Twilly d'Hermès 2017 Eau de Parfum

Ronin
09.03.2018 - 14:07 Uhr
9
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft

Tubéreugembre Cologne (Meine Highlights 2017 3/3)

Mit "Twilly" schließe ich meine Kommentartrilogie ab zu den Düften, die mich 2017 am meisten beeindruckt haben. Ähnlichkeiten der drei? Nur oberflächlich. "Twilly" mag rosa und eher für junge Damen gedacht sein – das war es aber auch schon mit der Gemeinsamkeit mit "Mon Guerlain": kein süßer Gourmand, sondern "Twilly" ist von colognehafter Frische. Wie bei "Wode - Scent" ist im Zentrum des Parfums eine Tuberose – aber vollkommen anders inszeniert.

Tuberose kann Angst einflößen: süß, schwer, herrisch. Der Begriff "narkotisch" wurde vermutlich extra erfunden, um Tuberose zu beschreiben. Diese in einem Parfum prominent einzusetzen, ohne dass sie alles andere plattwalzt, ist schwierig. "Twilly" hingegen ist spritzig, hell, luftig. Wie geht das, ohne Tuberose herunter zu dimmen? Eine Möglichkeit ist es, eine Kopfnote zu wählen, die einen für Tuberose ungewöhnlichen Akzent setzt und ihn bis in die Basis weiter trägt. Und genau diesen Ansatz wählte Christine Nagel:

Der Start erinnert fast an ein klassisches Cologne - etwas Petitgrain und ich meine, Orangenblüte zu erkennen. Bevor aber irgendein 4711-Feeling aufkommt, geht das Petitgrain in einer satten zitrisch-würzigen Ingwernote auf. Diese gibt es dem Duft über einen Großteil des Verlaufs eine animierende, fröhliche Frische. Vermutlich hilft etwas Ambroxan, dass diese Frische bis in die Basis hineinreicht.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich wirklich üppig-süße Orangenblüte rieche oder ob dies bereits die Tuberose ist – beides Weißblüher mit großer olfaktorischer Schnittmenge. Jedenfalls wird diese Blütennote schon nach kurzer Zeit cremig, geradezu sämig-buttrig - etwas, was die Tuberose auszeichnet und von anderen Weißblühern unterscheidet.
Diese Textur wird elegant aufgegriffen von einem cremigen Moschus, der die Basis prägt, trotzdem schon früh im Verlauf zu erkennen ist. Dieser Moschusakkord kommt weniger aus der sauber-aseptischen, pudrigen Weichspüler-, sondern eher der cremigen warme-Haut-Ecke.
Die holzigen Aspekte der Tuberose schließlich passen perfekt zu einer milchigen Sandelholznote in der Basis.
Tuberose kann ja ein ganz schöner (indolischer) Stinker sein - "Twilly" ist es aber nicht. Immerhin erinnert die Moschus-Sandelholz-Basis mit ihrer Körperlichkeit sanft daran, wozu Tuberose im Stande sein kann.

In Summe gibt es also zwei Linien in "Twilly": erstens eine süße, helle Tuberose, deren cremig-buttrigen Facetten mit Moschus und deren holzigen mit Sandelholz betont werden; zweitens zitrisch-würziger Ingwer, der als Kontrast zur Tuberose Spannung und Frische in den Duft bringt. Insgesamt entwickelt sich der Duft wenig, sondern behält sein Frisch-Blütig-Wechselspiel. Die Zusammenfassung klingt nach einem typischen Hermèsduft, der auch von Christine Nagels Vorgänger Jean-Claude Ellena hätte stammen können. Hätte er so aber nicht. "Twilly" ist zu sinnlich dafür. Ja, "sinnlich" ist ein problematische Wort zur Parfumcharakterisierung: viel zu oft werberisch verwendet, um irgendwelche banalen Wässerchen der verzweifelt partnersuchenden Kundschaft anzudrehen. Hier passt es aber zur Beschreibung mit dem ganzen Bedeutungsspektrum von "attraktiv" bis zu "mit allen Sinnen genießen". Vielleicht so: wer ein Ellena-Parfum riecht, stellt sich vermutlich vor, wie er sich zum Start des Parfumkreierens eine Skizze mit Bögen, Linien und Winkeln gemacht hat. So wirken oft seine Düfte. Christine Nagel hat wahrscheinlich das gleiche gemacht, eine Skizze mit Bögen, Linien und Winkeln, bevor sie mit dem Mischen der Ingredienzien begann. Aber ihre Düfte wirken nicht so.

Was ich mit sinnlich meine, zieht sich bisher durch alle Hermèsdüfte Nagels. Obwohl handwerklich an Ellena anschließend ist dies ein neuer Akzent. Das tut Hermès gut, das zwar seit 15 Jahre das innovativste der großen Häuser sein dürfte. Dennoch bestand in den letzten Ellenajahren langsam die Gefahr, sich um sich selbst zu drehen.

Schön, dass Hermès den richtigen Zeitpunkt gefunden hat, die Nachfolge zu regeln. Und das denke ich, als ausgewiesener Ellena-Fan.
8 Antworten