Top Rezension
Tubéreugembre Cologne (Meine Highlights 2017 3/3)
Mit "Twilly" schließe ich meine Kommentartrilogie ab zu den Düften, die mich 2017 am meisten beeindruckt haben. Ähnlichkeiten der drei? Nur oberflächlich. "Twilly" mag rosa und eher für junge Damen gedacht sein – das war es aber auch schon mit der Gemeinsamkeit mit "Mon Guerlain": kein süßer Gourmand, sondern "Twilly" ist von colognehafter Frische. Wie bei "Wode - Scent" ist im Zentrum des Parfums eine Tuberose – aber vollkommen anders inszeniert.
Tuberose kann Angst einflößen: süß, schwer, herrisch. Der Begriff "narkotisch" wurde vermutlich extra erfunden, um Tuberose zu beschreiben. Diese in einem Parfum prominent einzusetzen, ohne dass sie alles andere plattwalzt, ist schwierig. "Twilly" hingegen ist spritzig, hell, luftig. Wie geht das, ohne Tuberose herunter zu dimmen? Eine Möglichkeit ist es, eine Kopfnote zu wählen, die einen für Tuberose ungewöhnlichen Akzent setzt und ihn bis in die Basis weiter trägt. Und genau diesen Ansatz wählte Christine Nagel:
Der Start erinnert fast an ein klassisches Cologne - etwas Petitgrain und ich meine, Orangenblüte zu erkennen. Bevor aber irgendein 4711-Feeling aufkommt, geht das Petitgrain in einer satten zitrisch-würzigen Ingwernote auf. Diese gibt es dem Duft über einen Großteil des Verlaufs eine animierende, fröhliche Frische. Vermutlich hilft etwas Ambroxan, dass diese Frische bis in die Basis hineinreicht.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich wirklich üppig-süße Orangenblüte rieche oder ob dies bereits die Tuberose ist – beides Weißblüher mit großer olfaktorischer Schnittmenge. Jedenfalls wird diese Blütennote schon nach kurzer Zeit cremig, geradezu sämig-buttrig - etwas, was die Tuberose auszeichnet und von anderen Weißblühern unterscheidet.
Diese Textur wird elegant aufgegriffen von einem cremigen Moschus, der die Basis prägt, trotzdem schon früh im Verlauf zu erkennen ist. Dieser Moschusakkord kommt weniger aus der sauber-aseptischen, pudrigen Weichspüler-, sondern eher der cremigen warme-Haut-Ecke.
Die holzigen Aspekte der Tuberose schließlich passen perfekt zu einer milchigen Sandelholznote in der Basis.
Tuberose kann ja ein ganz schöner (indolischer) Stinker sein - "Twilly" ist es aber nicht. Immerhin erinnert die Moschus-Sandelholz-Basis mit ihrer Körperlichkeit sanft daran, wozu Tuberose im Stande sein kann.
In Summe gibt es also zwei Linien in "Twilly": erstens eine süße, helle Tuberose, deren cremig-buttrigen Facetten mit Moschus und deren holzigen mit Sandelholz betont werden; zweitens zitrisch-würziger Ingwer, der als Kontrast zur Tuberose Spannung und Frische in den Duft bringt. Insgesamt entwickelt sich der Duft wenig, sondern behält sein Frisch-Blütig-Wechselspiel. Die Zusammenfassung klingt nach einem typischen Hermèsduft, der auch von Christine Nagels Vorgänger Jean-Claude Ellena hätte stammen können. Hätte er so aber nicht. "Twilly" ist zu sinnlich dafür. Ja, "sinnlich" ist ein problematische Wort zur Parfumcharakterisierung: viel zu oft werberisch verwendet, um irgendwelche banalen Wässerchen der verzweifelt partnersuchenden Kundschaft anzudrehen. Hier passt es aber zur Beschreibung mit dem ganzen Bedeutungsspektrum von "attraktiv" bis zu "mit allen Sinnen genießen". Vielleicht so: wer ein Ellena-Parfum riecht, stellt sich vermutlich vor, wie er sich zum Start des Parfumkreierens eine Skizze mit Bögen, Linien und Winkeln gemacht hat. So wirken oft seine Düfte. Christine Nagel hat wahrscheinlich das gleiche gemacht, eine Skizze mit Bögen, Linien und Winkeln, bevor sie mit dem Mischen der Ingredienzien begann. Aber ihre Düfte wirken nicht so.
Was ich mit sinnlich meine, zieht sich bisher durch alle Hermèsdüfte Nagels. Obwohl handwerklich an Ellena anschließend ist dies ein neuer Akzent. Das tut Hermès gut, das zwar seit 15 Jahre das innovativste der großen Häuser sein dürfte. Dennoch bestand in den letzten Ellenajahren langsam die Gefahr, sich um sich selbst zu drehen.
Schön, dass Hermès den richtigen Zeitpunkt gefunden hat, die Nachfolge zu regeln. Und das denke ich, als ausgewiesener Ellena-Fan.
