Bukhara 2020

Iny
02.09.2022 - 16:42 Uhr
7
Sehr hilfreiche Rezension

Torfig-rauchiger Whiskey an Aprikoseniriscreme mit Milchpulver

Liebe Gourmandfreunde, nein, vermutlich kein neues Highlight für euch, aber ganz der Reihe nach.

Tag 1

Erstbegegnung Wanderbrief:
Mein Teststreifen war mit "Bukarest" beschriftet, denn das Gehirn las "Buka..irgendwas" auf der Probe und generierte automatisch "Bukarest". Aufgesprüht. "Huuuii, Torfbrand mit Whiskey gelöscht." Was zur Hölle hat das mit Bukarest zu tun, dachte ich mir. So hatte ich mir eher Hylnds - Spirit of the Glen vorgestellt, der meine Erwartungen damals nicht ganz traf. Puh, nee, stark alkohollastig das Ganze hier. Der bis dato als Blindtest verlaufende Test wurde durch eine kurze Recherche bei parfumo aufgelöst. Hm, Iris und Kümmel und Birne riechen die anderen, na ja, ich nicht.

Zweitbegegnung Wanderbrief eine Stunde später:
Aha, da ist die gestrenge Möhren-Iris in voller Ausprägung. Erinnert mich in ihrem Charakter an Iris Nazarena. Parfumo verrät mir währenddessen, dass es sich um denselben Parfümeur handelt, schlaues Duftgedächtnis. Und oh, die Stadt ist Bukhara, nicht Bukarest.

Na gut, so schlimm kann es nicht mehr werden, dachte ich mir und sprühte mir den Duft mutig auf.

Drittbegegnung auf Haut nach einigen Stunden während eines Spaziergangs:
Oh je, hier wird irgendwas ziemlich süß und milchig-cremig, gar nicht mein Fall. An irgendeinen Duft erinnert er mich in dieser Phase. Leider einen, den ich in dieser Ausprägung nicht mochte. Eine weitere Stunde später fällt es mir ein, es war Cow , den ich ganz spannend fand und der erst in der Basis für mich nach verkleckerter, angetrockneter Rohmilch roch. Die Basis war allerdings extrem haltbar und fing daher an, anstrengend zu werden. Zu Hause angekommen, wurden die Duftpyramiden der beiden Düfte verglichen und siehe da, die Basis ist frappierend ähnlich - danke schlaues Duftgedächtnis.

Tag 2

Irgendwie lässt mich dieser Duft nicht los. Nach kurzem Blick auf den Füllstand der Probe und mit schlechtem Gewissen denke ich, dass dieser Duft bei meinen Wanderbriefvorgängern offenbar so unbeliebt war, dass ich zum Testen einen dritten Sprüher entnehmen kann, ohne dass die Nachfolger vor einer leeren Probe säßen.

Also ab auf die Haut. Puuh, schon wieder Torf und Whisky. Muss das sein? Über mehrere Stunden hinweg muss ich jedoch immer wieder meine Nase ans Handgelenk halten und bin fasziniert, der Duft gefällt mir, obwohl die Basis nicht 100% meinen Geschmack trifft.

Tag 3

Ich möchte diesen Duft haben.

***

Tatsächlich ist dies ein Duft, der nicht sofort zugänglich ist und der etwas Zeit zum Kennenlernen benötigt. Die spärlichen Kommentare auf parfumo bestätigen diesen Eindruck weitestgehend. Klar, wer Iris nicht mag, wird sich damit nicht anfreunden können, aber Bukhara ist spannend, wohldurchdacht komponiert, vielschichtig und überraschend.

Ich mag Düfte, bei denen Kopf-, Herz- und Basisnote deutlich voneinander zu unterscheiden sind und die einen dementsprechend deutlichen Duftverlauf aufweisen. Solche Düfte, bei denen nicht sofort die Basisduftnoten bis hoch in den Kopf durchstrahlen, oder solche, deren Kopfnote mehr als ein paar Minuten übersteht. All dies kann und macht Bukhara und ebenso wie bei Iris Nazarena wird die Iris gekonnt als Mittelpunkt des Duftes inszeniert.

Mit etwas Konzentration erkennt meine Nase in der Kopfnote durchaus Birne und Kümmel, der Gesamteindruck bleibt jedoch torfig-rauchiger Whiskey. Nach und nach, über viele Stunden hinweg steigt die Iris empor und wird von einer cremigen (Moschus aus der Basis), dezent fruchtigen Aprikosennote begleitet, die den spröden, kühlen Charakter der Iris bremst und sie dadurch weichzeichnet. In den letzten Stunden wird die Iris durch viel Moschus und Benzoe immer weicher und weicher und verschwindet schließlich im milchig-süßen Schleier der Basisnoten.

Klingt nicht gerade einladend, oder? In Summe ist der Duft für mich auf Grund von Moschus und Aprikose in Kombination mit der Iris wie eine wohlriechende Pflegecreme mit Anklängen an gut riechende (Waschmittel)Sauberkeit, die einen mit einem dezenten Duftschleier umgibt.

Während Iris Nazarena kühl und sehr distanziert wirkt, ist Bukhara die cremeweiche, verspieltere Schwester.
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