Yatagan
07.04.2024 - 03:49 Uhr
81
Top Rezension
7
Preis
8
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
8
Duft

Ariadnefaden

Unkommentierte Duft No. 180

Tilia ist der lateinische Name für Linde und legt damit eine Spur, die ein wenig in die Irre führen könnte, aber wie der Faden der Ariadne den Weg aus dem Labyrinth weisen kann. Zunächst ist für mich Heliotrop dominanter, der sehr charakteristisch duftet und m.E. immer eine etwas mattierte, eigenwillig cremige Pudrigkeit verströmt. Auch Ginster erscheint mir plausibel und unter diesem Gerüst ist dann auch die Lindenblüte erkennbar, wenn auch weniger stark und charakteristisch als in Lindenblüte oder Tilleul (1995) und anderen vergleichbar intensiven Lindenblütenparfüms, die ich zwar schätze, die aber zuweilen eine so schmerzliche Süße verströmen, dass sie wie melancholische Erinnerungen wirken. Hier wurde damit stilvoll und mit Raffinesse umgegangen und die Komposition passt in Summe, wirkt wie aus einem Guss, und vielleicht gehört ja auch der o.g. Jasmin und Vetiver zu diesem stimmigen Gesamteindruck, auch wenn ich sie mir allenfalls einbilden kann.

Wie man synthetische und geradezu inflationär gebrauchte Duftstoffe wie Amboxan gut einbinden kann, zeigt dieser Duft ganz nebenbei ebenfalls: Alles wirkt ein wenig wie stark duftende Hautcreme - und das ist nicht plakativ, sondern sogar ein bisschen sexy.

An diesen Gedanken anschließend, möchte ich noch betonen, dass der Duft m.E. sehr feminin ist, was nicht ausschließt, dass ihn Männer tragen sollten, womöglich gerade diejenigen mit maskuliner Aura, um ihren weiblichen Schatten zur Geltung zu bringen (psychoanalytisch gesprochen).

Der Duft hat übrigens einen Nachteil, den hier viele als Vorteil empfinden könnten: Er hat eine starke Ausstrahlung in Bezug auf Sillage und Haltbarkeit; für mich des Guten zuviel, denn ich schätze leichtere, dezentere Düfte. Ein Sprühstoß hat mich den gesamten Nachmittag und Abend begleitet. Dennoch: wieder ein großer Wurf von Barrois - ganz im Stile von Ganymede Eau de Parfum, der vollständig anders riecht, aber Synthetik und klassische Komposition ebensogut verbindet.
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