sich das Mütterlein, so rasch es ihre alten Beine erlauben. Vater grient zufrieden – der Rest der Familie blickt entweder leicht betreten zu Boden oder schüttelt den Kopf. Und Sarungal? Der kichert…
…und stellt sich vor, wie wohl dieser Faun riecht, vor dem mein Vater das Mütterlein warnte. Seit ich „L’Ombre dans L’Eau“ kenne (merci, Serafina!), habe ich eine Ahnung von seinem Duft: eine schwelgerische Mischung aus Naturaromen, ein bisschen stickig in der Anmutung, dabei durchaus grün, und im Herzen dekoriert von einer beinahe schwülstigen Rose, die als Äquivalent satyr’scher Pheromone zugleich lockt und abstößt.
Tatsächlich möchte ich ihre recht volatile Präsenz als ebenso spannende wie irritierende Naturschweißnote begreifen. Das ist es, was der Faun ausdünstet – eine leicht schmutzige, dabei durchaus authentisch süßliche Rosennote, die im Heranwehen von der Ekstase in den Büschen kündet. Dann scheint sie schon wieder verschwunden im Grün der Blätter; nur an den Rispen der Johannisbeersträucher klebt noch ein Hauch ihres Aromas, wird dort gebändigt und atmet unschuldsvolle Fruchtigkeit – oder?
Verwirrt bin ich insofern, als ich diese Rose wirklich präsenter wahrnehme als viele meiner Mitkommentatoren; bei Beck konnte ich zwischenzeitlich auch eine Nase vom Eau de Parfum nehmen, in dem die Rose tatsächlich eine gewichtigere Rolle spielt. Ob mich das sensibilisiert, gar voreingenommen hat?
Ungeachtet dessen spielen die sehr blattlastigen Johannisbeeraromen ganz unzweifelhaft die zentralere Rolle im Duftgeschehen. Eine echte Cassis-Note allerdings nehme ich nicht wahr; sie versinkt im Odem geschredderter Blätter – und wird eifersüchtig in Schach gehalten von der dornig-süßen Damaszener-Rose.
Die bringt mich zurück zu meiner schrägen Naturschweiß-Assoziation: So wie menschlicher Schweiß anziehen und irritieren kann, so spielt auch dieser Rosenhauch mit mir. In Momenten gefällt er mir, ja, hat beinahe etwas animalisch Geiles an sich – um mich im nächsten Augenblick regelrecht anzuwidern. Weil sich die ekstatisch-schwülstigen Rosenwellen aber innerhalb der ersten Stunde stark beruhigen, komme ich mich mit dem verweilenden Röschen doch noch recht gut zurecht: Unser Freund Pan riecht jetzt sittsam naturnah, noch immer recht grün, etwas johannisbeerig, aber – und das finde ich interessant – überhaupt nicht säuerlich. So ganz hergeben mag er die Rose nämlich bis zum Schluss nicht, vermutlich, weil er als Naturwesen Pheromone in einer Dosierung ausdünstet, die auch menschlichen Nasen zugänglich bleiben soll. Aber – was rede ich da… Noch bin ich keinem Faun begegnet. Ich möchte mir aber vorstellen, dass Pan so riecht. Falls ich recht habe, kann ich für nichts garantieren…
Übrigens: Ich bin kein Faun, möchte mithin also auch nicht nach Faun duften. Dieser Geruch ist mir zu ambivalent, zu bi-polar in seinem fraglos vorhandenen, dabei nicht einmal geringen Reiz. Vermutlich bin ich einfach zu schwach für die rosenschwitzige Komposition im Johannisbeerkleid. Wer sich faunischer fühlt, möge es allerdings durchaus einmal anprobieren!
12 Antworten
Blauemaus vor 7 Jahren
Na, dann muss der Faun ein ganz süsser sein, an mir ist er nämlich mehr als süss, wenn auch nicht uninteressant. Solange Si niemand verschreckt, wird es der hier auch nicht tun. *ggg*
Pluto vor 10 Jahren
Ich bin wohl ein Faun, denn ich liebe diesen Duft - Herr Pluto gewöhnt sich an ihn :o)
Palonera vor 10 Jahren
Eijeijei, was muß nur an, muß nur in Dir sein, daß dieser auf meiner Haut doch recht zivilisierte Duft sich derart ungehörig gibt? Und: Kennst Du ELdO's "The Afternoon of a Faun"? Wenn nicht...
TasteExplore vor 10 Jahren
...man(n) ohhhh man .... wer soll das alles testen? ;-) ... schon irgendwie eigenartig, dass es Düfte gibt, welche eben genau die schweißig-animalische Komponente betonen, die man doch ursprünglich verbergen wollte ... toller Kommi
Titania vor 10 Jahren
Ein Pas de trois aus Mensch, Tier und Dickicht, ja. Und nochmal ja: Die Rose ist ganz schön präsent, auch im EdT. Göttlich irdisch - der Duft wie deine Beschreibung.
Mareike vor 10 Jahren
Ach ja: PANPOKAL!
Mareike vor 10 Jahren
Fantastico! Ein wunderbarer Kommentar zu einem Duft, den ich gerne trage, wenn ich mich "faunig" fühle. Wollte ich immer mal kommentieren, muss ich jetzt nicht mehr.
Seerose vor 10 Jahren
Ich fand das EdT auch schweißig-stinkig-animalisch, das EdP ist für mich schöner, unfauniger.
Meggi vor 10 Jahren
Toller Ansatz. Und Super-Idee vom Papa.
M3000 vor 10 Jahren
Die Rose ist bei mir auch sehr, bzw. zu präsent. Schwitzig / animalisch allerdings Null.
Ormeli vor 10 Jahren
Faune riechen nach süßen Rosen und Johannisbeer? Wusste ich noch nicht. :-)
DaveGahan101 vor 10 Jahren
Das EDP hat mir schon nicht so übermässig gut gefallen...beim EDT hört es sich nicht arg viel besser..:-(

