Fairy-Tales (Messe-Geschichten)

Parfumo berichtet von der Global Art of Perfumery 2015

Nach nur wenigen Stunden Öffnungszeit riecht die Luft im Messesaal des Düsseldorfer Hilton nach Vanille, Amber, Patchouli, Sandel, Oud. Immer wieder gibt es einen Zitro-Whiff, eine Blumenbrise oder einen Moschushauch, der die gerade an einem Stand vorbei gehende Nase umweht und um Aufmerksamkeit wirbt. Die GAoP ist Plattform für Vertrieb und Handel von Nischenparfums. Entdeckungen, Neuheiten, Schmankerl ... ob ein Geschäft diese oder jene Marke ins Portfolio nimmt, womit es sein Profil ergänzt und ob eine Serie wohl die Kundenwünsche 2015 beantworten wird, kann man hier in edler, entspannter und vor allem duftender Atmosphäre erkunden.

Klar ist das eine Supergelegenheit für Parfumo, zu schauen, zu fragen und natürlich zu riechen und wir freuen uns auf unsere Duftexpedition für die Community. Viel Neues gibt es hier. Neue Düfte bereits etablierter Häuser und ganz neue Marken, mit viel Startkapital oder viel Leidenschaft, auf dem Reißbrett oder im heimischen Keller entstanden. Wir finden hier Aufregendes und nicht so Aufregendes, pompös und bescheiden Präsentiertes, Gewohntes und Überraschendes.

Die GAoP 2015 ist wieder in Düsseldorf, mit neuer Organisation, kleiner (zumindest noch in diesem Jahr) und einem mehr auf den Handel fokussierten Ansatz. Weniger Show und Drumherum, dafür mehr Konzentration auf das Eigentliche. Ein Marktplatz für Trends und Neuerscheinungen, der zum Kennenlernen einlädt.

Am Stand von Omnia Profumi

Spannend ist zum Beispiel das Kennenlernen von Omnia Profumi. Fabrizio Tagliacarne aus Pavia präsentiert auf der GAoP sein Label. Von Haus aus Gold- und Silberschmied empfand er immer wieder bei seiner Arbeit mit Metallen und Edelsteinen, wie intensiv seine sinnlichen Erfahrungen damit sind – auch über das Optische und Haptische hinaus. Besonders geruchlich hatte er eindrückliche Vorstellungen - nicht wie die Dinge tatsächlich riechen (wenn sie Geruch haben), sondern wie die jeweiligen Eigenschaften olfaktorisch wirken: glänzend, schimmernd, matt, strahlend, rot, schwarz, gelb, opak, warm, kühl … diese vielen möglichen Parallelen wurden für ihn zum Material, seine synästhetischen Erlebnisse als Parfums zu formulieren. Seit 2009 entwickelt er in Zusammenarbeit mit einem Parfumlabor Düfte, die so heißen wie die jeweilige Inspiration: acht Edelsteine (Aquamarin, Granat, Onyx, Bergkristall, Citrin, Bernstein, Peridot und Opal) und fünf Metalle (Silber, Gold, Bronze, Platin, Titan). Wir testen ein paar und stellen fest, dass diese assoziative Verknüpfung teilweise erstaunlich gut passt.

Nicht alle Parfums beeindrucken uns, aber wir sind verblüfft und angetan beispielsweise von der Umsetzung der Bronze-Idee: Wie einleuchtend, das Warme, Weiche, Tiefe und untergründig Dunkle von Bronze im Parfum Bronzo mit einer starken Gewürznelkennote darzustellen! Bei Platino wiederum korrespondiert das Matte des Platins mit einer opaken Milchigkeit, während bei Onice Minze, Anis und Lakritz ein onyx-adäquates schwarzes Schillern von Frucht-, Blumen- und Gewürznoten erzeugen.

Ein schönes und exklusives Extra: der Goldschmied Tagliacarne bietet die Möglichkeit, ein persönlich gestaltetes und graviertes Silberemblem statt des Etiketts am Flakon anzubringen.

