L'Homme von Prada

L'Homme 2016

DerDefcon
12.02.2020 - 11:26 Uhr
20
Top Rezension
8.5Duft 8Haltbarkeit 6Sillage 10Flakon

Wer den einen hat ...

sollte diesen hier trotzdem ausprobieren. Oft heißt es ja - und auch ich glaubte das - dass der Besitz des normalen "L'Homme" nicht von Nöten sei, wenn man die Intense-Variante im Schränkchen zu stehen hat, so wie das bei mir der Fall ist. Letzterer hält auf meiner Haut wie Kleber und strahlt sehr stark ab, weshalb ich immer genau überlege, ob und wann ich ihn auflege und vor allem in welcher Dosis ich das mache. Zwei halbe Sprühstöße auf den Hals genügen meist, damit ich den ganzen Tag etwas von der dreckig-ledrigen "L'Homme"-Variante habe.

Nun habe ich es endlich mal geschafft, den älteren, aber dennoch leichteren Bruder im Laden zu testen. Dreckiges Leder, dichter Patchouli oder süße Tonkabohne sind hier nicht zu finden. Im Vergleich zum "L'Homme Intense" haben wir somit deutlich weniger Kanten und daraus resultierend mehr Platz, welcher der Iris zur freien Entfaltung bleibt. Jedoch würde ich Wörter, wie "rein" oder "glattgebügelt" trotzdem nicht verwenden. Es folgt die Begründung:
"L'Homme" mag kantenloser sein als der schwerere, schwarze Bruder, aber gänzlich kantenlos ist dieser Duft - das erwähnte ich soeben und ebenso auch in meinem Statement - wahrlich nicht. Dies ist der Iris zu verdanken, die zu Beginn sehr laut und beinahe schon zu kratzig auftritt. Eine Lippenstiftnote meine ich ebenfalls zu vernehmen, jedoch längst nicht auf solch intensive Art wie bei den Iris-Krachern aus dem Hause Dior. Im Laden testete nicht nur ich, sondern auch ein Ehepaar den Duft. Als ich neben ihnen stand, vernahm ich sofort die ablehnenden Gesichtszüge der Frau. Auch ihr Lebensabschnittsgefährte war von diesem Prada nicht angetan. Der Papierstreifen landete umgehend im Regal - übrigens wieder solch eine Unart mancher Parfümeriebesucher, die zu faul sind, zum nächsten Mülleimer zu gehen. "Der geht ja gar nicht!", hörte ich nur. Ebenso hieß es: "Das riecht kratzig und sticht in der Nase. Der kommt nicht auf meine Haut." Der letzte von mir soeben zitierte Satz zauberte mir ein Grinsen ins Gesicht und bestärkte mich in meiner Meinung, dass "L'Homme" einer dieser Düfte ist, der wohl nicht überall anzutreffen ist, da er die potentielle Kundschaft nicht mit seiner Kopfnote blendet, was für Spontan- und Sofortkäufe sorgen könnte. Man kann sich hier also sicher sein, nicht wie jedermann zu duften und das bei einem echt fairen Preis, wie ich finde.

Aber machen wir mal weiter mit dem Duftverlauf:

Die Iris verliert nach circa dreißig Minuten ihre raumeinnehmende Dominanz und florale Noten übernehmen zunehmend das Zepter, was aber nicht heißt, dass unser Schwertliliengewächs die Segel streicht. Immer wieder mal stößt sie ihre dezent stechenden Duftaromen in des Trägers Umlaufbahn und sorgt dafür, dass der Verbund aus Neroli und Rosengeranie - letztere nehme ich übrigens sehr stark wahr - nicht zu trist und belanglos daherkommt.

Prada hat es mir diesem Duft geschafft, einen Immergeher auf den Markt zu bringen, dessen beste Zeit definitiv der Frühling ist. Doch auch im Winter dürfte dieser Kandidat seinen Reiz haben, denn anders als die süß-würzigen Kuschler biedert dieser sich nicht an. Er sorgt für einen kühlen, auf Distanziertheit ausgerichteten Duftschleier, welcher im Träger das Gefühl von Unnahbarkeit aufkommen lässt - etwas, was irgendwie nur Prada mit seiner kühlen Duft-DNA wirklich hinbekommt. Wer jene mag, sollte sich ruhig beide Kandidaten, also "L'Homme" und "L'Homme Intense" durch die Nase gehen lassen. Man wird eine gemeinsame DNA ausmachen können, die bei der Intense-Version zwecks anderer Einsatzgebiete modifiziert wurde, doch trotz dieser olfaktorischen DNA-Kongruenz sind deutliche Unterschiede vorhanden, sodass ich dem allgemeinen Duktus nicht zustimmen kann, der besagt, dass man den einen nicht brauche, wenn man den anderen schon hat.

Nachtrag zum Thema Haltbarkeit und Sillage:

Über die Haltbarkeit kann ich bei einem solch frischen Duft nicht meckern. Nach sechs Stunden ist er auf meiner Haut noch wahrzunehmen. Die Sillage ist recht verhalten. Das Familienmitglied mit der überempfindlichen Nase kann ihn zwar noch in der Luft riechen, doch das andere vernimmt nichts. Ich persönlich nehme immer wieder mal einen minimalen Hauch wahr, merke allerdings auch deutlich, wie sehr meine Nase - ganz anders als beim Intense - den Duft adaptiert. Die Haltbarkeit bewerte ich, wissend, dass das Ganze sich auch nachher noch nicht verflüchtigt hat, mit einer 8,0. Die Sillage wird mit einer 6,0 eingestuft.
7 Antworten
FlirtyFlowerFlirtyFlower vor 6 Jahren
Und ich frage mich, wie der andere wie Kleber geklebt hat :) Und ich frage mich schon ganz lange, wie Iris riecht :) Pokal für dich
Melisse2Melisse2 vor 6 Jahren
Ich kenne noch keinen der beiden L'Hommes. Scheint eine echte Lücke zu sein, die beim nächsten Parfumeriebesuch geschlossen wird.
NorleansNorleans vor 6 Jahren
Sehr schön beschrieben. Die Haltbarkeit fand ich auch außerordentlich gut. Ein Sondersahne-Duft.
LibreLibre vor 6 Jahren
Schöner Kommentar, der einem ebenfalls Duftblinden (zumindest diesem Duft gegenüber) in der Seele weh tut. Das ist nämlich echt ein verdammt Guter!
SchatzSucherSchatzSucher vor 6 Jahren
Oh ja, ein toller Duft. Ich habe ihn vor einiger Zeit mehrfach probiert. Aber bei mir taucht auch das Problem auf, daß er mir zu leise ist. Daher kam er als Kaufkandidat nicht in Frage. Aber dir soll er gefallen und das zählt ja. Schöner Kommentar!
PollitaPollita vor 6 Jahren
Ich freu mich immer, wenn meine Düfte nicht jeder trägt. Pluspunkt für den Prada.
Benedikt2019Benedikt2019 vor 6 Jahren
Nicer Kommi,
netter Duft, den ich sehr liebe,
witzig, wie viele Kommentare dem gewidmet werden!