Chnokfir
08.09.2024 - 08:26 Uhr
20
Top Rezension
8
Preis
8
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
7.5
Duft

Cherry Popping

Kirsche ist nicht gleich Kirsche! Das weiss jeder, der sich als Kind mal durch eine alte Streuobstwiese mit zig alten Kirschsorten futtern konnte. Ein Schulfreund nahm mich früher immer mit auf den Bauernhof seiner Grosseltern in der südlichen Holledau (für Saupreissn: Hallertau), die hatten sogar mehrere Sorten weisser und gelber Kirschen. Ein Traum! Heute steht da ein Neubaugebiet mit Reihenhäusern. Vorbei der Traum.

Etwas geduckt und verloren steht er da zwischen all den anderen Flakons in der Parfumerie. Ein kleiner Vierkant mit goldener Flüssigkeit und massiver Goldplakette und einem noch massiveren goldenen Metall-Knöpke. Nicht zu gross, aber dennoch selbstbewusst für den Zweitgeborenen. Sowas mag ich. Strahlendes Rot auf güldenen Plakette. Genauso wie den knallroten Karton mit schwungvollem, goldenem Aufdruck, der kaum grösser ist als der Flakon selber und nicht, wie mittlerweile überall anzutreffen, in den Ausmassen eines Schuhkartons für Winterstiefel. Bitte, Kai, bleib bei dieser Grösse.

Ich mag ja Kirsche. Sei es im Schnaps, in der Marmelade, im Sorbet, im Kaugummi, im Streuselkuchen. Schmeckt überall anders vor. Hinzu kommt, dass ich in meinen Kinderjahren ein paar Jahre in den USA verbringen durfte und da allerlei Süsskram mit mittlerweile sicherlich verbotenen Aromastoffen in den Mund bekam. Ich suche seitdem immer wieder nach den verlorenen Kindheitserinnerungen, werde aber nie wirklich fündig.

Bei "Cherry X" habe ich da so einen Flashback. Eine verdammt leckere Kirsche. Nicht richtig natürlich, aber auch nicht komplett synthetisch. Nichts, wo man heute eher die Finger von lässt wie Cherry Coke oder Dr.Pepper Cherry oder das alte Hubba Bubba Kirsch. Auch keine natürliche Schwarzkirsche, Weichselkirsche, Sauerkirsche, Schattenmorelle, Rotes Maiherz, Schwarze Knorpelkirsch, Späte Amarelle oder Maraska. Eher übersüss wie eine italienische Amarena auf dem Eis oder amerikansiche Maraschino im Cocktail. Nichts trifft es für mich so ganz, aber es könnte eine wundervolle Mischung aus mehreren sein. Ich bin verliebt! Zu den vollfruchtigen Kirschen gesellt sich bald eine ebenso süsse Mandel. Wer mit offenen Augen über einen Christkindlmarkt geht, der kann vielleicht einen kleinen Stand mit selbstgemachtem Marzipan entdecken: Lasst Pistazien- und Walnussmarzipan links liegen und versucht Kirschmarzipan! Ein Träumchen! So auch hier in diesem Duft bilden Mandel und Kirsch einen wunderschönen Akkord, der um eine nicht zu strenge boozy Note noch vervollkommnet wird. Es sind da wohl neben Pfeffer noch ein paar Gewürze mehr mit dabei, doch kommen die bei mir gegen die Rose, die mächtig schiebt, leider nicht an. Die Kirsche tritt leider ein wenig in den Hintergrund, Tonka/Vanille kommen mit vielen anderen weichen und süssen Noten ebenfalls nach vorne. Es ist eine Menge los, doch wirklich viel kann ich dann aus der Pyramide nicht mehr herauslesen, bevor es bei mir harzig und rauchig wird. Stets süsslich aromatisch verblendet. Die letzten Ahnungen einer Kirsche verlieren sich bei mir bedauerlicherweise bereits nach knappen drei Stunden. Gerne hätte ich mir mehr gewünscht. Und der Rest ist leider nicht so ganz das, was ich primär an einem Duft für mich suche.

"Cherry X" ist ein sehr vielschichtiger Kirschduft, eine leckere Angelegenheit, bei der man je nach Tagesform, Wetter, Stimmungslage, etc. immer wieder neue spannende Facetten entdecken kann. Auch wenn ich jetzt sehr oft von süss und süsslich geschrieben habe, so weckt dieser Duft bei mir eher maskuline Konnotationen. An meiner Frau kam "Cherry X" noch sehr viel süsser, blumiger, vanilliger, dafür weniger fruchtig rüber. Auch hielt er an ihr locker über 12 Stunden, an mir versickerte er nach knappen 8 Stunden fast vollständig in der Haut.

Wer für sich einen Kirschduft sucht, der sollte hier einmal vorurteilsfrei testen! Ein sehr gut und vielschichtig gemachter Duft, der sich vor keinem grossen Namen zu verstecken braucht. Eher im Gegenteil dürfte "Cherry X" die Top-Ten der Kirschdüfte aktuell einmal gehörig aufmischen.
14 Antworten
NuiWhakakoreNuiWhakakore vor 11 Monaten
2
Ich mag die Kirschen auf den Steuobstwiesen und kenne einen sehr feine Brennerei im Fränkischen, die hat 13 verschiedenen Apfelbrände (wie viel Kirsch weiß ich nicht mehr), da ist es auch eine Freude, sich durchzuprobieren. So riechen mag ich natürlich nicht, zumal es sich eher nach Likör anhört mit den ganzen süßen Sachen...
PoesiefannyPoesiefanny vor 11 Monaten
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In der fränggischen Schweiz hats nuur guude Edelbrennereien ... deshalb bleiben die Berliner ja immer bei uns hängen und glauben, sie wären schon im Voralpenland ;-) Der Bierführer hier sind genug geschrieben, mögen nun Duft- und Aromaführer der Brennereien folgen. Dazu genießt man als Geheimdipp einen Schwarzwälder Kirschwindbeuddel für die ganze Familie !
FloydFloyd vor 11 Monaten
1
..wie lange hängt er denn nun noch am Cliff? ;-D
MarieposaMarieposa vor 11 Monaten
1
Bin ich die Einzige, die jetzt gern wüsste, wie die Schwebende Kirschblüte in den Genuss des Duftes gekommen ist?
ChnokfirChnokfir vor 11 Monaten
1
Also, das war so: Cliffhanger ...
GandixGandix vor 11 Monaten
1
Du bist ein Feinschmecker☺️
ElAttarineElAttarine vor 11 Monaten
1
Essen tu ich Kirschen aller Sorten sehr gerne, aber nicht im Duft... Tolle Beschreibung!
SpatzlSpatzl vor 11 Monaten
1
Mit Kirschen bin ich vorsichtig.
SpatzlSpatzl vor 11 Monaten
Wenn's pressiert, kann das schon mal sein...😉
ChnokfirChnokfir vor 11 Monaten
Nicht gut Kirschen essen?
BlaugoldBlaugold vor 11 Monaten
1
Mir hat er auch gut gefallen und Du hast ihn richtig gut beschrieben 👍🏼🍒.
KovexKovex vor 11 Monaten
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Wäre vermutlich nicht so meins aber ich würde vorurteilsfrei an die Sache rangehen.
PollitaPollita vor 11 Monaten
Die schwebende Pfirsichblüte mag Kirschdüfte? Oder musstest Du sie zum Tragen zwingen? ;)
ChnokfirChnokfir vor 11 Monaten
Ned wirkli! ... aber jede Frau hat einmal einen Moment der Schwäche! 😎