09.03.2016 - 12:00 Uhr
Yatagan
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Yatagan
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19
Der Neureiche
Unkommentierte Düfte No. 71
Zunächst muss ich erklären, warum und wie dieser eigenartige Duft in meine Hände gelangte.
Tatsächlich handelt es sich um einen typischen Blindkauf, weil ich das silberne Fässchen mit den historisierenden Lettern so schrullig, die dazugehörige Werbung, von der man sich oben bei den Fotos ein Bild machen kann, so skurril fand (besonders schön das mittlere Plakat in Farbe, das einen Gentleman [einen Baron?] im 70er-Look zeigt, an den sich eine blonde Schöne schmiegt). Erinnert ein wenig an die wunderbare Serie "Die Zwei" aus den Jahren 1970 und '71, Originaltitel "The Persuaders" mit Tony Curtis und Roger Moore in den Hauptrollen; legendär wegen ihrer besonders in der deutschen Synchronfassung albern-lustigen Dialoge (unbedingt anschauen, wenn die Wiederholungen drohen oder gleich die ganze Staffel auf DVD besorgen oder downloaden). Auch einem alten James-Bond-Film entsprungen könnte das Pärchen auf dem Plakat und das gesamte Duftkonzept sein. Tatsächlich ist die Erstfassung von The Baron eine olle Kamelle: 1961 (bzw. 1965 für die LTL-Fassung) vermerkt Parfumo. Das ist ja an sich schon mal gar nichts Schlechtes. Es könnte sich schließlich um einen entdeckenswerten Klassiker handeln.
Wir resümieren: Ein Look, der einen englischen Baron aus amerikanischer Perspektive präsentiert, herrlich daneben und gleichzeitig absolut komisch.
Aus all diesen Gründen wanderte der Duft auf meine Merkliste und von dort schließlich in den virtuellen Warenkorb eines großen, international operierenden Internet-Warenhauses, als ich ernüchtert feststellte, dass dies die einzige Bezugsquelle in Deutschland für The Baron zu sein scheint. Besonders merkwürdig ist in diesem Zusammenhang die Preispolitik der dort aktiven Anbieter: Einige wollen den Duft für deutlich über 100,00 Euro verkaufen; ein Anbieter dagegen offeriert ihn für spottbillige 39.00 Euro für 133 ml.
Ergänzt werden muss nun außerdem, dass dieser Duft nicht mehr von Evyan, sondern nur noch von LTL Fragrances in New York produziert wird, die den Duft gleichfalls seit den 60ern im Programm haben; unter diesem Label ist der Duft parallel bei Parfumo vermerkt. Dass ich meinen Kommentar trotzdem bei Evyan einstelle, liegt vor allem daran, dass die Duftpyramide bei LTL kaum nachvollziehbar ist, dagegen das, was hier oben zu lesen ist, eine diffuse Erklärung für jenes Gemisch darstellt, dass sich der Nase darbietet.
Nach dieser Einleitung stellt sich eigentlich nur noch die Frage, wie groß die Enttäuschung letztlich war und wie der Duft einigermaßen sachlich beschrieben werden kann. Kurz gesagt: Die Enttäuschung war klein, denn ich hatte nichts erwartet, schon gar nicht für diesen Preis (s.o.) und außerdem bekommt der Käufer den oben beschriebenen, äußerst lustigen Flakon, der nicht nur absolut alles auf dem Badezimmer-Regal schlägt, was schräg, wirr oder geschmacklos geformt und gefärbt ist (und davon gibt es bei Duftflakons bekanntlich eine Menge), sondern auch einfach herrlich schwer in der Hand liegt. Das Silber-Metallische des Flakons erzeugt übrigens nicht nur mental den Eindruck von Schwere, sondern auch physisch, denn das Ding ist TATSÄCHLICH schwer. Auf dem Boden des Flakons wurde, neben dem Firmennamen am Rand, in der Mitte eine fette Krone eingeprägt, die den Eindruck der Solidität und Wertigkeit verstärkt. Das Firmensignet mit dem Aufdruck "The Baron" ist rot-weiß-blau umrandet und trägt somit nicht nur die Farben der britischen, sondern auch der französischen Flagge: ja, klar, woher sollte ein echter Baron auch sonst kommen (allenfalls vielleicht noch aus Deutschland, anders ausgedrückt, aus good old Europe)?
