Dave76:
Will sagen, ich halte es durchaus für männlich, unbeeindruckt C5 aufzulegen. Für weniger männlich dagegen, Situationen zu konstruieren, wo man damit anecken KÖNNTE und dann voraussschauend zu kneifen.
Mir selbst gefällt C5 nicht so, daher benutze ich es nicht.
Ich halte das Wort "männlich" für diskutabel.
Man müsste eigentlich erst nochmal unterscheiden zwischen den Fragen: Kann man diesen Duft als Mann tragen? Und: Ist dieser Duft "männlich"?
Dass man ihn als Mann tragen kann, zeigen einige Beispiele von Männern, die das einfach tun - haben wir hier schon erwähnt, dass in der neusten Kampagne für den Duft erstmals keine Frau mehr zu sehen ist sondern Brad Pitt?!
Die Frage (die hier ja in vielen Antworten impliziert wird), ob das auch "männlich" ist, ist darüber hinaus dann aber eine Gender-Frage, die mit dem Geschlecht "Mann" nichts zu tun hat.
"Männlichkeit" ist eine Zuschreibung, ein "Sprachspiel".
Es als "männlich" zu benennen, das Selbstbewusstsein zu haben, unbeeindruckt einen außergewöhnlichen Duft zu tragen, unterliegt, wie ich finde, auch einem dieser gesellschaftlichen Konsense - denn was hat Selbstbewusstsein wirklich mit dem Geschlecht(Sex):"Mann" zu tun? Es ist eine Konvention und ich sehe da keine zwingende Parallele zwischen der Gender-Zuschreibung: "selbstbewusst = männlich" und dem Sex: "Male". Zumal das dann ja im Umkehrschluss bedeuten könnte: weniger selbstbewusst = weiblich...?
Man kann die Zutaten von Chanel No. 5 danach bewerten, ob sie eher männlich oder eher als weiblich sind und wird auf das gleiche Problem stoßen. Ich kenne z.B. keine direkte Verbindung zwischen dem männlichen oder weiblichen Geschlecht und dem Duftstoff Vetiver - ich sehe/kenne keine biologische/anthropologische Verbindung. (Dass der würzige Vetiver häufig in Herrenparfums auftaucht, halte ich für eine kulturelle Zuschreibung. Warum sollte würzig, scharf, frisch = Mann sein?!)... So kommt man, wie ich finde, zu keinem befriedigenden Ergebnis.
Es sei denn, man könnte nachweisen, dass die Ausdünstungen des männlichen bzw. weiblichen Körpers und der Vetiver dieselbe chemische Zusammensetzung haben. Oder - um es mal auf die Spitze zu treiben - dass Vetiver wie ein Penis oder eine Vagina duftet... Wenn C5 wie eine Vagina duften würde, dann würde ich es unwiderlegbar für "weiblich" halten - und im biologischen Sinne für einen Mann absolut unzutreffend finden.
Man hat es kaum in der Hand, was "männlich" ist und was nicht bzw. ob man über das eigene Geschlecht hinaus überhaupt "männlich" sein kann. Es sind kulturelle/gesellschaftliche Zuschreibungen.
Meine Empfehlungen zu den verschiedenen Milieus (von denen ich überzeugt bin, dass sie empirischen Studien standhalten würden!) sollten auch zeigen, wie dehnbar dieser Begriff ist.
Bricht man die Regeln der Gruppen, dann läuft man Gefahr entsprechend für "unmännlich" gehalten zu werden. Das ist zunächst einmal bedeutungslos! Wer es sich leisten kann den persönlichen Genuss (weil ihm z.B. C5 sehr gut gefällt oder weil er glaubt, dass es zu ihm passt) über die Erwartungen anderer zu stellen, der soll das tun!
Ich rate trotzdem in vielen Fällen davon ab, weil es hinderlich beim Erreichen der jeweiligen Ziele ist.
Nehmen wir als Beispiel das Date. Das Ziel ist, dass die junge Dame auf mich steht > Knick Knack! Würde ich nun Chanel No. 5 tragen, und nehmen wir zudem an, sie kennt dieses Parfum, aufgrund ihrer Sozialisation in einem konservativen Milieu, nur von Frauen. Die Abkehr von dieser Norm ist ihr suspekt. Feminität bei Männern kennt sie nur von den Bildern, die sie von homosexuellen Männern hat, weswegen sich, aufgrund meines Parfums, bei ihr die Frage ergibt: Will dieser junge Mann überhaupt was von mir? Oder sie sucht nach einer eher archaischen Auslegung des Wortes "männlich" und stellt nun in Frage, ob ich diesem Bild entspreche. Das ist noch kein Weltuntergang. Ich kann durch ein paar mehr oder weniger subtile Gesten mein Interesse an ihr verdeutlichen. Der Aufwand den ich betreiben muss ist aber größer - die Wahl von Chanel No. 5 ist hier wahrscheinlich unglücklich. Wenn ich ein anderes Parfum besitze, das mir ebenso lieb und teuer ist, und von dem ich erwarten darf, dass es unkomplizierteren Erfolg verspricht, dann ist die Alternative zu C5 einfach effizienter.
Ich sehe im Wechsel der Stilmittel bzw. veränderten Auftreten nicht zwingend einen Mangel an Authentizität. Es geht mir eher darum, das die verschiedenen Bilder, die ich evozieren will, in sich schlüssig sind und dass ich hinter ihnen stehe.
Vielleicht sind die Herren mit der Körperbemalung ja ebenso gerne saubere Schlipsträger wie wilde Rocker? Und vielleicht sind sie in den verschiedenen Rollen jeweils sehr glücklich? Außerdem lassen sich Tattoos doch etwas langlebiger und augenfälliger als Parfums - mit Ausnahme einiger Montale-Düfte vielleicht.
Auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Wer das Crossover mag und es sich leisten kann, der soll das tun - auch mit C5. Es ist aber keine Schande, sich anzupassen.
... uffff: wir sollten hier lieber wieder mehr Parfum-Flakons auf Schönheit bewehrten und wieder mehr über 1Million lästern - denken ist so anstrengend...