Übrigens, da war doch noch... Eure Geheimtipps!

Ich finde es schade, dass manche sehr guten Parfums so wenig Aufmerksamkeit bekommen. Vielleicht ein paar Kommentare, nachdem sie entdeckt oder lanciert wurden, doch dann wird es auch wieder still um sie. Sie verschwinden regelrecht aus dem Bewusstsein der Parfumo Community.

Wie wäre es also mit einem Thread zum Wieder-Erinnern an solche Schätze? Welches sind eure Geheimtipps, die ihr nochmal vorstellen wollt?

Mein erster Geheimtipp ist "Utopian" von Social Creatures.

Insgesamt führen Lavendelparfums ein Schattendasein. Das meiste riecht mehr oder weniger nach Pour und Homme de Caron, welches Lavendel brutal mit Vanille kombiniert.

Ich halte diese Kombination für unglücklich. Social Creatures hat mit Utopian einen sehr viel dezenteren Weg gefunden, den krautigen Lavendel mit leichten, orientalischen Noten abzumildern.

Social Creatures macht nicht von sich reden; seit vielen Jahren geben sie die gleichen drei Nischenparfums heraus. Für mich ein echter Geheimtipp!

Ich habe, aufgrund der positiven Kommentare hier, gerade ein Sharing vom "Utopian" gemacht, kannte ihn noch nicht, bekommt man ja auch nur direkt von Social Creatures. War selbst dann aber etwas enttäuscht. Finde die Ausarbeitung des Lavendels doch etwas konventionell, vom Cognac und Weihrauch kann ich leider gar nichts wahrnehmen, und auch sonst nicht viel. Ich hätte mir eine etwas modernere Ausarbeitung gewünscht. Hier mag jedoch auch die Hautchemie für eine andere Entwicklung verantwortlich zu sein.

Ein anderer Lavendelduft, der auch im gleichen Jahr (2007) auf den Markt kam und hier aber leider auch ein Schattendasein führt, liegt mir sehr am Herzen. Es handelt sich um "Jacques Zolty". Das Programm von Jacques Zolty ist ebenfalls sehr übersichtlich, gerade mal 5 Düfte gibt es von ihm. In den 70er und 80er Jahren verdiente er sein Geld als männliches Modell. Heute lebt er in der Karibik auf St. Barth und arbeitet als Parfumeur. Und bei seinem gleichnamigen Duft kommt auch Karibik-Feeling auf. Ohne jedoch ins süße, Kokosnuß-Aroma (wie z.B. bei Creed's Virgin Island Water) abzugleiten. Nein, dieser Duft ist sehr grün-aromatisch, wunderbar untermauert von etwas Weihrauch, der Lavendel hat nicht die oftmals anzutreffende Schärfe. Es ist ganz klar ein Fougère, aber ohne raue Barbershop-Note. Eine grünherbe-aromatische Duftnote mit nur gerade so wenig Süße, wie notwendig ist. Gerne wird ja Lavendel mit Unmengen von Tonkabohne regelrecht erstickt.
Ein wunderbarer und gleichzeitig mein Signature-Duft.

Oh ja, der ist sehr gut gemacht! Das Problem von "Jacques Zolty" ist, dass die Ausrichtung als klassisches Fougère nur so wenige anspricht.

Ich empfinde ihn aufgrund des leichten "Karibik-Feelings" gar nicht so als klassischen Fougère. Da kommt der Utopian für mich erheblich "klassischer" rüber. Von meinen Kolleginnen erhalte ich zumindest immer wieder ein sehr positives Echo.

Apicius, kannst du etwas zu den Unterschieden zwischen der EDT und der EDP Version schreiben? Oder überhaupt jemand hier?

Der beste Duft der italienischen Nischenschmiede Nobile 1942 ist nach meiner Meinung "Estroverso", der zugleich mein nächster Neuerwerb sein wird. Es handelt sich dabei um ein fabelhaftes kräuterig-zitrisches Eau de Toilette, das in dieser Sparte mit das Beste ist, was mir in mehr als zehn Jahren als duftbewusster Mensch unter die Nase kam. Haltbarkeit und Sillage sind passabel und leicht überdurchschnittlich.

Ein weiterer Kommentar ist mit Blick auf die Meisterwerke von Apicius und Naase entbehrlich, ich möchte aber darauf hinweisen, dass der Duft davon lebt, dass man an ihm mit Abstand riecht. Direkt an der Haut ist er zu zitrisch, seine Tiefenschichten entfaltet er paradoxerweise erst mit einigem Abstand. Obwohl sich die Duftnoten eher wie die eines Sommerduftes lesen, ist er ein echter Allyearrounder - interessanterweise entwickelt sich der Duft bei Kälte geringfügig anders als bei Wärme. Heißestens zu empfehlen!