Tuberose kann Angst einflößen: süß, schwer, herrisch. Der Begriff "narkotisch" wurde vermutlich extra erfunden, um Tuberose zu beschreiben. Diese in einem Parfum prominent einzusetzen, ohne dass sie alles andere plattwalzt, ist schwierig. "Twilly" hingegen ist spritzig, hell, luftig. Wie geht das, ohne Tuberose herunter zu dimmen? Eine Möglichkeit ist es, eine Kopfnote zu wählen, die einen für Tuberose ungewöhnlichen Akzent setzt und ihn bis in die Basis weiter trägt. Und genau diesen Ansatz wählte Christine Nagel:
Der Start erinnert fast an ein klassisches Cologne - etwas Petitgrain und ich meine, Orangenblüte zu erkennen. Bevor aber irgendein 4711-Feeling aufkommt, geht das Petitgrain in einer satten zitrisch-würzigen Ingwernote auf. Diese gibt es dem Duft über einen Großteil des Verlaufs eine animierende, fröhliche Frische. Vermutlich hilft etwas Ambroxan, dass diese Frische bis in die Basis hineinreicht.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich wirklich üppig-süße Orangenblüte rieche oder ob dies bereits die Tuberose ist – beides Weißblüher mit großer olfaktorischer Schnittmenge. Jedenfalls wird diese Blütennote schon nach kurzer Zeit cremig, geradezu sämig-buttrig - etwas, was die Tuberose auszeichnet und von anderen Weißblühern unterscheidet.
Diese Textur wird elegant aufgegriffen von einem cremigen Moschus, der die Basis prägt, trotzdem schon früh im Verlauf zu erkennen ist. Dieser Moschusakkord kommt weniger aus der sauber-aseptischen, pudrigen Weichspüler-, sondern eher der cremigen warme-Haut-Ecke.
Die holzigen Aspekte der Tuberose schließlich passen perfekt zu einer milchigen Sandelholznote in der Basis.
Tuberose kann ja ein ganz schöner (indolischer) Stinker sein - "Twilly" ist es aber nicht. Immerhin erinnert die Moschus-Sandelholz-Basis mit ihrer Körperlichkeit sanft daran, wozu Tuberose im Stande sein kann.
In Summe gibt es also zwei Linien in "Twilly": erstens eine süße, helle Tuberose, deren cremig-buttrigen Facetten mit Moschus und deren holzigen mit Sandelholz betont werden; zweitens zitrisch-würziger Ingwer, der als Kontrast zur Tuberose Spannung und Frische in den Duft bringt. Insgesamt entwickelt sich der Duft wenig, sondern behält sein Frisch-Blütig-Wechselspiel. Die Zusammenfassung klingt nach einem typischen Hermèsduft, der auch von Christine Nagels Vorgänger Jean-Claude Ellena hätte stammen können. Hätte er so aber nicht. "Twilly" ist zu sinnlich dafür. Ja, "sinnlich" ist ein problematische Wort zur Parfumcharakterisierung: viel zu oft werberisch verwendet, um irgendwelche banalen Wässerchen der verzweifelt partnersuchenden Kundschaft anzudrehen. Hier passt es aber zur Beschreibung mit dem ganzen Bedeutungsspektrum von "attraktiv" bis zu "mit allen Sinnen genießen". Vielleicht so: wer ein Ellena-Parfum riecht, stellt sich vermutlich vor, wie er sich zum Start des Parfumkreierens eine Skizze mit Bögen, Linien und Winkeln gemacht hat. So wirken oft seine Düfte. Christine Nagel hat wahrscheinlich das gleiche gemacht, eine Skizze mit Bögen, Linien und Winkeln, bevor sie mit dem Mischen der Ingredienzien begann. Aber ihre Düfte wirken nicht so.
Was ich mit sinnlich meine, zieht sich bisher durch alle Hermèsdüfte Nagels. Obwohl handwerklich an Ellena anschließend ist dies ein neuer Akzent. Das tut Hermès gut, das zwar seit 15 Jahre das innovativste der großen Häuser sein dürfte. Dennoch bestand in den letzten Ellenajahren langsam die Gefahr, sich um sich selbst zu drehen.
Schön, dass Hermès den richtigen Zeitpunkt gefunden hat, die Nachfolge zu regeln. Und das denke ich, als ausgewiesener Ellena-Fan.
8 Antworten
MissChippie vor 2 Jahren
Danke für diese tolle Rezension und die detaillierte Beschreibung des Duftes mit vielen Hintergrund Infos. Hatte echt Bedenken bei dem Duft ob er nicht zu stark oder gar männlich ist, wegen dem Ingwer. Ich mag Ingwer gerne im Essen doch im Parfum muss ich es mal erforschen. Dank deiner Rezension gebe ich Twilly eine Chance.
ElysaShades vor 8 Jahren
Schön beschrieben . Aber mich hat der Duft ein bissl enttäuscht. Ich mag eher die Tuberosenstinker.
Ernstheiter vor 8 Jahren
Ingwer erweckt immer mein Interesse, Weil ich seine stechende Frische als Alternative zu zitrischer Frische sehe. Schoener Kommentar
Lilau vor 8 Jahren
Zuerst ist mir die Ingwer-Note zu präsent, der wird aber dann sehr schnell so fein-cremig! Und dann nur noch milde Würze, zusammen mit der Tuberose ein Träumchen.....Echt ein gelungener Wurf aus diesem Haus!
Yatagan vor 8 Jahren
Ich fand den auch wirklich schön. Ingwer und Tuberose: perfekt! Und ja: Ein 4711-Felling (natürlich auch ganz anders) ist auch da. Prima! Außerdem muss ich zugeben, dass ich mich schon auch mal von Äußerlichkeiten blenden lasse: Der Flakon ist entzückend!
TooSmell27 vor 8 Jahren
Ah, einer der meine Meinung teilt. Ich mochte die Ellenas nie, fand diesen aber erfrischend jung und interessant. Avancierte zum Wunschduft meiner Tochter, was ich gut verstehe.
Turandot vor 8 Jahren
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Bisher hat mich Twilly ein wenig ratlos zurück gelassen. Ich muss mir den Duft nochmal vornehmen. Danke für den Anstoß.
M3000 vor 8 Jahren
Danke für diesen lehrreichen Kommentar.