Die Schockstarre setzt dann jedoch unwiderruflich ein, wenn man den Sprühstrahl betätigt, und von etwas anderem kann man in diesem Falle auch gar nicht reden, denn bei leichtem Druck entströmen dem Silberfässchen gut und gerne 3 bis 5 ml.
Natürlich erwartet man von amerikanischen Düften ganz zurecht einen schweren, süßen Fougere, aber das, was den interessierten Tester hier erwartet, geht ein bis zwei Schritte weiter.
Erfreulicherweise kann man ganz zu Anfang noch einen hellen Grundton erahnen, der vermutlich dem Lavendel (oder einer entfernt vergleichbaren synthetischen Note) geschuldet ist. Auch eine etwas künstliche Fruchtnote, die oben mit Orange angegeben, in Wirklichkeit aber fast an eine Kirschnote denken lässt, ist enthalten (Frucht-Ester?). Diese dominiert den ganzen Duft, vom Kopf bis zu den Füßen.
Auch die Nelke kennen wir aus amerikanischen Düfte, die ja zuweilen recht interessant und auf ihre Weise zeitlos wirkt; einige amerikanische Fougere-Klassiker mag ich wirklich gerne, so z.B. den ursprünglich aus Europa stammende Canoe, dessen Produktion von Spanien über Frankreich auf den amerikanischen Kontinent wanderte und dort zum Vorbild diverser amerikanischer Düfte wurde; stilbildend geradezu. Hier jedoch erscheint mir auch die Fougère-Note eigenartig synthetisch.
Schließlich folgt noch im Drydown eine Verstärkung der Süße, die über reife Frucht und geradezu feminin Florales zu einer warmen holzigen Basis führt. Auch hier gilt: Das riecht tatsächlich wie ein Duft, der warmes, weiches Sandelholz und Patchouli mischt, sich dazu aber einer künstlichen Formel bedient.
Nun bin ich gar kein Feind synthetisch-artifzieller Düfte. Ich schätze oder liebe fast alle Comme des Garcons' und ähnliche Vertreter einer neuen Avantgarde; gerade auch aus Amerika kommt da Spannendes. Hier aber ist das alles wenig gelungen, etwas billig wie in alten, preiswerten Damenparfums aus dem Supermarkt der 70er (bei einer lang verstorbenen Tante roch es m.E. im Bad fast genauso nach einer Seife aus längst vergessenen Tagen).
Mit dieser süßlich-floralen Seifennote krallt sich der Duft auf meinem Oberarm fest, als gälte es, den vermeintlichen Snobs aus Europa zu beweisen, dass amerikanische Qualität noch immer die haltbarste sei.
Das alles klingt nach einem grauenhaften Verriss, der es ja letztlich auch ist. Tatsächlich bewahrt sich der Duft jedoch einen skurrilen Charme, der ihn am Ende des Tages aus dem Tal des Todes rettet. Nicht alles ist schlecht am amerikanischen Duftkonzept; ich sagte es ja bereits, dass ich da durchaus Vieles sehr zu schätzen weiß.
Und je länger ich an meinem Oberarm rieche, desto mehr beschleicht mich das Gefühlt, dass mich der Duft an etwas ganz anderes erinnert: an einen meiner letzten Tests eines sackteuren Nischenduftes. Die gleiche klebrige Süße, eine ähnlich anstrengende, kopfschmerzverursachende Haftung bei gleichzeitiger Versicherung, es handele sich durchweg nur um natürliche Inhaltsstoffe (was ja sogar zutreffen mag).
