Zwischenbilanz
vor 10 Jahren
Es ist jetzt wirklich mal an der Zeit für eine Zwischenbilanz. Testen konnte ich bisher: "Sables", "Numero Uno" (+ "Io Capri" & "Ligea"), "I-I Terralba", "Artisan Black", "Eau de Campagne", "Eau Saharienne", "Garrigue", "Infinito", "Ninfeo Mio", "Ténéré", "Finisterre", "Blu Mediterraneo - Ginepro di Sardegna", "Les Nombres d'Or - Eau Absolue", "Victrix" – in den Topf geworfen habe ich außerdem "Eau d'Ikar" und "Fleurs de Sel". Möglicherweise habe ich jetzt den einen oder anderen Duft vergessen, manche stehen auch noch aus.
Ich konnte einiges lernen am Weg. Eure Tipps waren ausgesprochen spannend und vielfältig. Von staubtrocken bis aquatisch war da alles dabei, von orange über grün bis zu türkis, von luftig und transparent bis zu dickflüssig, von klassisch bis kontemporär, sogar zeitlos ("Eau de Campagne"). Und das alles auf Basis (m)einer Beschreibung. Ich sehe das als Erfolg, weil es eben ganz unterschiedliche Erfahrungen, Wahrnehmungen, Einordnungen gibt (von „Garigue“, von Gerüchen, …) und ich so die Chance hatte, „meinen“ Duft zu finden.
Ist mir das gelungen? Oder ist das gar nicht mehr so wichtig, weil ich so viel andere tolle Düfte entdecken durfte? Hier mal ein paar Worte zu einigen der Kandidaten:
"Sables" hatte ja mit Abstand die meisten Nennungen und ich habe dazu bereits etwas geschrieben (siehe oben), das gilt im Grunde immer noch. Es kann gut sein, dass ich mir "Sables" mal anschaffe, das ist ein Duft der mich beschäftigt. Goutal hat hier einen sehr persönlichen, sehr konsequenten Duft geschaffen. Hut ab.
Dann "Numero Uno", auch einige Stimmen. Und doch ein ganz anderer Ansatz. Ein sonniger Chypre-Duft. Mir ist übrigens schon beim Schreiben meines Eingangstextes die Frage durch den Kopf gegangen, ob das, was ich suche, eigentlich ein Chypre im engeren Sinne ist, habe dann aber für mich entschieden, da mal besser keine Schubladen aufzumachen, auch weil ich den Eindruck habe, das Chypres oft die ganze Mittelmeerinsel denken, ich aber mich speziell für einen bestimmten Landstrich interessiere (*). Mein erster Impuls war dann auch, "Numero Uno" nicht auf die short list zu nehmen. Allerdings: stelle ich mir den Duft meines Beschreibungstextes hochkonzentriert vor – das ist so weit nicht weg! Und so wie mir "Sables" etwas zu sehr im Landesinneren liegt, tut das irgendwie auch "Numero Uno", nur das es einmal eine (doch zu) staubige, trockene Landschaft ist, und hier ein (zu) grünes, fruchtbares Land. In jedem Fall ist "Numero Uno" ein Kaufkandidat, es ist einfach ein viel zu schöner, viel zu gut gemachter Duft um ihn zu ignorieren.
"Eau de Campagne" ist für mich zwar nicht „Garigue“, trotzdem kann ich einen Test nur empfehlen, nicht nur, weil der Duft überall zu bekommen ist, sondern auch weil das eine erstaunlich zeitlose Komposition (Ellena) aus dem Jahr 1974 ist.
"Garrigue" hat mich leider etwas enttäuscht, trotz aller Sympathien für die Marke. Ein recht konventioneller, würzig-süßer Duft. Vielleicht müsste man ihm noch eine Chance geben. Mal sehen, ob er die bekommt.
"Ninfeo Mio", die staubige Feige, nicht wirklich meine Idee von „Garigue“, auch wenn ich verstehe, wenn andere den Duft in diesem Kontext sehen.