Jean-Philippe Clermont, Art Director von Atelier des Ors zeigt uns die fünf Parfums dieser brandneuen Marke, die mit schwarz-goldenem Design um massives klares Glas in aktualisiertem Art Deco-Stil edel daher kommen. Sogar mit 24-Karat-Goldstaubflöckchen im Flakon, wozu er aber bescheiden schmunzelnd sagt: „Das ist einfach ein hübsches kleines Special.“

Er erzählt, die Idee hinter Atelier des Ors sei, etwas Vergangenes in der Gegenwart wieder erstehen zu lassen. Er möchte anknüpfen an die glamouröse Zeit der 30er Jahre der französischen Parfümerie und die Parfummode dieser Zeit neu interpretieren.

Das Portfolio umfasst 5 Duftrichtungen: Leder, Gourmand, Weihrauch, Patchouli und Rose. Der klassische Ansatz könnte bedeuten, dass es allzu bekannt und wenig innovativ duftet, aber tatsächlich wirken die Parfums nicht nur handwerklich gekonnt gemacht, sondern auch gegenwärtig-modern, durchaus nicht ultra-französisch, sondern eher orientalisiert-französisch und mit kleinen unverbrauchten Reizakzenten im Vertrauten.

Die 30er des letzten Jahrhunderts dufteten sicher anders, aber das Zeitlose, das die Düfte inspiriert haben soll, ist zu riechen, wie wir finden.

Gerade am Beginn des Europa-Launches: Atelier des Ors


Wir wollen wissen, welcher Parfumeur oder welche Parfumeurin hinter den Atelier des Ors-Parfums steht. Wieder ein Schmunzeln. „Das verrate ich nicht. Oder nur so viel: Es ist eine Marie. Auf der Homepage sind von allen Beteiligten nur die Vornamen zu lesen. Es soll mysteriös bleiben.“ Er ergänzt: „Um eine Art Signatur zu haben, war es uns wichtig, dass alle fünf Parfums aus der gleichen Hand stammen und dass an ihnen in zeitlicher Nähe gearbeitet wird.“

Wir testen uns durch die Linie und sind spontan verzaubert von Aube Rubis, einem für uns ungewöhnlich schönen Patchouliduft, dem eine Cassisnote jede Idee von Keller oder Mausoleum nimmt. Auch Cuir Sacré ist spannend. Anfänglich sehr hartes, trocken-safran-betontes Leder wird im Verlauf immer anschmiegsamer. Die momentane Mode, zum Leder einfach Süße zu addieren, wird hier nicht angewandt, sondern stattdessen wird mit bemerkenswertem Feingefühl auf die Textur des Themenstoffs eingegangen. Jean-Philippe erzählt dazu: „Während die anderen Düfte lange Iterationsschleifen durchliefen mit jeweils circa 20 Runden an Veränderungen, war bereits der erste Vorschlag Maries für den Lederduft so überzeugend, dass wir ihn gleich ausgewählt haben.“

Der Preis des 100 ml-Flakons wird bei € 225,- liegen. Auch deswegen hat es laut Jean-Philippe drei Jahre intensiver Arbeit bedurft, Flakon, Kartonage und Präsentation zu entwickeln: „Zu diesem Preis dürfen die Kunden einfach Qualität erwarten.“

Von der auf Parfumo beliebten Marke Olfactive Studio wird pünktlich zum Frühlingsbeginn der neue Duft Panorama vorgestellt, ein grüner, heller und munterer Duft. Wie üblich geschmackvoll kombiniert mit einem Fotomotiv – diesmal ein Panoramablick über die grünen Hügel Hollywoods.

Il Profvmo, mit neuem Flakondesign, stellt das neue Cortigiana mit einer überraschenden, natürlich anmutenden Kirschnote vor. Während Kirsche selten und dann immer nur halbgeglückt daherkommt, ist die Note im Start des neuen Il Profvmo-Duftes einnehmend und macht Lust auf mehr.


Olfactive Studio, Il Profvmo und die Pierre Guillaume-Marken Parfumerie Générale + Huitième Art

Auf der Suche nach dem vom Pierre Guillaume im Parfumo-Interview versprochenen Birkenduft, den niemand am Stand kennt, erfahren wir, dass in drei Wochen in Mailand eine neue Linie präsentiert werden wird. Eine komplett neue Linie?! Aber leider lassen sich auch mit engagiertem Nachfragen keine weiteren Details in Erfahrung bringen. Wir müssen wohl auf die Esxence warten.