Ich besitze die EdP Version von Utopian. Sie ist bereits sehr leicht und dezent und man muss reichlich sprühen. Ich kann mir nicht vorstellen, welchen Sinn eine noch leichtere EdT Verstion machen soll.

Ich habe das EdT, und es ist tatsächlich außerordentlich leicht (wenn auch von brauchbarer Haltbarkeit). Es riecht gut, hat aber eher etwas von einem Körperduft. Es mag an seiner Leichtigkeit liegen, dass ich Weihrauch - anders als Apicius beim EdP - nur erahnen kann. Aber tatsächlich gelingt es Utopian recht gut, ein Abgleiten in die Pour-un-Homme-Richtung zu vermeiden, obwohl Anklänge an traditionellen Orientalismus unverkennbar sind.

Das sind drei Düfte, bei denen ich mir ihr Exotendasein nicht erklären kann.

"Montabaco" ist ein sehr teurer Duft, doch im Verhältnis gesehen immer noch günstiger als die weit verbreiteten Nasomattos; weshalb es wohl nicht nur der Preis sein kann.

Es ist ein wundervoll "unkomplizierter" Duft, den man genauso seriös im Job wie auch zu einem Date tragen kann. Dabei ist er absolut einzigartig. Mir ist nicht`s bekannt, was man wirklich mit ihm vergleichen könnte. Natürlich wurde viel Iso-E-Super benutzt, doch Montabaco ist vor allem ein riechbarer Farbeindruck, ein transparentes, nicht schmutziges Braungrau. Er zaubert eine unheimlich elegante, weitreichende aber dezente Aura um einen. Ich denke dieser Schatz hat mehr Aufmerksamkeit verdient.

"Fleurs de Sel" gehört für mich zu den schönsten Herrendüften, doch er ist auf den ersten Riecher vermutlich etwas sperrig. Diese Salznote wirkt zu Beginn noch ungewohnt, doch trägt man ihn einfach 2,3 Mal wird er für mein Empfinden zu der besseren, perfekteren Alternative von Klassikern wie Eau Sauvage etc. Er hat etwas sehr maskulines durch eine mit der Zeit nur noch diffuse Salznote und eine authentische Tabaknote, aber auch etwas sauberes und gepflegtes durch Eichenmoos, was eine ganz dezente, herbe Seifigkeit gibt; trotzdem wirkt der Duft modern. Im Gesamtbild ist es dann einfach ein unglaublich runder, geradezu perfekter Herrenduft. Aber vermutlich wirkt er auch auf Andere beim ersten, schnellen Riecher erstmal etwas kompliziert, was er eigentlich nicht ist.

"Ambre Doré" habe ich vermutlich schon oft genug erwähnt. Wieso er trotzdem noch recht selten ist, verstehe ich nicht. Vielleicht stört manche die zu Beginn etwas animalische Oudnote. Doch nach ein paar mal tragen riecht man die selbst gar nicht mehr. Und genau diese Oudnote macht den Amber perfekt. Das Oud fehlt dem Amber, der Amber fehlt dem Oud. Es ist die wunderschöne Melodie des Orients, so eine wunderbare Qualität.
Dabei ist der Duft für mich ein Preis-Leistungsknaller. Nur etwa 100€/100ml; und dann soll man sich den bitte mal genauer unter die Nase halten. Ich denke es gibt kaum Düfte in der Preisklasse, die so viele, natürliche und recht teure Rohstoffe enthalten oder zumindest so hochwertig riechen. Die Gesamtkomposition ist dabei einfach unglaublich rund, eine perfekte Balance wurde geschaffen.

Estroverso scheint sich aber gut zu verkaufen. Wo Nobile 1942 geführt wird, ist es meist auch zu haben.

Für mich wäre die "Alla Corte del Rei" Serie der Geheimtipp von Nobile 1942, dahinter steckt eine ganz besondere Idee.

Ursprünglich wurden die ersten beiden Editionen der Serie - Atlaszeder für die Jungs und Rose für die Mädels - als Kennenlern-Box für jugendliche Parfumanfänger vermarktet. Später kam noch eine Edition mit Gourmand-Düften (Schokolade) hinzu.

