Tobacco & Tulle 2009

Ergreifend
03.09.2017 - 11:43 Uhr
13
6
Flakon
6
Sillage
7
Haltbarkeit
7
Duft

Leichenschändung


Zugegeben, die Überschrift ist nicht gerade Jugend tauglich und so manche würden nur noch den Kopf schütteln. Aber das erste was ich hier vor Augen geboten bekommen habe, war ein düsteres Bild aus Horrorfilmen, wo man sich über Ruhende hermacht. Überall keifende Geier und nur noch Nacht. Auch streunende Hunde mit nassem Fell kreuzen die Gedanken. Mit viel Pisse. Doch ich hegte nicht als einzige diese Gedanken. - So gehört nicht nur von meinem Liebsten, sondern auch von meiner Freundin, die so richtig exzentrisch ist, wenn es darum geht, einen Duft zu beschreiben. Mit nur wenigen Worten oder gar einem Wort. Nach ihrem Schamlippen zum Küssen - Sager, wurde auch dieser Kommentar auf ihr Wort aufgebaut, was sie gleich raushaute, als sie sich das Zeug reinhaute. Und mein Bild plus ihr Wort = Genau das hier! Obwohl, am Anfang schreckt er mich ab, doch dann kommt etwas, was mich zu ihm zieht. Ich bin hin und hergezogen. Aber erstmals der Reihe nach..

Ich hatte durch meine Ausbildung so manche Berührung mit dem Tod.
Leider ist dies immer mit einem negativen Aspekt besetzt. Nicht nur was den Anblick betrifft. Sondern vor allem auch den Geruch. Wenn ich tief in mir drinnen grabe, kommen so einige schaurige, teilweise sehr traurige, aber auch erlösende Dinge hervor, die ich miterlebt habe. Geruch spielt hier eine ganz eigene Rolle. Manches lässt einem nie los. Doch bestialische Gerüche hat man nicht nur, wenn jemand zwischen dem Hier und dem Jenseits steht, sondern im ganz normalen Alltag einer Kraft, die sich um Kranke, Verletzt und Bedürftige kümmert.

Soivohle erinnert mich an etwas schier grausames. Eine Person, die kurz davor steht, diese Welt zu verlassen. Jahre gelebt, Krankheiten durchgemausert wie keine andere - das Leben ist gelebt, also wartet man nur noch ab, bis die Sonne den Körper in kalte Schatten stellt und somit der Seele auch kein Leben eingehaucht wird. Der Geruch von Aceton macht sich breit - der Mund fahl, etwas faulige Butter wird hinzugefügt, so dass man den Mund etwas befeuchtet. Doch der Geruch der sich aus dem Mund bildet, lässt die Geister aus ihren Truhen austreten. Eine schwülstige Luft hängt im Raum. Verdunkelt ist alles herum - eine Note von Urin verdreckt ziemlich schnell alles. Man fällt in ein schwarzes Loch. Gedanklich hauen sich tausende Fledermäuse um den Kopf. Man blickt auf schwarze Zeiten nieder. Schaurig ist der Soivohle. Und wie! Wenn man solche schaurigen Szenen geboten bekommt. Mir läuft es eiskalt über den Rücken. Die Stirn ist bedeckt mit Schweißperlen. Der Duft macht in mir keine gute Laune breit, sondern versetzt mich in eine trostlose Welt, wo ich eigentlich gedanklich nicht gerne abschweifen will. Dichter Nebel durchzieht diese Welt - seichter Rauch schwängert die Luft, lässt diese sehr dicklich und schwer wirken. Die Seele belastet von dieser Last, wird regelrecht in die Knie und somit zu Boden gezwungen. Feuchter Geruch von Erde, in der Urin eingesickert ist, steigt empor, lässt die Nase erbeben. Die Zellen machen dicht. Tabak kann ich zu diesem Zeitpunkt nur noch erahnen. Ich habe noch immer komische Bilder im Kopf.

Mit der Zeit aber wendet sich das Bild. Ja, so arg das Ganze hier auch anfängt, so anders geht es dann in eine ganz andere Richtung. Nämlich in eine warme, wenn auch noch immer dunkle Seite. Warm wird es alsbald. Die feuchte Erde wird langsam trocken und ich rieche keinen Aceton mehr, der mit säuerlicher Butter vermischt wurde. Der Nebel ist seicht geworden und Tabak mischt jetzt auf einmal ganz anders mit. Die Bilder von schrecklichen Horrorszenarien verblassen. Kein Geruch mehr von Verwesung. Es wird alles weicher. Hinnehmbar. Nennen wir es mal so. Speziell auch. Der Uringeruch ist verpufft , es bleibt nur noch ein sachter animalischer Touch über. Wärme, gebettet auf einem Tabakfeld, welches auch hier und da etwas Süße daherbringt machen das Bild nun aus. So schlimm ist er doch nicht! Dachte ich mir gleich. Doch meine Umgebung dachte noch immer, dass die Fledermäuse gegen meinen Kopf knallen. Aber ich muss sagen, dass er zu diesem Zeitpunkt eine ganz interessante Seite an sich zeigt. Dazu kommt noch feiner, harziger Duft hinzu. Sickert tief ein und verweilt dort eine lange, lange Zeit. Es ist aber nichts für sanft gestimmte Leute, denn der Duft knallt einem ziemlich alles gegen den Kopf und ist absolut nicht geizig, alles so gut und intensiv, wie möglich zu zeigen.

Teer würde ich noch hinzufügen - leichter Geruch von frisch asphaltierter Straße und noch einen Tacken Honig, der schon eine Zeit lang im dunklen Schrank steht. Komische Beimengungen, aber es passt irgendwie. Zum Schluss hin wirkt er dann tatsächlich entspannend auf mich. Er schleicht sich nur langsam weg, lässt die Gerüche auf der halben Strecke liegen, aber deutlich abgeschwächter wie zu Beginn an. Es bleibt nur noch ein sanfter Hauch von Tabak über, der sich mit dem Harz mischt. Der Rauch ist aber deutlich seicht und es wirkt nichts mehr unangenehm oder gar schaurig. Abschließend würde ich ihm auch eine sanfte Seele eingestehen, aber das mag jeder für sich entscheiden. Mein Mann und meine Freundin sind da einer ganz anderen Meinung - Der Duft hat für sie etwas mit Verwesung zu tun. Etwas, was schaurig ist. Für mich war es auch so. Anfangs. Doch beim alltäglichen Candle Light Dinner mit Soivohle kommen auch andere Facetten ans Tageslicht.

Die Haltbarkeit und die Sillage empfinde ich als sehr gut. Wobei ich hier aber deutlich mehr erwartet habe, nach der anfänglichen Keule. Der Flakon passt aber zum ersten Eindruck. Nicht zum Gut menschen, zum Schluss hin.

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