Apicius
Top Rezension
18
Eine großartige Entdeckung!
Mit meinem 500sten Kommentar sollte ich mir wohl besondere Mühe geben. Ich widme ihn Rodier pour Homme, das ich vor kurzer Zeit fand und jetzt sehr oft trage.
Es war in der Galleries Lafayette in der Friedrichstraße in Berlin. Ich ärgerte mich, dass die Parfums von Ronaldo Esper verramscht wurden, ohne dass Tester zur Verfügung standen. Blind wollte ich davon nichts kaufen.
Ein paar Schritte weiter dann noch ein Tisch mit dem Schild „50 %“, aber diesmal mit Testern. Hier fiel mein Blick auf Düfte von Rodier. Ich wusste gar nicht, dass diese Modemarke auch Parfums herausgibt. Mein Interesse war geweckt.
Das Parfum wurde 2002 herausgebracht. Ungewöhnlich, aber passend zum Millenniums-Optimismus ist die Gestaltung des Flakons. Glatt und schlicht liegt er gut in der Hand. Der obere Teil ist keine Verschlusskappe, sondernder Träger für den Sprühknopf. Aus dem kleinen roten Punkt in der oberen Mitte sprüht es dann raus.
Ich wusste sofort, dass das mein Ding ist - eine gelungene Komposition, in der nach meinem Eindruck maskuline Moschusvarianten dominieren. Vielleicht ist es aber auch das Eichenmoos, das mich hier fasziniert. Ich gestehe, nach 500 Parfumkommentaren habe ich immer noch keinen blassen Schimmer, wie Eichenmoos bzw. dessen Ersatzstoffe zu riechen haben. Die Duftpyramide liest sich ansonsten wie die Beschreibung von Herrenparfum an sich. Ich denke, hier wird Wesentliches verschwiegen. Zwar war keine Duftpyramide aufzutreiben, die Moschus erwähnte, doch habe ich an dem Stand einen Werbetext gesehen, der auf den Moschuscharakter hinwies.
Nachvollziehbar ist eine gewisse Krautigkeit von Basilikum und Salbei. Die gibt Charakter und Würze, bestimmt aber nicht den Grundton. Ein „grüner“ Duft ist es nicht. Der Duft ist nicht sanft. Neben etwas Schärfe ist eine gewisse raue Art zu spüren, ohne dass diese jedoch einen kratzigen Eindruck hinterlässt. Eher etwas wie verhaltene Rauchigkeit. Auf Moschusduftstoffe schließe ich, weil es geringe Süße und etwas Seifigkeit gibt, die in dieser Ausgestaltung aber angenehm sind.
Es gibt aufregende Untertöne. Ich rieche geringe Spuren einer Milch- und Honig Note. Oder Milchreis ohne Zimt. Einige wenige Menschen haben diese Note in ihrem Schweiß. (Das muss Moschus sein!) Die finde ich sehr sexy. Dann wiederum erinnern die Kräuter, sicher in Zusammenspiel mit anderem, an die so genannte Landluft, also eine eher fäkale Note. Aber keine Angst, beide Noten sind so versteckt, dass es nicht auffällt. Vielleicht ist das Absicht und soll auf das Unterbewusstsein der Menschen in der Umgebung des Trägers wirken.
Rodier pour Homme ist kein großer Duft im Sinne einer übergroßen Komplexität. Es gibt fast keine Entwicklung. Aber bei mir trifft er ins Schwarze.
Rodier pour Homme hat Eau de Toilette Stärke, hält somit einen ganzen Abend, aber leider nicht einen ganzen Tag durch. Natürlich hätte ich ihn mir als Eau de Parfum gewünscht.
Viele Modemarken geben dann und wann mal ein Parfum als Accessoir heraus. Oft merkt man, dass das nicht ihre Kernkompetenz ist und dass sie sich Zweitklassiges andrehen lassen. Das ist bei diesem Duft nicht der Fall. Aber man glaubt zu spüren, dass bei der Entwicklung dieses Duftes keine Marketingabteilung das Sagen hatte, welche die Anpassung an Modetrends verordnete. Wer immer hier Parfumeur war - ich glaube, er hatte ziemliche Freiheit. Und so passt - abgesehen vom Flakon - der Duft selber gar nicht in die ersten 10er Jahre. Eher ist es ein sehr verspäteter Vertreter der Duftmachos des vergangenen Jahrhunderts (Aramis und viele andere). Ganz ins Extrem geht er in dieser Hinsicht aber auch nicht. Er kommt mir wie eine Krönung vor, ein künstlerischer Abschluss jener Entwicklung.
Dass der Duft gerade verramscht wird, hat vermutlich seinen Grund. Jedenfalls gibt es kaum Bezugsquellen im Internet. Und ich glaube, in Deutschland war er sowieso kaum vertreten. Da ist was an uns vorbei gegangen. Rodier pour Homme ist im mittleren Preissegment angesiedelt, aufgrund des Schildes „50 %“ darf ich nun 100 ml für 24,95 € mein Eigen nennen!