Missoni Wave 2020

Ernstheiter
23.01.2022 - 12:37 Uhr
22
Top Rezension
9
Preis
10
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft

Wie ein Chamäleon im Konfettihaufen

Wer in der fraenkischen Provinz aufwaechst, geht normalerweise in der Vorweihnachtszeit in die grosse Stadt, sprich auf den Nuernberger Christkindlesmarkt. Zumindest wir taten das, meine Familie und ich. Ja und nach einem solcher Besuche, es war Mitte der 80er Jahre, machten wir allesamt noch einen Bummel durch die Fussgaengerzone dieser grossen Stadt. Schon damals trug ich gerne sehr bunte Pullover, meist von C&A oder dem Herrenausstatter der naechstgelegenen Provinzstadt. Preislage so um die 39,90.-DM. Und dann stehe ich vor diesem zugegebenermassen noblen Geschaeft in der Nuernberger Fussgaengerzone und sehe im Schaufenster eine Patchwork-Jacke im Blousonstil ausgestellt. Der gesamte Blouson war zusammengesetzt aus lauter Dreiecken aus Wolle, jedes davon aus verschiedenen Woll- und Farbmustern. Trotzdem wirkte diese Jacke nicht schreiend grell, sondern in sich sehr stimmig, fast harmonisch. Boah, wie ein Chamaeleon im Konfettihaufen, ging es mir durch den Kopf. Wie zufaellig fiel mein Augenmerk auf das Preisschild. Der dort stehende Preis verwirrte mich voellig und verscheuchte das Chamaeleon sofort.

Mittlerweile sind ueber 35 Jahre vergangen und Missoni ist mir ein Begriff. Als Wahl-Mailaender kenne ich die Auslagen von Missoni in Via Sant'Andrea, kenne einen Grossteil der Duefte und wollte jetzt Missoni Wave kennenlernen.

Was mich sofort total ansprach, noch bevor ich den Duft unter die Nase bekam, war der Flakon, seine Haptik und seine Anschmiegsamkeit an den Handballen. Ein schillerndes schweres Glas aus leuchtend blauem, kristallinem Türkis in einem runden Flakon, der so klar wie Wasser ist. Auf dem Flakon thront eine Magnetkapsel mit Zickzack-Motiv, die das Auf und Ab der Wellen stilisiert wiedergibt. Wie ein Blick aufs Meer, zumindest gaukelt einem der Flakon dieses Bild vor. Uebrigens ist die Anziehungskraft der Magnet-Kapsel so stark, dass sogar die magnetische Kapsel auf den Flakons der Christian Dior Exklusivlinie nur wie ein mueder Pritt-Klebestift daher kommt.

Ich war auf die Geruchskomposition gespannt. Das Wort "Wave" liess moegliche Vergleiche mit anderen Aquaten erwarten: mit Cool Water (gischtender Ozean), Aqua Sextius (Mittelmeer), Acqua di Sale (salziges Hafenwasser) oder Green Irish Water (Quellwasser).

Aber welch Ueberraschung, der prickelnde Duft eroeffnet mit einem Reigen aus Zitrus- und ozonisierten Noten. Mandarinen sind ganz deutlich zu erkennen, ebenso wie aquatische Noten. Allerdings weit und breit kein Mare in Sicht. Der Duft hat in keinster Weise "Duschgel-" oder "Klostein-Vibes", die die Assoziation zu Meer schaffen sollen.

Die am Anfang ganz deutlich wahrzunehmenden Mandarinen werden sogleich von waesserigen Noten umspielt. Acqua di Giò hat eine aehnliche DNA, die augenblicklich an etwas Frisches und Waesseriges erinnert. Durch die Verwendung von Mittelmeerkraeutern bekommt Acqua di Giò eine Aromatik, die an das Mittelmeer erinnert, aber kein aufgewuehltes, sonder ein ruhiges. In Missoni Wave hingegen gibt es keine Mittelmeerkraeuter, die Wuerzigkeit erzeugen. Vielmehr umspielen hellblumige Noten die ozonisierten und erzeugen so eine angenehme Frische, deutlich aquatisch, aber kein Meer. Vielmehr ein klarer See in der Suedsee mit ringsherum wachsenden hellen Blumen. Aber keine Angst, Missoni Wave ist kein blumiger Duft, sondern ganz klar ein Vertreter seiner Gattung, der frisch aquatisch ist mit einer hellblumigen Aura, mehr Milde als Suesse verstroemend.

Missoni Wave hat das Thema "verfehlt", was dem Duft keinerlei Abbruch tut. Ein grundsolider Aquat, der zwar nicht wie ein Grossteil seiner Gattung ist, aber auch keine neuen Wege geht. Vor einigen Jahren hatte ich Pour Un Homme de Caron L'Eau und beim ersten Test von Missoni Mare, kam er mir aufgrund seiner aehnlich hellblumigen Aquatik in den Sinn. Es waere interessant, wenn jemand beide Duefte haette fuer einen Direktvergleich und seine Meinung dazu sagen koennte.

P.S. Von meinem ersten Gehalt habe ich mir Ende der 80er Jahre dann meinen Traum von einem Patchwork-Blouson erfuellt. Natuerlich trage ich ihn auch heute noch.

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