Im Ergebnis bleibt sich das jedoch gleich. Was herauskommt ist kein Baron, sondern ein Neureicher.
Zunächst muss ich erklären, warum und wie dieser eigenartige Duft in meine Hände gelangte.
Tatsächlich handelt es sich um einen typischen Blindkauf, weil ich das silberne Fässchen mit den historisierenden Lettern so schrullig, die dazugehörige Werbung, von der man sich oben bei den Fotos ein Bild machen kann, so skurril fand (besonders schön das mittlere Plakat in Farbe, das einen Gentleman [einen Baron?] im 70er-Look zeigt, an den sich eine blonde Schöne schmiegt). Erinnert ein wenig an die wunderbare Serie "Die Zwei" aus den Jahren 1970 und '71, Originaltitel "The Persuaders" mit Tony Curtis und Roger Moore in den Hauptrollen; legendär wegen ihrer besonders in der deutschen Synchronfassung albern-lustigen Dialoge (unbedingt anschauen, wenn die Wiederholungen drohen oder gleich die ganze Staffel auf DVD besorgen oder downloaden). Auch einem alten James-Bond-Film entsprungen könnte das Pärchen auf dem Plakat und das gesamte Duftkonzept sein. Tatsächlich ist die Erstfassung von The Baron eine olle Kamelle: 1961 (bzw. 1965 für die LTL-Fassung) vermerkt Parfumo. Das ist ja an sich schon mal gar nichts Schlechtes. Es könnte sich schließlich um einen entdeckenswerten Klassiker handeln.
Wir resümieren: Ein Look, der einen englischen Baron aus amerikanischer Perspektive präsentiert, herrlich daneben und gleichzeitig absolut komisch.
Aus all diesen Gründen wanderte der Duft auf meine Merkliste und von dort schließlich in den virtuellen Warenkorb eines großen, international operierenden Internet-Warenhauses, als ich ernüchtert feststellte, dass dies die einzige Bezugsquelle in Deutschland für The Baron zu sein scheint. Besonders merkwürdig ist in diesem Zusammenhang die Preispolitik der dort aktiven Anbieter: Einige wollen den Duft für deutlich über 100,00 Euro verkaufen; ein Anbieter dagegen offeriert ihn für spottbillige 39.00 Euro für 133 ml.
Ergänzt werden muss nun außerdem, dass dieser Duft nicht mehr von Evyan, sondern nur noch von LTL Fragrances in New York produziert wird, die den Duft gleichfalls seit den 60ern im Programm haben; unter diesem Label ist der Duft parallel bei Parfumo vermerkt. Dass ich meinen Kommentar trotzdem bei Evyan einstelle, liegt vor allem daran, dass die Duftpyramide bei LTL kaum nachvollziehbar ist, dagegen das, was hier oben zu lesen ist, eine diffuse Erklärung für jenes Gemisch darstellt, dass sich der Nase darbietet.
Nach dieser Einleitung stellt sich eigentlich nur noch die Frage, wie groß die Enttäuschung letztlich war und wie der Duft einigermaßen sachlich beschrieben werden kann. Kurz gesagt: Die Enttäuschung war klein, denn ich hatte nichts erwartet, schon gar nicht für diesen Preis (s.o.) und außerdem bekommt der Käufer den oben beschriebenen, äußerst lustigen Flakon, der nicht nur absolut alles auf dem Badezimmer-Regal schlägt, was schräg, wirr oder geschmacklos geformt und gefärbt ist (und davon gibt es bei Duftflakons bekanntlich eine Menge), sondern auch einfach herrlich schwer in der Hand liegt. Das Silber-Metallische des Flakons erzeugt übrigens nicht nur mental den Eindruck von Schwere, sondern auch physisch, denn das Ding ist TATSÄCHLICH schwer. Auf dem Boden des Flakons wurde, neben dem Firmennamen am Rand, in der Mitte eine fette Krone eingeprägt, die den Eindruck der Solidität und Wertigkeit verstärkt. Das Firmensignet mit dem Aufdruck "The Baron" ist rot-weiß-blau umrandet und trägt somit nicht nur die Farben der britischen, sondern auch der französischen Flagge: ja, klar, woher sollte ein echter Baron auch sonst kommen (allenfalls vielleicht noch aus Deutschland, anders ausgedrückt, aus good old Europe)?