Von Bois 1920 finden wir keine Neuheiten, aber da es immer mal wieder keinen deutschen Vertrieb gibt, ist man ja schon froh, die Marke überhaupt zu sehen. Von den 2014er Düften überzeugt uns Aethereus mit einem überraschend spritzigen Start um Minze und Feige, der dem gourmandigen Duft Frische und ätherische Leichtigkeit beschert.

Beachtlich sind die Infos von einem Teammitglied der Aroma Company, von dem wir eigentlich nur wissen wollen, ob es die Nicolaï-Düfte in Deutschland auch als 30 ml-Flakons gibt. Die Frage ist schon nach kurzer Zeit beantwortet (nein, nur die größeren Flakons seien erhältlich, da die deutsche Kundschaft so ticke), aber nach Bemerkungen zum Anteil der Nische am deutschen Gesamtparfummarkt (16 % und steigend), der unpraktischen 120-ml-Flakongröße (darf nicht mit ins Flugzeughandgepäck) und den ungewöhnlichen Materialien der Humiecki & Graef-Flakondeckel (u.a. in den österreichischen Alpen handgedrechselte Eiche) können wir den Stand erst verlassen, nachdem wir mit Multiple Rouge eingesprüht wurden.

Interessant ist eine neue Marke im Sortiment von Classic Parfums: EviDens. Die Familie von Charles-Edouard Barthes besaß einen größeren Mode-Konzern, darunter die Marke Jean-Louis Scherrer, um deren Parfumlinie sich Charles-Edouard bis zum Verkauf des Modehauses kümmerte. Bei dieser Arbeit sammelte er Wissen und Affinität zur Parfumerie. Er setzte seine Duftleidenschaft ein, als er später mit seiner Frau die Kosmetik-Linie EviDens de Beauté gründete. Zunächst entwarf er einen Duft, der keinen eigenen Namen hatte, sondern einfach „der EviDens- Duft“ zur Pflege-Serie war. Als ein zweiter dazu kam, wurde dieser N°2 genannt. Mittlerweile gibt es auch noch eine N°3 und eine N°4. Die EviDens-Düfte heißen, unabhängig von der (normalen EdP-)Konzentration, „Eau Parfumées“, also „Duftwässer“, zum einen anknüpfend an die alte französische Parfumtradition, zum anderen, weil betont werden soll, dass der Wasseranteil in ihnen aus der südfranzösischen Heilquelle La Foux stammt. Das macht keinen olfaktorisch bemerkbaren Unterschied, verbindet aber die Duftlinie mit der Pflegekosmetik, deren Formel das mineralisierte Heilwasser beinhaltet. Die N°4 überzeugt uns mit einer reizvollen Kombination von weißen Blüten, anderen Blumen und Brombeere und das unnummerierte erste Parfum L´Eau Parfumée ist ein echter Geheimtipp für alle Fans von Creme-Düften: Cremig, sauber, skinny und naturalistisch evoziert es ein Gefühl von makelloser Gepflegtheit.


BOIS 1920
, EviDens und The Merchant of Venice



Auffällig hyper-professionell ist der Auftritt von The Merchant of Venice. Das Label wird vertreten durch die SA.G Group, die mit Marken wie Police, Rihanna oder Zippo eher im Mainstream-Bereich unterwegs ist und mit The Merchant of Venice auf das hochpreisige Segment zielt. Das könnte gelingen mit einem imposanten, wuchtigen Style-Konzept: Wunderschöne Original-Muranoglasflakons, die mit ihren Deckeln in der Form die Arlecchino-Figur aus Comedia dell´arte und Karneval zitieren, dazu Bilder von alten Landkarten und einem schönen, vintagemäßig angegilbten Venedig geben dem Label, das die offizielle Parfum-Marke des venezianischen Museo del Profumo ist, einen edlen und kostbaren Look. Dazu gibt es Duftkerzen, Körperpflege und Reisetaschen. Jedes Parfum steht für eine Handelsroute der Seefahrermetropole Venedig und greift die historische Handelsware mit der Zusammensetzung seiner Ingredienzien auf. Das normale EdP hat bereits 18 % Parfumölanteil, ab Juni 2015 werden auch Luxusversionen mit satten 23% erhältlich sein. Beim Test am ausliegenden Keramikstäbchen nimmt uns Byzantium Saffron sehr ein. Abseits des Messetrubels zerfällt der Duft beim Hauttest später daheim leider schon nach wenigen Stunden.