"Finisterre", siehe bitte oben.
"Les Nombres d'Or - Eau Absolue": passt für mich nicht so ganz, ist aber ein faszinierender Duft, selten habe ich einen Duft erlebt, der aus der Nähe so anders riecht wie aus größerer Distanz. Aus der Distanz finde ich ihn übrigens viel, viel besser, viel offener. Werde ich nochmal probieren.
"Eau Saharienne". Wow. Meine Notizen waren nur: "Natur zur Synthetik hochkonzentriert", ich hatte diese Vorstellung von angenehmen, natürlichen Gerüchen, die immer weiter konzentriert und von der Sonne eingekocht werden, bis sie einen neuen Charakter annehmen, der, wie in diesem Fall, dann auch anorganisch, chemisch, synthetisch wirken kann (bitte verzeiht mir, ich bin kein Naturwissenschafter), irgendwie säuerlich (aber diese Art von sauer, die nicht von Zitrusfrüchten kommt). Auf jeden Fall ein dramatischer Duft, „Garigue” ist er für mich nicht, besorgen werde ich ihn mir auch nicht, aber Wüste und Sand sind umwerfend getroffen!
"Infinito": wunderschön, diese fein gewobene Rauchigkeit, erinnert mich an Tee mit etwas Zitrone und Ingwer, ganz leicht seifig, nicht so nah an der „Garigue“ wie der nächste Kandidat, aber mein Sieger in der Subkategorie „elegantester Duft”.
Ich empfinde den Ansatz, Parfums in Szenen und Akte zu zwängen zwar als etwas bemüht, der Duft selbst überzeugt mich aber: "I-I Terralba" ist weicher als "Numero Uno", meinem bisherigen Favoriten, er ist reduzierter und zurückhaltender und erinnert mich so an einen sanften, warmen Küstenwind, in dem die grünen Aromen der Pflanzen auf salzige Meeresluft treffen (der salzige Aspekt erinnert mich an “Sel Marin”). "I-I Terralba"ist vielleicht nicht so „heiß”, wie ich mir das wünschen würde, eher ein später Frühlingstag als ein Tag im Hochsommer, aber damit kann ich gut leben. "I-I Terralba" ist jedenfalls kein blauer Duft, kein "Erolfa", kein Aquate. Lysistrate hat einen wirklich tollen Kommentar zu "I-I Terralba"geschrieben, dem ich mich anschließen möchte.
Ich hatte mir den Zielduft übrigens nicht wie "I-I Terralba" vorgestellt. Meine Vorstellung war relativ abstrakt, eher ein Skelett als ein Körper, einfach schon durch die verblassende Erinnerung an den beschriebenen Ort. Rückblickend kann ich sagen: ich habe bereits einen Duft, der mich nahe an den beschriebenen Ort bringt, mein geliebtes "Let Me Play The Lion". Und "I-I Terralba" wird jetzt einen anderen Aspekt abdecken. Außerdem werde ich diesen Sommer den Abgleich mit der Realität machen können, alles mal neu kalibrieren, darauf freue ich mich. Und wenn das Finanzierungsmodell geklärt ist, werde ich mir "I-I Terralba" wohl leisten (ausschließlich 100ml-Flakons, für 150 Euro, empfinde ich als hart an der Grenze des Vertretbaren).
Dieser Text wird jetzt schon recht lang und zu sehr Essay für ein Forum, denke ich, darum breche ich hier mal ab.
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* Außerdem: ich weiß viel zu wenig über Parfumgeschichte, ich denke aber, dass es seit den ersten Chypres und in Hinblick auf die Vorstellung vom "Fotorealismus" von Düften eine Entwicklung gab, ich nehme an, mit einem ausgeprägten handwerklich-technischen Aspekt.
Zuletzt bearbeitet von Mefunx am 15.06.2014, 13:55, insgesamt einmal bearbeitet