Eau de Basilic Pourpre 2022

Rivegauche
02.07.2022 - 08:46 Uhr
60
Top Rezension
7
Preis
10
Flakon
6
Sillage
8
Haltbarkeit
7
Duft

Erwartungen

Es ist doch immer so: Wenn man die angegebenen Duftnoten liest, bekommt man meist etwas anderes als erwartet. Im Fall von Eau de Basilic Pourpre habe ich einen bittergrün krautigen Duft erwartet, dessen Charakter von Geranium, Patchouli und Gewürzen natürlich noch weiter getragen wird. Das meine Erwartungen an einen retroesken siebziger Jahre Duft natürlich nicht erfüllt werden war mir klar, deshalb fragte ich mich, wo in den offiziell angegebenen Inhaltsstoffen die benötigte zeitgemäße Kehrtwende zu entdecken sei.

Eau de Basilic Pourpre startet wunderbar saftig, kühl und zitrusgrün mit leicht bitterem basilikumgrün und der knackig kühlen Zitrusfrische von Bergamotten. Der Eindruck von Basilikum verschwindet leider zu schnell und eine ätherisch süßlich kühl grüne minzartige Frische bettet sich dauerhaft mit ein. Verantwortlich wird hier wahrscheinlich das Geranium sein, dessen rustikal krautig grüne Aura der Essenz selbst jedoch unter dem Charakter eines wie "marokkanisch gesüßten Minztees“ komplett verdeckt bleibt. Basilikum als namensgebenden und bestimmenden Duftcharakter vermisse ich hier jetzt schon, oder sollte purpurfarbenes Basilikum so anders riechen? Vor allem auf dem Papier bleibt der Duft kaugummiminzige Dufteindruck lange erhalten. Auf der Haut hingegen wird der Duft weicher und verschwimmt schnell in einer leichten Basis aus sanft weichem Moschus, der aber glücklicherweise weder zu cremig oder zu pudrig wird. Mit dem nicht angegebenen weißen Moschus entdecke ich aber den bisher vermissten aktuellen Zeitgeschmack an dem vor allem, glaube ich, Freunde von Eau de Rhubarbe Écarlate Gefallen finden werden. Patchouli mag etwas Erde beisteuern, bleibt aber von allen dunklen Facetten befreit. Gewürze nehme ich nicht wahr. Auf meiner Haut bricht der Duft zu schnell mit seiner wunderbaren grünen Klarheit in dem weißen Moschus zusammen.

Der gesamte Dufteindruck lässt sich als kühl grün und klar, sanft, weich und jung und mit leichter Süße beschreiben. Weit gefasst könnte man denken, dass Eau de Rhubarbe Écarlate als Grundstruktur fungierte, um daraus etwas anderes, aber familiäres zu kreieren.

Was mir an dem Duft fehlt, ist eine kleine bittere Kante, die dem Duft Spannung gibt, er erscheint mir zu gefällig, leicht verständlich und zu wenig raffiniert. Ein längeres Durchhalten der klar grünen Knackigkeit würde vielleicht auch schon helfen. Unabhängig von meiner Vorliebe für herbe, bittere oder unsüße Düfte nehme ich aber auch eine Bitterkeit in Sommerdüften als angenehmer wahr als eine Süße, die mir bei 30° Außentemperatur einen Strich durch die Erfrischung machen würde.

Wenn ich einen Duft dem Namen „Basilikum“ gebe, erwarte ich zumindest irgendwo die Prise einer bitteren Ecke, einen Funken aromatische Erdballen Dreckigkeit, zudem Parfumeurin Christine Nagel als Ausgangsidee stimmungsvolle und zwanglose Familienfeierlichkeiten eines mediterranen Sommergartens heraufbeschwören wollte. Zweifelsohne ist der Duft zwanglos, verständlich, wird vielen gefallen und mit dem weißen Moschus begeben wir uns auch gleich wieder in die „saubere“ weiße Küche, aber dem Duft fehlt die Eleganz, den „chic français,“ den ich von Hermès erwarte, bzw. gerne weiter erwarten würde.

Christine Nagel ist natürlich nicht Jean-Claude Ellena. Rückblickend betrachtet gefallen mir seine Düfte immer mehr. Sie sind schlicht, einfach, leicht tragbar und werden der „understated“ aristokratischen Eleganz - der auf den Punkt gebrachten raffinierten Schlichtheit der Dinge der Marke Hermès - gerecht…und auch der etwas verklärten Marketingstrategie, einzelne Produkte im Überfluss und andere fast gar nicht zu fertigen, vermutlich um Begehrlichkeiten zu wecken.
Den Ellena Düften haftet etwas an (ja, ich weiß, er ist ja schon paar Jahre weg…), was man manchmal länger studieren muss um es zu verstehen, sind manchmal verkopft, das mag ich.
Rumgeeken im Parfumkosmos, um den Code des Duftes (oder irgendeines Hermès Artikels) und oder auch den Code für sich selbst zu knacken….so wie man auch die unverständliche Geldausgabe für einen sehr einfachen Hermès Artikel „verstehen“ muss…also zumindest geht das mir so.

Das liefert Christine Nagel nicht. Sie ist moderner, einfacher, jünger, klarer, direkter und näher dran „am Volk,“ am aktuellen Zeitgeschmack. Ihre Düfte finden im Zweifel schneller Gefallen, wahrscheinlich auch bei einer breiteren Masse und das ist natürlich berechtigt, denn schließlich will die Firma Geld verdienen. Mir persönlich liegt das wahrscheinlich einfach nicht so, das ist aber auch nicht schlimm, denn ihre Düfte riechen trotzdem gut. Man ist damit gut und anständig parfümiert. Vor allem das letzte Terre d'Hermès Eau Givrée finde ich sehr gelungen, Twilly d'Hermès Eau Ginger hingegen ist schon arg süß geworden. Da mein Schrank schon voll genug ist, brauche ich Eau de Basilic Pourpre im Moment nicht unbedingt. Aber fragt mich mal ein paar Jahren nochmal, vielleicht sehe ich die Arbeiten von Frau Nagel dann auch anders.
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