Die Schockstarre setzt dann jedoch unwiderruflich ein, wenn man den Sprühstrahl betätigt, und von etwas anderem kann man in diesem Falle auch gar nicht reden, denn bei leichtem Druck entströmen dem Silberfässchen gut und gerne 3 bis 5 ml.
Natürlich erwartet man von amerikanischen Düften ganz zurecht einen schweren, süßen Fougere, aber das, was den interessierten Tester hier erwartet, geht ein bis zwei Schritte weiter.
Erfreulicherweise kann man ganz zu Anfang noch einen hellen Grundton erahnen, der vermutlich dem Lavendel (oder einer entfernt vergleichbaren synthetischen Note) geschuldet ist. Auch eine etwas künstliche Fruchtnote, die oben mit Orange angegeben, in Wirklichkeit aber fast an eine Kirschnote denken lässt, ist enthalten (Frucht-Ester?). Diese dominiert den ganzen Duft, vom Kopf bis zu den Füßen.
Auch die Nelke kennen wir aus amerikanischen Düfte, die ja zuweilen recht interessant und auf ihre Weise zeitlos wirkt; einige amerikanische Fougere-Klassiker mag ich wirklich gerne, so z.B. den ursprünglich aus Europa stammende Canoe, dessen Produktion von Spanien über Frankreich auf den amerikanischen Kontinent wanderte und dort zum Vorbild diverser amerikanischer Düfte wurde; stilbildend geradezu. Hier jedoch erscheint mir auch die Fougère-Note eigenartig synthetisch.
Schließlich folgt noch im Drydown eine Verstärkung der Süße, die über reife Frucht und geradezu feminin Florales zu einer warmen holzigen Basis führt. Auch hier gilt: Das riecht tatsächlich wie ein Duft, der warmes, weiches Sandelholz und Patchouli mischt, sich dazu aber einer künstlichen Formel bedient.
Nun bin ich gar kein Feind synthetisch-artifzieller Düfte. Ich schätze oder liebe fast alle Comme des Garcons' und ähnliche Vertreter einer neuen Avantgarde; gerade auch aus Amerika kommt da Spannendes. Hier aber ist das alles wenig gelungen, etwas billig wie in alten, preiswerten Damenparfums aus dem Supermarkt der 70er (bei einer lang verstorbenen Tante roch es m.E. im Bad fast genauso nach einer Seife aus längst vergessenen Tagen).
Mit dieser süßlich-floralen Seifennote krallt sich der Duft auf meinem Oberarm fest, als gälte es, den vermeintlichen Snobs aus Europa zu beweisen, dass amerikanische Qualität noch immer die haltbarste sei.
Das alles klingt nach einem grauenhaften Verriss, der es ja letztlich auch ist. Tatsächlich bewahrt sich der Duft jedoch einen skurrilen Charme, der ihn am Ende des Tages aus dem Tal des Todes rettet. Nicht alles ist schlecht am amerikanischen Duftkonzept; ich sagte es ja bereits, dass ich da durchaus Vieles sehr zu schätzen weiß.
Und je länger ich an meinem Oberarm rieche, desto mehr beschleicht mich das Gefühlt, dass mich der Duft an etwas ganz anderes erinnert: an einen meiner letzten Tests eines sackteuren Nischenduftes. Die gleiche klebrige Süße, eine ähnlich anstrengende, kopfschmerzverursachende Haftung bei gleichzeitiger Versicherung, es handele sich durchweg nur um natürliche Inhaltsstoffe (was ja sogar zutreffen mag).
Im Ergebnis bleibt sich das jedoch gleich. Was herauskommt ist kein Baron, sondern ein Neureicher.
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