Die Box beinhaltet jeweils drei kleine Parfums à 30 ml, die miteinander kombinierbar sein sollen, sowie eine lehrreiche Broschüre (Englisch) über Gebrauch und Herstellung vonParfum. Die Stärke der Parfums (Atlaszeder) ist stark herabgesetzt, sodass die Umwelt vor den Folgen von Überdosierung durch den jugendlichen Anfänger hinlänglich geschützt ist. Dafür halten sich die Geschenkboxen preislich im Rahmen.

Inzwischen ist von der Ausrichtung auf ein speziell jugendliches Publikum nichts mehr zu lesen. Als Geschenk für Nichten und Neffen angeschafft, werden vermutlich nur die wenigsten Boxen diese je erreicht haben

Mein Favorit ist "Alla Corte del Re - Cedro Atlas II: Cola" - da ist mehr Duft drin als Geschmack im gleichnamigen Getränk!

Die Geschenkboxen sind extrem schwierig zu bekommen. Das Format ist vielleicht zu ausgefallen, als dass sich die Parfümerien sowas in den Laden stellen. Eine aktuelle Bezugsquelle ist derzeit diese:

www.parfumaria.com/nl/nobile-1942-cedro-atlas

Ich hab für solche Sachen eine eigene Sammlung angelegt: www.parfumo.de/Benutzer/Siebter/Sammlung/Cust1

Nicht alle Düfte in dieser Aufstellung sind regelrechte Geheimtipps, aber bei z.B. Marc Jacobs Men oder Aqua Fahrenheit frage ich mich, weshalb sie im Allgemeinen wenig mehr als ein Schulterzucken hervorrufen. Beides sind Düfte, die kaum jemand auf dem Schirm hat, die aber auch von einigen wenigen Leuten (und zwar solchen mit Ahnung!) in den Himmel gelobt werden.

"L'eau bleue d'Issey pour Homme" - ein Aquatisches mit Substanz.
"Sex Appeal for Men" - ein überaus günstiges Nelken-Musk für Oldschooler, die ihr Old Spice gern in haltbar hätten.
Und halt etliche nicht mehr hergestellte Sachen, die wenig Sinn machen, sie zu nennen (z. B. das großartige "Exception").

Das stimmt, die sind beide echt gut.

Wie wäre es denn mit "Cuba" von Czech & Speake? Dessen Qualitäten kommen hier im Forum total zu kurz, finde ich, wenn man mal von seinem angeblichen Kackeunterton absieht (woran kein wahres Wort) ist. Ein sensationeller Minze-Rum-Duft, nach hintenraus reichlich tabakig.

"Quartier Latin" von Memo - unglaublich guter Duft, der für mich persönlich endlich mal ein sinnlicher Wald-Dreck-Leder-Nadel-Duft ist. Und mit sinnlich meine ich hier, er riecht weich, er riecht nicht so aufmüpfig sondern irgendwie intim.

"Terra" von Paolo Gigli, wenn der Preis nicht wäre, so würde ich darin baden. Mein absoluter Favorit, auch wenn ich nie mehr als eine Probe bessesen habe. Habe noch nie einen so facettenreich, geschichtenerzählenden Duft erlebt. Großartig!

"Nirmal" finde ich ganz großartig: qualitativ tadellos, unkompliziert zu tragen, dennoch immer spannend zu riechen. Einer der unbekannteren Düfte Laboratorio Olfattivos auf Parfumo, warum auch immer. Dabei sind auf Parfumo Irisdüfte für den Herren an sich sehr beliebt.
So kann Cologne im 21. Jahrhundert aussehen: das originelle "Eau de Gentiane Blanche" ist zwar nicht sooo unbekannt, einfach, weil seit 10 Jahren kein Hermèsduft mehr unter dem Parfumaficionado-Radarschirm abtauchen kann. Trotzdem erstaunlich selten empfohlen bei "kühl, aber nicht zitrisch für den Sommer"-Duftempfehlungen. Würden Rivegauche, Soulmates und ich den dann nicht so penetrant erwähnen, wäre er noch mehr Geheimtipp.
Wenn der weiße Enzian erwähnt wird, sollte die blaue Narzisse nicht fehlen. "Eau de Narcisse Bleu" ist ebenfalls ein Cologne ohne Zitrusgedöns, sehr frisch in seiner grün-blumigen Art. Kommt auf Parfumo nicht so gut an, weil es sich wohl in kein Raster pressen lässt (zu viel Textur für ein Cologne; weder Agrumen noch Aquatik, dennoch frisch; viel zu grün für Blumen).
Apropos Hermès: "Eau d'Hermès" hat zahllose Parfumeure inspiriert und war wegweisend für die Entwicklung der Parfumerie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Das steht im krassen Mißverhältnis zum kommerziellen Erfolg. Wer zibettolerabel ist, sollte diese ungewöhnliche, transparente Mischung aus frischer Leichtigkeit, Würze und Leder mal testen. Wer Parfumeriegeschichte erleben will sowieso.
Nach zu viel Pathos wieder etwas Erdung: Wer mit den zur Zeit sehr beliebten, etwas kratzigen synthetischen Oudbasen gut kann, aber nicht bereit ist, gleich das Mehrfache zu bezahlen, bloß weil die Buchstaben (A)OUD gülden auf dem Flakon glänzen, könnte mit "Dirty English" glücklich werden.