Jedoch haben wir mit dem aufwändig präsentierten The Merchant of Venice noch keinesfalls den wirklichen Styling- und PR-Gipfel der diesjährigen GAoP kennen gelernt. Zweifellos gebührt dieser Spitzenplatz Histoires de Parfums mit der im September 2014 lancierten Opern-Linie. Im separaten eigenen Raum bekommt man auf Einladung der Vertriebsrepräsentantin die neue Duftluxusvision von Gérald Ghislain vorgeführt. Bei Kerzenlicht, Prosecco und Opernklängen begegnet man einer Parfumlinie, wo an nichts, aber auch wirklich gar nichts gespart wurde: Hochwertige, glänzende, von Hand lackierte Schatullen bergen kostbar funkelnde Kristallglasflakons, die mit originalen Gussformen aus den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts in der berühmten Glasmanufaktur Walthersperger exklusiv hergestellt werden. Die Schatullen und Flakons werden wortwörtlich nur mit Samthandschuhen angefasst – die liegen nämlich vor dem Display bereit dafür. Die enthaltenen Parfums sind inspiriert von großen Arien gefeierter Operndiven und tragen als Namen die jeweilige Jahreszahl der Uraufführung: Bizets Carmen 1875, Bellinis Norma 1831, Tschaikowskis Pique Dame 1890, Puccinis Madame Butterfly 1904 und Turandot 1926. In die Böden der Kassetten sind Spieluhren eingefasst, die die Melodie der jeweiligen Hit-Arie spielen.

Die Parfums 1875, 1831, 1890, 1904 und 1926 sind in ihrem Arrangement inspiriert von den entsprechenden Heroinen auf der Opernbühne. Wir testen die fünf Parfums, die uns so feierlich und prunkvoll dargeboten werden … zugegebenermaßen ein wenig skeptisch ob des ganzen darum veranstalteten Pomps und Brimboriums. Doch tatsächlich begegnen wir fünf hochwertig duftenden, meisterlich komponierten, üppigen Düften, die mit verschwenderischer Opulenz die Idee des glanzvollen Primadonnenauftritts mit vorzüglich passenden Noten füllen. Vom Stil her sind sie alle damenhaft-klassisch, reich, stolz und tief.

Grande Opera: 1875, 1831, 1890, 1904 und 1926 von Histoires de Parfums

Wer den Traum des großen, glanzvollen und dramatischen Auftritts träumt und dazu vielleicht auch die Oper liebt, findet in der alle Sinne ansprechenden Parfumlinie vielleicht den vollkommenen Duft, der eine unvergleichliche Diven-Aura verleiht und wird dafür gerne 380,- € ausgeben.

Wir selbst finden die Düfte für uns nicht attraktiv, aber das hemmungslose Schwelgen Gérald Ghislains ist durchaus riechenswert.

Bei all der erlebten inspirierenden, duftenden Buntheit ist unsere mit Abstand eindrucksvollste und ergiebigste Begegnung auf der GAoP 2015 die mit der enorm kreativen und fähigen Marie Huet von Parfums d´Orsay. Sie erzählt uns vom traditionsreichen alten Parfumhaus und progressiven Ideen und Neuerungen, die derzeit die Richtung weisen, vom Klassiker Tilleul und den aktuellen Schöpfungen der (tatsächlich ziemlich magischen) Al-Kimiya-Linie. Zum Interview mit ihr wird es einen eigenen Bericht geben, der demnächst hier im Blog zu lesen sein wird.

Louce und Ronin mit freundlicher Unterstützung von Pazuzu für Parfumo

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