Jepp, dann mache ich hier gerne nochmal mit: Nicht nur"Eau de Gentiane Blanche" von Hermès ist sehr empfehlenswert, "Hermessence Poivre Samarcande" mit seiner trocken holzig und transparenten Art und den leicht rauchig floralen Tee "Hermessence Osmanthe Yunnan" mag ich auch sehr gerne.

Ich halte weiterhin die Fahne hoch für das transparent bitter grüne "Eau de Lierre" (immer wieder gerne) und das scharf seifig grüne und leicht rauchige "L'Eau du Trente-Quatre" von Diptyque.

"Eau de Monsieur (2013)", "Eau Noble (2014)" und "L'Eau du Caporal" sind wieder auf den Markt gebrachte alte Düfte, die in ihren aktuellen Formulierungen zwar an gestern erinnern, aber den häufig heute als 'alt' geltenden 'Muff' vergangener Tage hinter sich gelassen haben und vielleicht eher Männer (Frauen wahrscheinlich auch) mit dem Wunsch nach klassisch moderner Zurückhaltung begeistern können. Der Frühling steht eh in den Startlöchern.

Gab es nicht auch mal einen Hype um "Lalique White" und "(untitled)"? Wobei mir selbst das "(untitled) l'eau" besser gefällt.

Ouzo/Pastis/Pernod/Raki Liebhaber sollten mal Etros "Anice" testen. Eine witzige Anis-, Fenchel- und Kümmelmischung auf weichem Saubermoschus mit einem Hauch Vanille.

Anis? Da fällt mir "Mirra e Anice Stellato" ein, ebenfalls nach meiner Meinung ein Geheimtipp: Borsari 1870 ist ein traditionelles italienisches Label rund um klassische "Acqua di Touristenort"-Kompositionen und Veilchenduft. Nichts, was hier Erwähnung finden bräuchte. Wäre da nicht die Borsari-Arte-Kollektion mit so schönen und originellen Colognes wie das erwähnte "Mirra e Anice Stellato", "Assenzio" und "Black Calla". Für 64.- € gibt es die schönen 100-ml-Flakons.

PSSST! Das ist doch GEHEIMTIPP! Nee, ernsthaft, stimmt. Ein unfassbar schöner Duft.

Ich werfe heute mal "Cologne du maghreb" ins Rennen. Für mich DAS Cologne schlechthin. Natürlichste Zitrusnoten, untermauert von krautigem Rosmarin und leicht rauchigem schwarzen Tee. Besonders wundert mich die fehlende Popularität beim Blick auf den Preis: Günstiger kann man einen echten Tauer nicht bekommen.
Klar, die Haltbarkeit ist mehr so mittel, aber was erwartet man denn von einem Cologne?

btw: Superthread!

Gibt es das Cologne du Maghreb noch? Auf der Tauer Seite habe ich es nicht gefunden oder einfach übersehen.

@Ronin: Die Borsari Düfte scheinen ganz gut zu sein, ich habe sie nur einmal im vorbeigehen bisher testen können. Der Aszenzio war in Ordnung, aber der mit Anis scheint sehr interessant zu sein.

...warum er eher wenig Beachtung findet? Vielleicht liegt's am gesalzenen Preis, vielleicht daran, dass weder sein Name noch sein outfit Freunde orientalischer Düfte anlocken...

Ich möchte daher auf "Passion de L'Amour" von House of Sillage aufmerksam machen. Ein echter Geheimtipp für alle, die würzig-rauchig-balsamische Einnerungen an tausendundeine Nacht schätzen.

Ich hab's mir gerade heute (zum zweiten Mal) bei Aus Liebe zum Duft gekauft. Ob das Restbestände sind oder es noch produziert wird, weiß ich aber nicht.

Für den Sommer hat Andy Tauer ja ein weiteres Cologne angekündigt, ein Vetiver. Kann auch interessant werden.

Unterschreib' ich. Alles. Ich hab's auch, und ich mag es sehr.